Recht und Steuern

A 6 Nr. 59

A 6 Nr. 59  Art. 31 ICC-SchO. Vollstreckbarerklärung eines inländischen ICC-Schiedsspruchs. Erstattung „angemessener“ Kosten.
1.Grundsätzlich ist auf das inländische Schiedsverfahren das 10. Buch der ZPO
anwendbar. Soweit die Parteien zulässige abweichende Vereinbarungen abgeschlossen haben, gehen diese vor.
Für das Verfahren vor dem ICC-Schiedsgericht gelten die vereinbarten ICC-Regeln (ICC-Schiedsordnung [SchO]), ferner der Schiedsauftrag und gegebenenfalls ergänzende, vom Schiedsgericht erlassene Verfahrensregeln (Ziffer X SchO).
Für die Entscheidung über die Kosten des Schiedsverfahrens enthält die ICC-SchO eine in sich abgeschlossene Regelung, die einen Rückgriff auf Kostenvorschriften des nationalen Rechts (hier ZPO, RVG) im Regelfall nicht erfordert.
Ist in dem die Vereinbarung der ICC-Schiedsordnung enthaltenden Vertrag die Anwendung deutschen Rechts vereinbart, so gilt dies im Zweifel nur für den Vertrag und dessen Durchführung, nicht für das Schiedsverfahren und dessen Kostenfolgen.
2.Gemäß Art. 31 Abs. 1 SchO umfassen die zu erstattenden Verfahrenskosten nur die angemessenen („reasonable“) Aufwendungen der Parteien.
In internationalen komplexen und umfangreichen Verfahren ist die Vereinbarung von Stundenhonorarsätzen üblich. Ob der zeitliche Aufwand und die vereinbarten Honorarsätze angemessen sind, hat das Schiedsgericht nach seinem Ermessen zu beurteilen. Diese Entscheidung darf das Gericht wegen des Verbots der révision au fond nicht nachprüfen.
OLG München Beschl.v. 23.7.2012 --  34 Sch 19/11 RKS A 6 Nr. 59
Aus den Gründen:
Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist stattzugeben.
1.Die Antragsgegnerin rügt, das Schiedsgericht habe trotz vereinbarter Anwendung deutschen Rechts die Kostenentscheidung unter Außerachtlassung von § 91 Abs. 2 ZPO i.V.m. den maßgeblichen Vergütungsvorschriften des RVG getroffen.
Ein Verstoß gegen eine das Schiedsverfahren betreffende Vereinbarung (§ 1059 Abs. 2 Zi. 1 d ZPO) liegt indessen nicht vor. Die Parteien haben zwar die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Die Rechtswahl betraf aber die Durchführung des Vertrags (Cooperation and Supply Agreement, dort zu X):
This Agreement shall be construed and enforced in accordance with German law, without regard to any choice of law rules.
Danach ist deutsches materielles Recht anwendbar, jedoch eben auf den zugrunde liegenden Vertrag und dessen Durchführung, nicht auf ein etwaiges (schieds-)gerichtliches Verfahren und dessen Kostenfolge. Für das Verfahren gelten nach Ziffer X die ICC-Regeln, ferner der Schiedsauftrag und ggf. ergänzende, vom Schiedsgericht erlassene Verfahrensregeln
Grundsätzlich ist auf das inländische Schiedsverfahren das 10. Buch der ZPO
anwendbar. Soweit aber abweichende Parteivereinbarungen zugelassen sind, gehen
diese vor (vgl. Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1025 Rn. 3), so hier das ICC-Regelwerk.
Die Frage der Kostenerstattung, nämlich welche Partei die Kosten trägt oder in welchem Verhältnis sie verteilt werden,  ist in Art. 31 Abs. 1 und 3 SchO geregelt, wenn auch nicht ausdrücklich, in welcher Höhe die Kosten festzusetzen sind. Ob eine planwidrige Lücke besteht, kann erst nach Auslegung des dazu vereinbarten Art. 31 SchO entschieden werden.
