Recht und Steuern

A 6 Nr. 63

A 6 Nr. 63 Nr. 3100 VV-RVG, Vorb. 3.2.2 Nr. 1 lit.a, Nr. 3206, 3208 VV-RVG, §§ 574, 1025, 1065 ZPO – Anwaltsgebühr für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs
Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs verbleibt es für das Rechtsbeschwerdeverfahren bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG.
Eine entsprechende Anwendung des Unterabschnitts 2 (Vorb. 3.2.2. Nr. 1 lit. a), der die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel betrifft und Verfahrensgebühren nach Nr. 3206 mit Nr. 3208 zur Folge hätte, auf Schiedssprüche kommt nicht in Betracht. Titel im Bereich der ZPO sind nur zur Vollstreckung geeignete Titel (vgl. die Sonderregel § 794 Abs. 1 Nr. 4a für Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären); ein Schiedsspruch fällt nicht darunter.  
OLG München Beschl.v. 8.8.2013 – 34 Sch 10/11 NJW 2013, 3186 = RKS A 6 Nr. 63
Aus dem Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 14.11. erklärte der Senat einen am 27.1.2011in Zürich/Schweiz  ergangenen Schiedsspruch, mit dem die Antragsgegnerin zur Zahlung verurteilt wurde,  für vollstreckbar. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde verwarf der BGH mit Beschl. v. 13.9.2012 auf Kosten der AGg. als unzulässig. Am 31.10.2012 hat die Antragstellerin Kostenfestsetzung hinsichtlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem BGH beantragt und dabei eine 2,3-Verfahrensgebühr entsprechend Vorb. 3.2.2. Nr. 1 lit. a i.V.m. Nr. 3206, 3208 VV-RVG geltend gemacht. Mit Beschluss v. 10.12.2012 hat die Rechtspflegerin den Antrag zurückgewiesen: gem. Vorb. 3.1. Abs. 2 VV-RVG falle für die Rechtsbeschwerde nach § 1065 ZPO eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG in Höhe von 1,3 an. Gegen diese Entscheidung hat die ASt. Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die Kosten in der geltend gemachten Höhe festzusetzen und hilfsweise die Rechtsbeschwerde zum BGH zuzulassen. Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde findet gem. § 567 Abs. 1 ZPO nur statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte  und Landgerichte, nicht gegen Entscheidungen des OLG (Zöller/Heßler ZPO 29. Aufl. § 567 Rd-Nr. 38). Da gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, findet die befristete Erinnerung statt, über die der Einzelrichter (§ 11 Abs. 2 S. 4 RPflG i.V.m. § 568 S. 1 ZPO) und nach Übertragung des Verfahrens gem. § 568 S. 2 ZPO der Senat entscheidet.
Die Erinnerung ist unbegründet. Gem. Teil 3 Abschn. 1 Vorb. 3.1 Abs. 2 VV-RVG ist dieser Abschnitt – ohne dass insoweit eine Einschränkung ersichtlich wäre – auf Rechtsbeschwerde-verfahren nach § 1065 ZPO anzuwenden.  Damit fällt dort gem. Nr. 3100 VV-RVG eine Verfahrensgebühr von 1,3 an. Zwar bildet der vorgenannte Abschnitt eine Auffangregelung (vgl. etwa Hartung/Römermann VV-RVG Teil 3 Rd-Nr. 22)  für die gerichtlichen Verfahren,  für die in den folgenden Abschnitten dieses Teils keine Gebühren bestimmt sind. Allerdings ist in Abs. 2 das rechtsbeschwerdeverfahren nach § 1065 ZPO ausdrücklich als diesem Abschnitt unterfallend genannt, so dass schon zweifelhaft erscheint, ob insoweit Abs. 1 überhaupt noch zum Zuge kommt.
Zieht man Abschnitt 1heran, stellt sich die Frage, ob Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 vorgeht mit der Folge, dass grundsätzlich ein Gebührensatz von 1,6 bzw. – weil sich wegen § 78 Abs. 1 S. 3 ZPO die Parteien nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können -  ein solcher von 2,3 zur Anwendung kommt. Gem. Vorb. 3.2.2. Nr. 1 lit. a VV-RVG ist dieser Unterabschnitt anzuwenden in Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel.
Unter Titel wird aber im Bereich der ZPO ein zur Vollstreckung geeigneter Titel verstanden, das Gesetz selbst spricht nur von Vollstreckungstiteln (vgl. etwa § 794 ZPO und dort die Sonderregel zu Schiedssprüchen in Abs. 1 Nr. 4 a). Auch im juristischen Sprachgebrauch ist Titel die abgekürzte Bezeichnung für Vollstreckungstitel (vgl. etwa Creifelds Rechtswörterbuch 19. Aufl. „Titel [vollstreckbarer]“; „Vollstreckungstitel“), der die Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung bildet. Ein Schiedsspruch fällt somit nicht darunter (s. §§ 1060 Abs. 1, 1061 ZPO und Art.III UN-Übereinkommen über  die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 BGBl. II 1961 1961, 122). Solche bedürfen erst der Vollstreckbarerklärung.
So wird ganz allgemein für das Vollstreckbarerklärungsverfahren – ohne Differenzierung danach, ob es sich um einen inländischen oder ausländischen Schiedsspruch handelt – von der Anwendbarkeit der Nr. 3100 VV-RVG ausgegangen (Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1065 Rd-Nr. 7; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 34. Aufl. § 1065 Rd-Nr. 7; Mayer in Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. § 36 Rd-Nr. 9 für die 1. Instanz;  Müller/Rabe in Gerold/Schmidt VV  Vorb. 3.1Rd-Nrn. 3, 4 für die Rechtsbeschwerde). Soweit auch ausländische Schiedssprüche Abschnitt 2 unterstellt werden (Müller/Rabe in Gerold/Schmidt VV Vorb. 3.2.1.Rd-Nr. 12), wird dies nicht begründet.
Eine Regelungslücke, die durch teleologische  Reduktion auszufüllen wäre, liegt nicht vor. Anhaltspunkte für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes sind nicht ersichtlich.
17.11.2013