Recht und Steuern

A6 Nr. 30

A 6 Nr. 30
§§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB, § 9 ZPO - Streitwertfestsetzung durch Schiedsgericht unwirksam. Angemessenes Schiedsrichterhonorar mangels Vereinbarung, bei vorzeitigem Verfahrensende. Gesamtschuldnerische Haftung der Parteien für Schiedsrichterhonorar
1. Ein Schiedsgericht darf die Vergütung seiner Mitglieder weder unmittelbar noch mittelbar durch eine Entscheidung über den Streitwert des Schiedsverfahrens selbst festsetzen. Eine solche Entscheidung ist unwirksam. Mangels Parteivereinbarung ist der Streitwert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei kann der vom Schiedsgericht festgesetzte Streitwert immerhin als Orientierungshilfe dienen.
2. Im Falle vorzeitiger Verfahrensbeendigung ist bei der Festsetzung der Gebühren das Stadium zu berücksichtigen, in dem das Verfahren beendet wurde.
3. In Fortentwicklung der unter der Geltung der BRAGO entwickelten ständigen Übung auf der Basis einer Vereinbarung zwischen dem Deutschen Anwalt-Verein und dem Deutschen Richterbund sollen die Schiedsrichter die Gebühren eines Anwalts in der Berufungsinstanz erhalten, wobei Terminsgebühren doppelt anfallen und die Gebühren des Vorsitzenden um 0,2 erhöht werden.
4. Endet das Verfahren, bevor es zu einer mündlichen Verhandlung oder zu einer Beweisaufnahme gekommen ist, erscheint es angemessen, aber auch ausreichend, die Terminsgebühren noch nicht in Ansatz zu bringen, sondern nur eine Verfahrensgebühr entsprechend Nr. 3200 des Vergütungsverzeichnisses mit einem Satz von 1,6 zuzüglich der 0,2 für den Obmann zu berechnen.
5. Die Schiedsrichter können ihre Ansprüche gegen die Parteien als Gesamtschuldner gem. § 421, 427 BGB ohne Rücksicht darauf geltend machen, wer welchen Schiedsrichter benannt hat.
LG Mönchengladbach Urt.v. 14.7.2006 - 2 O 134/05; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht
2007, 104 = RKS A 6 Nr. 30
Aus dem Sachverhalt:
Die klagenden Schiedsrichter machen Honoraransprüche aus ihrer Tätigkeit im Rahmen eines gesellschaftsvertraglich vereinbarten Schiedsgerichtsverfahrens geltend.
Nach § 20 des Gesellschaftsvertrages vom 14.12.1988 ist ?zur Entscheidung über alle Streitigkeiten, die sich zwischen der Gesellschaft auf der einen Seite und den Gesellschaftern auf der anderen Seite sowie zwischen Gesellschaftern untereinander auf Grund des Gesellschaftsvertrages ergeben, unter Ausschluss des Rechtsweges ein Schiedsgericht zu berufen?.
Aus den Gründen:
1. Den Klägern steht gem. §§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1 2.Halbs. BGB i.V.m. der Schiedsvereinbarung und dem Schiedsgerichtsvertrag vom 14.12.1988 ein Anspruch auf das Schiedsrichterhonorar zu; darüber hinaus hat der Kläger zu 1. einen Anspruch auf Erstattung seiner unstreitigen Aufwendungen. Die Kläger sind wirksam zu Mitgliedern des Schiedsgerichts entsprechend dem Gesellschaftsvertrag berufen worden.
Ohne Bedeutung ist, dass ein Schiedsgericht die Vergütung seiner Mitglieder weder unmittelbar noch mittelbar durch eine Entscheidung über den Streitwert des Schiedsverfahrens festsetzen kann (BGH DB 1977, 1502, 1503 = HSG A 6 Nr. 8) und damit die in dem Beschluss vom 22.3.2005 getroffene Streitwertfestsetzung unwirksam ist.
Die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorzunehmende Streitwertschätzung ergibt nämlich, dass - entsprechend den Regelungen des § 9 ZPO sowie unter angemessener Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei den zur Entscheidung an das Schiedsgericht herangetragenen Fragestellungen um Feststellungsanträge handelte - die Streitwertfestsetzung auf 70.000 Euro billigem Ermessen entsprach.
2. Die geltend gemachten Gebühren entsprechen indes nicht billigem Ermessen, da die Kl. nicht in angemessener Weise berücksichtigt haben, dass das Verfahren sich noch in seinem Anfangsstadium befand, als es durch den Beschluss vom 5.7.2005 beendet wurde. Zwar haben sich die klagenden Schiedsrichter bereits mit dem Ablehnungsgesuch sowie dem Aussetzungsantrag der Bekl. zu 2 befasst und den verfahrensbeendenden Beschluss gefasst. Bei der Ermittlung eines angemessenen Honorars ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Kl. weder in die Sachverhaltsermittlung eingetreten sind und daher auch noch keine materiellrechtlichen Erwägungen anstellen mussten, somit der überwiegende Teil der schiedsgerichtlichen Tätigkeit bis zur Beendigung des Schiedsverfahrens noch nicht erbracht wurde.
Das Gericht hält daher erhebliche Abschläge von dem verlangten Honorar für geboten, aber auch angemessen, wobei im Ergebnis dahinstehen kann, ob diese Ermäßigung in Anlehnung an § 40.3 der DIS-SchiedsgerichtsO ?bei einer vorzeitigen Erledigung des Verfahrens entsprechend dem Verfahrensstand nach billigem Ermessen? erfolgt oder dadurch, dass - unter entsprechender Anwendung auf die Regeln der BRAGO (bzw. nunmehr des RVG) - zurückgegriffen wird (vgl. Buchwaldt NJW 1994, 638 f.).
3. In Fortentwicklung der unter der Geltung der BRAGO entwickelten ständigen Übung auf der Basis einer Vereinbarung zwischen dem Deutschen Anwalt-Verein und dem Deutschen Richter-Bund (vgl. Glossner/Bredow/Bühler Das Schiedsgericht in der Praxis) hält es die Kammer für angemessen, nach dem Inkrafttreten des RVG vor Anhängigkeit des vorliegenden Schiedsverfahrens die von Bischof SchiedsVZ 2004, 252ff vorgeschlagene Regelung zu Grunde zu legen, wonach die Schiedsrichter die Gebühren eines Anwalts in der Berufungsinstanz erhalten sollen, wobei Terminsgebühren doppelt anfallen und die Gebühren des Vorsitzenden jeweils um 0,2 erhöht werden sollen.