2.Gemäß Art. 31 Abs. 1 SchO umfassen die Kosten des Verfahrens neben den Kosten des Schiedsgerichts und den Honoraren der Sachverständigen (nur) die angemessenen ("reasonable") Aufwendungen der Parteien. Da außerdem das Schiedsgericht die Kosten nicht willkürlich verteilen darf, muss es, wie etwa auch in § 1057 Abs. 1 ZPO festgelegt, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden, welche Kosten zumindest vernünftig sind (Lachmann  Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn.1925), was dem Schiedsgericht einen weitergehenden Beurteilungsspielraum einräumt, als dies bei Anwendung des deutschen Rechts der Fall wäre. Lässt sich aber Art. 31 SchO aus sich heraus und aus den sonstigen Vorschriften der gewählten Schiedsordnung auslegen (§ 133 BGB), besteht kein Bedürfnis für eine "Anlehnung" an das innerstaatliche Recht. Soweit sich das Schiedsgericht bei der Ermittlung der Kostenverteilung am Erfolgsprinzip orientiert hat (siehe dazu Reiner/Jahnel in Schütze Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. Art. 31 ICC-SchO Rn. 9 und 11), beruht dies auf der maßgeblichen Verfahrensordnung, besagt aber noch nicht, dass das Gericht selbst von der Anwendbarkeit der deutschen ZPO ausgegangen ist. Eines ausdrücklichen Rückgriffs auf die inländischen Verfahrensvorschriften bedarf es für sein Vorgehen nicht.
Was angemessene Kosten sind, bestimmt das Schiedsgericht nach pflichtgemäßem
Ermessen. Hierbei ist das Schiedsgericht davon ausgegangen, dass - für beide Parteien - ein Ersatz nach Zeithonorar angemessen ist. Die Beauftragung von Prozessbevollmächtigten auf der Basis von Stundenhonorarsätzen ist nach Kenntnis des Senats in internationalen Verfahren der vorliegenden Komplexität und Größenordnung die Regel. Auch im Rahmen der DIS-SchO (§ 35) hat er es jüngst für unbedenklich gehalten, auf Zeithonorarbasis abzurechnen (Senat vom 11.4.2012, 34 Sch 21/11 = SchiedsVZ 2012, 156 = RKS A 6 Nr. 58).
Selbst bei einer "Anlehnung" an die ZPO -- insoweit wäre nicht in erster Linie § 91 ZPO, sondern § 1057 Abs. 1 ZPO heranzuziehen -- fehlt eine Abrede über die Anwendbarkeit des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
Zwar wird die Meinung vertreten, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Gebühren ausländischer Anwälte, wenn deutsches Verfahrensrecht gilt, nur insoweit notwendig und somit erstattungsfähig sind, als sie die gesetzlichen Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts nicht überschreiten (vgl. Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 1927 und 1971 m.w.N.).
Im Rahmen von § 1057 Abs. 1 ZPO sollen nach bestrittener Ansicht die notwendigen
Kosten im Sinne dieser Vorschrift denen in § 91 ZPO entsprechen (vgl. Zöller/Geimer § 1057 Rn. 2; Lachmann Rn. 1924;  a.A. Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 1057 Rn. 3). Ob sich hieraus bereits ergibt, dass auch das RVG anwendbar, die Honorare der -- zumal ausländischen -- Prozessbevollmächtigten nur bis zu der vom RVG vorgegebenen Höhe zu erstatten sind, kann offen bleiben, denn maßgeblich ist die ICC-Schiedsordnung.
Für den staatlichen Prozess hat der Bundesgerichtshof (NJW 2005, 1373) zur
Erstattungsfähigkeit von Kosten des ausländischen (Verkehrs-) Anwalts zwar auch
darauf abgestellt, dass diese einheitlich und nicht nach zwei verschiedenen
Rechtsordnungen zu beurteilen ist, weshalb die Kostenerstattung auf die gesetzlichen Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts beschränkt sei. Dieser Gesichtspunkt spielt aber für das Schiedsverfahren keine Rolle. Vorliegend hat das Schiedsgericht über Grund und Höhe unter Anwendung des Art. 31 Abs. 1 SchO, welcher von "angemessenen" Aufwendungen, nicht von "notwendigen" Kosten spricht, und allenfalls ergänzend in Anlehnung an § 1057 ZPO entschieden. Der deutsche Rechtsanwalt wird insoweit im konkreten Schiedsverfahren nicht anders gestellt als der ausländische Prozessvertreter.
