Recht und Steuern

A6 Nr.13

A6 Nr.13
§§ 1032, 1057, 1062 ZPO Streitwertfestsetzung im Schieds- und im ordentlichen Gerichtsverfahren. Entscheidung des Schiedsgerichts in eigener Sache?
Für die Streitwertfestsetzung im Schiedsverfahren ist nicht das ordentliche, sondern das Schiedsgericht selbst zuständig. Es hat den Streitwert aber nur für die Kostenerstattung im Verhältnis der Parteien des Schiedsverfahrens untereinander festzusetzen, nicht jedoch als Grundlage für die Entscheidung darüber, welche Gebühren jede der Parteien dem Schiedsgericht schuldet; letzteres wäre eine Entscheidung des Schiedsgerichts in eigener Sache und darum unzulässig. Deswegen gibt es im Schiedsverfahren keinen Streitwertbeschluss, welcher die Grundlage für alle Kostenerstattungsansprüche wäre, sondern nur eine Streitwertfestsetzung mit dieser eingeschränkten Reichweite.
Lehnt das Schiedsgericht die Streitwertfestsetzung auch im Verhältnis der Parteien untereinander endgültig ab, so muss die Erstattung begehrende Partei gegen die andere vor dem ordentlichen Gericht klagen. Dieser Klage steht dann die Einrede der Schiedsvereinbarung nicht entgegen, weil die Schiedsvereinbarung durch die endgültige Weigerung des Schiedsgerichts insoweit undurchführbar geworden ist (§ 1032 Abs. 1 letzte Alt. ZPO). In diesem Verfahren ist der Streitwert des Schiedsverfahrens eine incidenter zu klärende Vorfrage, zu deren Beantwortung das jeweils angerufene Prozessgericht zuständig ist.
OLG Dresden Beschluss vom 11.12.2000 - 11 SchH 1/00; Betriebs-Berater 2001 Beilage 6 S. 20 = RKS A 6 Nr. 13
Aus dem Sachverhalt:
In einem Schiedsverfahren wurden die beiden Antragsgegner verurteilt, der Berichtigung des Grundbuchs zuzustimmen und die Kosten zu 45 % bzw. 55 % zu tragen. Der Streitwert wurde nach den bis dahin unwidersprochenen Angaben der Antragsteller auf 350.000 DM festgesetzt. Dieser Schiedsspruch wurde nicht angegriffen. Nun beantragten die Schiedskläger beim Schiedsgericht, die Kosten gemäß der Kostengrundentscheidung in einem weiteren Schiedsspruch zu regeln. In diesem Verfahrensabschnitt machten die Schiedsbeklagten erstmals geltend, der Streitwert sei zu hoch angesetzt. Das Schiedsgericht wies den Antrag zurück: Es dürfe nicht über die Kostenerstattung entscheiden, solange der Streitwert zwischen den Parteien umstritten sei. Mit der Streitwertfestsetzung entscheide es bereits eine Vorfrage, die Grundlage des eigenen Honoraranspruchs des Schiedsgerichts sei. Niemand dürfe aber Richter in eigener Sache sein. Deswegen sei der Streitwert zunächst durch die staatlichen Gerichte zu klären.
Aus den Gründen:
Das OLG ist nicht - sowenig wie irgendein anderes staatliches Gericht - berufen, den Streitwert eines Schiedsverfahrens in der Art festzusetzen, wie staatliche Gerichte den Streitwert als Grundlage für alle Kostenentscheidungen bestimmen: Eine Kompetenz des OLG ergibt sich nicht aus § 1062 Abs. 1 ZPO. Denn dort ist abschließend aufgezählt, welche Entscheidungen betreffend ein Schiedsverfahren dem OLG zustehen: Bestellung, Ablehnung und Amtsende eines Schiedsrichters; Zulässigkeit des Schiedsverfahrens, Zuständigkeit des Schiedsgerichts; vorläufige oder sichernde Maßnahmen im Rahmen des Schiedsverfahrens, Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Ersichtlich gehört dazu nicht die Festsetzung des Streitwerts.
Auch das Amtsgericht (§ 1062 Abs. 4 ZPO) ist zur Festsetzung des Streitwerts nicht berufen: Es soll den Parteien in den Fällen helfen, in denen dem Schiedsgericht zur Durchführung der Beweisaufnahme Hoheitsrechte fehlen.
Die Weigerung, den Streitwert festzusetzen, ist systemgerecht. Die Festsetzung durch das OLG würde den Parteien nicht weiterhelfen. Die Antragsteller müssen entweder den Schiedsrichter davon überzeugen, dass er nach Maßgabe der folgenden Grundsätze den Streitwert nur für die Kostenerstattung im Verhältnis Schiedskläger-Schiedsbeklagte bestimmt, oder sie müssen, falls ihnen das nicht gelingt, den Kostenerstattungsanspruch gegen die Schiedsbeklagten vor den staatlichen Gerichten einklagen mit der Begründung, das Schiedsverfahren sei undurchführbar, § 1032 Abs. 1 letzte Alt. ZPO.
