Recht und Steuern

A 4a Nr. 124

§§ 1062 Abs. 1 Nr. 4, 1065 Abs. 1 S. 1 ZPO - Zulässigkeit der Aufrechnung im Vollstreckbarerklärungsverfahren
Hat ein Schiedsgericht eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht berücksichtigt, kann der Aufrechnungseinwand grundsätzlich im Vollstreckbarerklärungsverfahren vor dem ordentlichen Gericht geltend gemacht werden. Dies gilt für inländische und ausländische Schiedssprüche. Es gilt jedoch dann nicht, wenn die Forderung ihrerseits einer Schiedsabrede unterliegt oder für sie eine ausländische Gerichtsbarkeit vereinbart worden war.
Der Schiedsvertrag hindert die Aufrechnung mit einer schiedsbefangenen Forderung nicht, wenn diese unstreitig ist; in diesem Fall liegt ein Eingriff in die von den Parteien vereinbarte Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts nicht vor.
Dies gilt wiederum dann nicht, wenn die Forderung zwar als solche unstreitig, jedoch streitig ist, ob sie durch die vom Antragsteller zuvor erklärte Aufrechnung mit anderen Ansprüchen untergegangen ist.
Die Erhebung der Schiedsabrede im Prozess verstößt nicht deshalb gegen Treu und Glauben, weil der Beklagte ggf. seine Gegenforderungen in einem bestimmten ausländischen Staat vollstrecken müsste; dies ist Folge seiner Geschäftsbeziehungen mit einem Unternehmen in diesem Staat.
BGH Beschl.v. 29.7.2010 – III ZB 48/09; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2010, 275 = RKS A 4 a Nr. 124
Aus den Gründen:
Hat ein Schiedsgericht eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht berücksichtigt, kann der Aufrechnungseinwand vom Antragsgegner grundsätzlich im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung vor dem ordentlichen Gericht geltend gemacht werden (BGH 22.11.1962 VII ZR 264/61 BGHZ 38, 259,263 ff; BGH Urt.v. 7.1.1965 – VII ZR 241/63 NJW 1965, 1138, 1139 = RKS/HSG A 4 a Nr. 1). Dies gilt nicht nur für inländische, sondern ebenso für ausländische Schiedssprüche (vgl. nur BGH 16.2.1961 VII ZR 191/59 BGHZ 34, 274, 277; 22.11.1962 VII ZR 264/61 BGHZ 38, 254; 3.12.1986 IVb ZR 80/85 BGHZ 99, 143; Urt.v. 7.1.1965 aaO). Hiervon ist auch das OLG zutreffend ausgegangen.
Allerdings kann im Vollstreckbarerklärungsverfahren eine Aufrechnung dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie ihrerseits einer Schiedsabrede unterliegt (RG JW 1912, 132; RGZ 123, 348, 349 f.; RG HRR 1936 Nr. 1419; BGH 22.11.1962 VII ZR 264/61 BGHZ 38, 254, 257f.; 3.12.1986 IVb ZR 80/85 BGHZ 99, 143, 147; BGH 17.1.2008 – III ZR 320/06 = NJW-RR 2008, 556 Rd-Nr. 10 = RKS A 1 Nr. 156). Genauso hat der BGH – unter Hinweis auf die entsprechende Situation bei der Schiedsabrede – die Aufrechnung bei Bestehen einer Parteivereinbarung behandelt, in der eine ausländische Gerichtsbarkeit vereinbart worden war (vgl. etwa BGHZ 60, 85, 89; BGH 20.12.1972 – VIII ZR 186/70 NJW 1973, 421f.,, 12.5.1993 VIII ZR 110/92 NJW 1993, 2753, 2755). Im Hinblick auf BGH 20.12.1956 II ZR 177/55 BGHZ 23, 17 – dort ist die Frage, ob eine Schiedsgerichtsklausel die Berücksichtigung des Aufrechnungseinwands im Zivilprozess ausschließt, letztlich offengelassen worden – besteht deshalb keine klärungsbedürftige Rechtsfrage mehr.
Es bedarf ferner keiner Klärung, ob ein Schiedsvertrag auch dann die Aufrechnung mit einer der Schiedsabrede unterfallenden Forderung hindert, wenn diese unstreitig ist. Die zitierte Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass die Schiedsvereinbarung es ausschließt, dass ein ordentliches Gericht anstelle des Schiedsgerichts über Grund und Höhe der Forderung entscheidet. Ist die Forderung aber unstreitig, liegt ein Eingriff in die von den Parteien vereinbarte Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts nicht vor (so auch BGH 17.1.2008 aaO. RKS A 1 Nr. 156 für den vergleichbaren Fall, dass über die Gegenforderung ein abschließender Schiedsspruch bereits vorliegt). Zum anderen war die von der AGg. zur Aufrechnung gestellte Forderung zwar als solche unstreitig, jedoch war insoweit streitig, ob diese Forderung durch die zuvor von der ASt. erklärte Aufrechnung mit anderen Schadensersatzansprüchen untergegangen war. Deshalb war durchaus streitig, ob der AGg. eine aufrechenbare Forderung überhaupt (noch) zustand.
Im Einzelfall kann die Erhebung der Schiedsabrede im Prozess gegen § 242 BGB verstoßen und deshalb unbeachtlich sein (BGH 20.12.1956 II ZR 177/55 BGHZ 23, 17, 26 f.; 22.11.1962 VII ZR 264/61 BGHZ 38, 254, 259; BGH 20.6.1979 VIII ZR 228/67 WM 1979, 978, 979f.). Die dort im Zusammenhang mit einem Vermögensverfall des Schuldners der zur Aufrechnung gestellten Forderung angestellten Erwägungen treffen auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht zu, abgesehen davon hat sich die AGg. vor dem OLG überhaupt nicht auf § 242 BGB berufen. Dass die AGg. hinsichtlich ihrer Gegenforderungen ggf. später in der Slowakei vollstrecken muss, ist letztlich Folge ihrer Geschäftsbeziehungen mit einem ausländischen Unternehmen und der mit diesem abgeschlossenen Verträge.