Inhaltlich hat der Senat die Richtigkeit der Entscheidung zur Erstattungsfähigkeit wegen des Verbots der révision au fond nicht nachzuprüfen.
Die Antragsgegnerin rügt die fehlende Begründung der Kostenentscheidung. Das Gericht setze sich nicht einmal ansatzweise mit einer Rechtsgrundlage oder mit den von den Parteien als erstattungsfähig bezeichneten Kosten auseinander. Diese Behauptung findet im Schiedsspruch keine Stütze. Das Schiedsgericht befasst sich insbesondere mit den von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten, und zwar auch dahingehend, dass es einzelne Positionen als nicht erstattungsfähig bezeichnet und dies auch begründet hat. Im Übrigen stützt es sich auf Art. 31 SchO. Es befasst sich in zureichender Form auch damit, ob der zeitliche Aufwand und die Honorarsätze angemessen sind, und bejaht dies. Aus den
Ausführungen des Schiedsgerichts ergibt sich zweifelsfrei, dass es den ihm
eingeräumten Ermessensspielraum gesehen und sich mit der Problematik
auseinandergesetzt hat (vgl. etwa Lachmann Rn. 1915 und 2287).
Die Antragsgegnerin bringt vor, das Schiedsgericht habe sich bei der Ermittlung der Kostenverteilung zwar an § 91 ZPO gehalten, jedoch die Obsiegens- und Unterliegensquote fehlerhaft ermittelt, weil es die Kosten des Zwischenverfahrens nicht berücksichtigt habe. Das Schiedsgericht hat diese Kosten offensichtlich als nicht den Streitwert beeinflussend angesehen (wird ausgeführt). Eine – nicht vereinbarte – Entscheidung nach billigem Ermessen (vgl. Art. 17 Abs. 3 SchO) ist darin nicht zu sehen.
Die Antragsgegnerin rügt, trotz entsprechender Bitte nicht darauf hingewiesen worden zu sein, dass das Gericht bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten nicht § 91 ZPO und die Vorschriften des RVG zugrundelegen wolle. Die Antragsgegnerin hat aber schließlich – hilfsweise – ebenso nicht dem RVG entsprechende Kostennoten zum Ersatz eingereicht, die das Schiedsgericht auch aufgegriffen hat. Sie hatte ebenso wie die Antragstellerin Gelegenheit zu den Kostennoten der Gegenseite Stellung zu nehmen und sich dazu geäußert (wird ausgeführt).
Eine Ungleichbehandlung der Parteien ist daher nicht erkennbar.
Ob das Schiedsgericht seine eigenen Kosten zu hoch angesetzt hat, kann der Senat
nicht überprüfen. Die Streitwertfestsetzung durch das Schiedsgericht ist lediglich im
Verhältnis der Schiedsparteien zueinander verbindlich und kann insoweit Grundlage
einer vom Schiedsgericht angeordneten Kostenerstattung sein. Insoweit ist diese wegen des Verbots der révision au fond vom staatlichen Gericht grundsätzlich nicht nachprüfbar.
Ein Verstoß gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache liegt nicht vor, da die darauf beruhenden Festsetzungen nur im Verhältnis der Parteien untereinander binden, nicht im Verhältnis Partei/Schiedsgericht. Insoweit steht es mangels Bindungswirkung einer Partei oder einem Prozessbevollmächtigten frei, außerhalb des Schiedsverfahrens ihrer Meinung nach zu viel gezahlte Kosten zurückzuverlangen (vgl. BGH NJW 2012, 1811 = RKS A 6 Nr. 55). Zwischen den Parteien sind nur die gegenseitigen Erstattungsansprüche angeordnet.
Der Streitwert bemisst sich gemäß dem (Vollstreckungs-) Interesse der Antragstellerin aus dem Wert der zuerkannten und zwangsweise durchzusetzenden Ansprüche.