Insbesondere, da Schiedsgerichtsverfahren nach Kenntnis der Kammer in aller Regel gerade in Bezug auf die mündlichen Verhandlungen und Beweisaufnahmen sowie deren Vorbereitung sehr arbeitsintensiv sind, erscheint eine solche Handhabung und Verfahrensweise sachgerecht.
Das führt dazu, dass - eine vollständige Abwicklung des Schiedsverfahrens unterstellt - der Vorsitzende oder Obmann des Schiedsgerichts eine (Verfahrens-)Gebühr von 1,8 und zwei (Prozess-) Gebühren von je 1,4 sowie die Beisitzer jeweils eine Gebühr von 1,6 sowie zwei Gebühren zu je 1,2 beanspruchen können.
4. Da es im vorliegenden Schiedsverfahren weder zu einer mündlichen Verhandlung noch zu einer Beweisaufnahme gekommen ist und die Tätigkeit des Schiedsgerichts, vor allem des Kl. zu 1 als dessen Obmann, sich in verfahrenseinleitenden organisatorischen Maßnahmen sowie der Fassung lediglich eines einzigen etwas längeren, allerdings auf Fragen der Zuständigkeit und Zulässigkeit des Schiedsverfahrens beschränkten Beschlusses erschöpft hat, erscheint es angemessen, aber auch ausreichend, die Terminsgebühren noch nicht in Ansatz zu bringen, sondern lediglich eine Verfahrensgebühr entsprechend Nr. 3200 des Vergütungsverzeichnisses mit einem Satz von 1,6 zuzüglich des angesprochenen Zuschlages von 0,2 für den Obmann zu berechnen.... Ausgehend von den Gesamtgebühren für Obmann und Beisitzer erscheint eine Ermäßigung auf 40 % der Gebührenansprüche bei Beendigung in einem solch frühen Zeitpunkt geboten (vgl. hierzu Dietz Mitt.der Bayer.Notarkammer 2000, 349, 356; Münchener Kommentar/Münch vor § 1034 Anm. 17).
5. Sämtliche Ansprüche können die Kl. gegen die Bekl. als Gesamtschuldner gem. §§ 421, 427 BGB ohne Rücksicht darauf geltend machen, wer welchen Schiedsrichter benannt hat (vgl. BGHZ 55, 344, 347 = HSG A 6 Nr. 5; Münchener Kommentar/Münch a.a.O.; Zöller/Geimer § 1035 ZPO Rd-Nr. 24).