Die Kostenerstattung im Schiedsverfahren unterscheidet sich von der Kostenerstattung im Verfahren der staatlichen Gerichte. Das Schiedsgericht entscheidet nicht darüber, welche Gebühren die jeweilige Partei im Schiedsverfahren ihrem eigenen Anwalt schuldet; denn diese Frage haben Anwalt und Mandant nicht dem Spruch des Schiedsgerichts der Streitsache unterstellt, und das Schiedsgericht entscheidet auch nicht, welche Gebühren die Parteien dem Schiedsrichter schulden, wenn darüber zwischen Schiedsgericht und Parteien Streit besteht. Denn das Schiedsgericht kann nicht Richter in eigener Sache sein. Insoweit ist sich der Senat mit dem Schiedsrichter einig.
Deswegen gibt es im Schiedsverfahren keinen Streitwertbeschluss, welcher Grundlage für alle Kostenerstattungsansprüche wäre, sondern nur eine Streitwertfestsetzung mit beschränkter Reichweite.
Der Anwalt muss mit seinem Mandanten über die verdiente Gebühr genau so vor den ordentlichen Gerichten streiten wie der Schiedsrichter mit den Parteien des Schiedsverfahrens. In den entsprechenden Honorarklagen ist der Streitwert des Schiedsverfahrens dann jeweils eine inzident zu klärende Vorfrage, zu deren Beantwortung das jeweils angerufene Prozessgericht zuständig ist.
Aber das Schiedsgericht entscheidet sehr wohl darüber, welche Partei welchen Kostenanteil des Schiedsverfahrens zu ersetzen hat. Insoweit entspricht die Kostenerstattung den Regeln der ZPO und der Kostengesetze. Insoweit darf und muss das Schiedsgericht auch (als Vorfrage) den Streitwert des Schiedsverfahrens bestimmen. Das ergibt sich aus dem Gesetz selbst, § 1057 ZPO. In diesem Rahmen entscheidet das Gericht dann auch darüber, welche Partei welcher anderen einen etwaigen Vorschuss für das Schiedsgericht in welcher Höhe auszugleichen hat. Das Schiedsgericht hätte also die beantragte Kostenfestsetzung nicht ablehnen dürfen. Ob diese Ablehnung das letzte Wort des Schiedsgerichts in dieser Schiedssache ist, steht noch nicht fest.
Von außen her kann der Schiedsspruch allerdings nicht geändert werden: Ein Aufhebungsgrund nach §1059 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Von selbst kann das Schiedsgericht seine eigene Entscheidung nicht ohne weiteres ändern. § 1055 ZPO setzt den Schiedsspruch einem rechtskräftigen Urteil gleich, § 1058 erlaubt eine Änderung nur unter Voraussetzungen, welche denjenigen ähneln, unter welchen ein Urteil wegen offensichtlicher Versehen berichtigt werden darf; daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Schiedsrichter nicht wegen Meinungsänderung den Schiedsspruch umstoßen darf.
Hier sieht es aber so aus, als ob der Schiedsspruch, der die Kostenerstattung ablehnte, aus seinen Gründen heraus so auszulegen ist, dass der Schiedsrichter die Kostenerstattung nur vorläufig ablehnte: Wäre der Streitwert verbindlich von einem staatlichen Gericht festgesetzt, wollte sich der Schiedsrichter der Kostenfestsetzung nicht verweigern. Die Rechtskraft entspricht damit (in etwa) dem Urteil, das eine Werklohnklage mangels prüffähiger Schlussrechnung als derzeit unbegründet abweist; damit ist der Werklohnanspruch nicht rechtskräftig aberkannt.
Falls es den Schiedsklägern nicht gelingt, den Schiedsrichter davon zu überzeugen, dass er auch ohne Streitwertfestsetzung durch staatliches Gericht über den Kostenerstattungsanspruch der Parteien seines Schiedsverfahrens entscheiden muss, bleibt ihnen nur, diesen Kostenerstattungsanspruch mit Hilfe der staatlichen Gerichte einzuklagen. Dem Einwand, dass für diesen Anspruch das Schiedsgericht zuständig und der ordentliche Rechtsweg deswegen verschlossen sei, könnten sie entgegenhalten, dass die Schiedsvereinbarung insoweit undurchführbar sei.
Hinweis: Siehe auch OLG Dresden 8.5.2001 A 4 a Nr. 55