Recht und Steuern

A6 Nr. 54

 A 6 Nr. 54 § 1050 ZPO, § 182 InsO, § 40 Abs. 1 S. 2 DIS-SchO – Zuständigkeit des Amtsgerichts für die Streitwertfestsetzung im laufenden Schiedsverfahren. Kein Einfluss der Insolvenz einer Schiedspartei auf die Höhe des Streitwerts

1. Das Schiedsgericht kann gem. § 1050 S. 1 ZPO bei Gericht Unterstützung bei richterlichen Handlungen begehren, zu denen es selbst nicht befugt ist. Dies gilt für die Streitwertfestsetzung, da damit das Schiedsgericht indirekt seine Gebühren bestimmen und unzulässig in eigener Sache entscheiden würde.

2. Im laufenden Verfahren ist die Streitwertfestsetzung für dessen Fortgang erforderlich, damit die Schiedsrichter ihren Vorschuss anfordern können; es reicht nicht, den Streitwert erst als Vorfrage bei ihren Honorarklagen zu ermitteln.

3. § 182 InsO, wonach sich der Wert des Streitgegenstandes einer bestrittenen Forderung nach dem  bei der Verteilung der Insolvenzmasse auf die Forderung zu erwartenden Betrag bestimmt, gilt nicht für das Schiedsverfahren. Nach dem Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung beider Parteien für die Schiedsverfahrenskosten (§ 40 Abs. 1 S. 1 DIS-SchO) wirkt sich die Insolvenz einer Partei nicht auf das Schiedsrichterhonorar aus. Die Vergütung der Schiedsrichter ist die Gegenleistung für die Tätigkeit des Schiedsgerichts. Dessen Arbeitsaufwand ändert sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht.

AG Stuttgart Beschl.v. 8.4.2008 -18 C 7402/07  SchiedsVZ 2012, 54 = RKS A 6 Nr. 54
Aus dem Sachverhalt:
In dem vom Schiedsgericht beim Amtsgericht Stuttgart eingeleiteten Verfahren streiten die Schiedsparteien um die Höhe des für das noch laufende Schiedsverfahren festzusetzenden Streitwerts.  Im Schiedsverfahren hatte die Schiedsklägerin die Feststellung einer Forderung zur Tabelle begehrt, die das Schiedsgericht in Höhe von 1.864.688 € für angebracht hielt. Die Schiedsbeklagte meint, der Streitwert sei auf 1 € festzusetzen, weil mittlerweile Masseunzulänglichkeit angezeigt worden sei.
Aus den Gründen:

1.Der Antrag des Schiedsgerichts ist gem. § 1050 Satz 1 ZPO zulässig. Danach kann das Schiedsgericht bei Gericht Unterstützung bei Vornahme richterlicher Handlungen begehren, zu denen das Schiedsgericht nicht befugt ist. Die Schiedsrichter sind nicht befugt, ihre Gebühren selbst festzusetzen, auch nicht indirekt über die Festsetzung des Streitwertes (BGH 25.11.1976 – III ZR 112/74  WM 1077, 319; BGH 7.3.1985 – III ZR 169/83 BGHZ 94, 92; Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren 3. Aufl. 1999 Rd-Nr. 227; Musielak/Voit 5. Aufl. 2007 § 1057 Rd-Nr. 5; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kap. 33 Rd-Nr. 15). Denn dies wäre eine unzulässige Entscheidung in eigener Sache. Das Schiedsgericht kann deshalb über den Streitwert nicht selbst entscheiden. Es würde sonst das Honorar seiner Mitglieder einseitig gegenüber den Parteien des Schiedsverfahrens festsetzen.
2.Da das Schiedsverfahren noch andauert (anders als beim Fall des OLG Dresden  Beschl.v. 11.11.2000  - 11SchH 1/00 BB Beilage 2001, Nr. 6 20 – 21) und der Streitwert für den Fortgang des Verfahrens nötig ist, damit die Schiedsrichter ihren Vorschuss anfordern können, reicht es nicht aus, den Streitwert erst als Vorfrage bei ihren Honorarklagen zu ermitteln.

Das Amtsgericht Stuttgart ist für die Entscheidung gem. § 1062 Abs.4 ZPO sachlich und örtlich zuständig. Eine Zuständigkeit des OLG Stuttgart gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO besteht nicht, weil keine Entscheidung des Schiedsgerichts über den Streitwert vorliegt. Gem. § 40.2 DIS-SchO  ist der Streitwert vom Schiedsgericht nach pflichtgemäßem Ermesssen festzusetzen.  Der Ansatz des Streitwerts in Höhe von 1.864.688 € ist zutreffend.

3.Eine unmittelbare Anwendung des § 182 InsO auf das Schiedsverfahren ergibt sich nicht aus § 182 InsO selbst oder § 185 S. 3 InsO. Auch eine analoge Anwendung des § 182 InsO im Schiedsgerichtsverfahren scheidet aus. § 182 InsO ist nach seinem Rechtsgedanken nicht auf das Schiedsverfahren anwendbar.
 
Aus dem in § 40 Abs. 1 Satz 2 DIS-SchO festgelegten Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung der Parteien für die Verfahrenskosten des Schiedsverfahrens lässt sich entnehmen, dass die Insolvenz einer Partei sich nicht auf die Gebühren und das Honorar des  Schiedsgerichts auswirken soll. Entscheidendes Kriterium für die Ausübung des Ermessens zur Bestimmung des Streitwertes ist die Kontinuität des Schiedsverfahrens und der Umfang der schiedsrichterlichen Tätigkeit. Die Vergütung der Schiedsrichter ist ist die Gegenleistung für die Tätigkeit des Schiedsgerichts. An dieser ändert sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in ihrem Umfang nichts. Auch fällt bei einem Antrag auf  Feststellung zur Insolvenztabelle derselbe Arbeitsaufwand an wie bei einem Leistungsantrag. Die Situation des privaten Schiedsgerichts unterscheidet sich insoweit wesentlich von der Lage bei den staatlichen Gerichten, die vom Staat ihre Mittel enthalten. Dass die Insolvenz einer Partei des Schiedsverfahrens auf die Vergütung  des privaten Schiedsgerichts durchschlagen soll, begegnet vor diesem Hintergrund erheblichen Bedenken und wäre sachlich nicht zu rechtfertigen.