Recht und Steuern

A 6 Nr. 58

A 6 Nr. 58  Art. V UNÜ – Ausländischer Kostenschiedsspruch auf Grund der vereinbarten DIS-Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchGO), Vollstreckbarerklärung gem. Art. V UNÜ
1. Ein Kostenschiedsspruch kann vollstreckbar erklärt werden, ohne dass der in der Hauptsache ergangene, die Kostengrundentscheidung enthaltende Schiedsspruch vollstreckbar erklärt worden ist.
2. Andererseits würde mit einer Ablehnung der Vollstreckbarerklärung des Hauptsacheschiedsspruchs gem. § 1061 Abs. 2 ZPO auch die Grundlage für die Kostengrundentscheidung und damit für die hier gegenständliche Kostenfestsetzung entfallen.
3. Ein ausländischer Schiedsspruch, der auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht, verstößt gegen den deutschen ordre public und kann nicht vollstreckbar erklärt werden. Der Anspruch umfasst aber nicht die in den nationalen Verfahrensgesetzen begründeten richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflichten, die weit über den Rahmen des Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehen. Er verpflichtet das Gericht nur, dafür zu sorgen, dass den Parteien die der Entscheidung zugrundegelegten Sachverhaltselemente rechtzeitig bekannt werden und dass sie sich dazu äußern können. Ein Schiedsgericht, das unzureichend substantiierten Sachvortrag als ausreichend ansieht, verletzt allein deswegen nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör. Eine darauf beruhende Entscheidung ist wegen des Verbots der révision au fond im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht nachzuprüfen.
4. Mit den Anerkennungsversagungsgründen des Art. V UNÜ ist es im Allgemeinen vereinbar, wenn im Rahmen der DIS-SchGO als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten auch solche zugesprochen werden, die über den Rahmen des deutschen Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes hinausgehen, z.B. vereinbarte Zeithonorare, oder Kosten, die dem Antragsteller von einem Dritten erstattet werden.
OLG München Beschl.v. 11.4.2012 – 34 Sch 21/11 SchiedsVZ 2012, 156 = RKS A 6 Nr. 58
Aus den Gründen:
1. Der Vollstreckbarerklärung des Kostenschiedsspruchs steht nicht entgegen, dass die Kostengrundentscheidung im zur Hauptsache ergangenen Schiedsspruch vom 27.1.2011 im Beschluss des Senats vom 24.10.2011 nicht ebenfalls für vollstreckbar erklärt wurde, weil der Senat insoweit an den beschränkten Antrag gebunden war (§ 308 ZPO). Zwar hätte – auf Antrag – auch die Kostengrundentscheidung für vollstreckbar erklärt und somit deren „Bestandskraft“ herbeigeführt werden können (BGH WM 2006, 1121/1123 = RKS A 4 a Nr. 82). Indessen entfaltet ein Schiedsspruch auch ohne Vollstreckbarerklärung unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (§ 1055 ZPO).
2. Die im Schiedsspruch vom 27.1.2011 ausgesprochene Kostentragungspflicht als solche ist dem Ausspruch zur Hauptsache gefolgt (siehe  § 35.2 S. 1 DIS-SchGO); mit einer Ablehnung der Vollstreckbarerklärung des Hauptschiedsspruchs nach § 1061 Abs. 2 ZPO würde deshalb auch die Grundlage für die Kostengrundentscheidung und damit für die hier gegenständliche Kostenfestsetzung entfallen(OLG Stuttgart NJW-RR 2003, 1438/1439 = RKS A 6 Nr. 19). Gleichermaßen würde die Vollstreckbarerklärung des Kostenschiedsspruchs seine Wirkung verlieren. Demnach spricht auch nichts dagegen, über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des gegenständlichen Kostenschiedsspruchs bereits vor Rechtskraft der Entscheidung zum Hauptschiedsspruch zu befinden. Nur ergänzend ist deshalb noch anzumerken, dass der Senat von der Wirksamkeit der Kostengrundentscheidung aus den im Beschluss zur Vollstreck-barerklärung der Hauptsache dargelegten, den Parteien bekannten Gründen ausgeht (wird ausgeführt).
3. Der Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass des Kostenschiedsspruchs ist nicht verletzt. Ein ausländischer Schiedsspruch, der auf einer Gehörsverletzunng beruht, kann nicht für vollstreckbar erklärt werden, da er gegen den deutschen ordre public verstößt. Freilich umfasst der Anspruch auf Gewährung rechtlichen  Gehörs nicht die in den nationalen Verfahrensgesetzen begründeten richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflichten, die weit über den Rahmen des Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehen. Der verfassungsgemäß geschützte Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet den Spruchkörper (nur), dafür zu sorgen, dass den Parteien die Sachverhaltselemente, die der Entscheidung zugrundegelegt werden, rechtzeitig bekannt sind, ihnen Gelegenheit gegeben wird, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern, und die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen (Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rd-Nr. 1298, 1299; aus der Rechtspr.  BVerfG NJW 1998, 2273; BGH NJW 1992, 2299; ZIP 2010, 1669). Auch eine fehlerhafte Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts durch das Schiedsgericht führt noch nicht zu einer Gehörsverletzung (vgl. etwa für die Nichtberücksichtigung von Beweisanträgen Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 40).
Die vorgelegten Rechnungen der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und die Versicherung der Richtigkeit durch die beauftragten Anwälte stellten die schiedsgerichtliche Entscheidungsgrundlage dar. Diese war der Antragsgegnerin bekannt; sie konnte hierzu Stellung nehmen und hat es auch getan. Ein Gericht, das unzureichendes Substantiieren als dennoch ausreichenden Sachvortrag erachtet, verletzt allein deswegen nicht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Wenn sich das Schiedsgericht mit einer – nach Meinung des Gegners – unzureichend substantiierten Darlegung begnügt, mag dies sachlich-rechtlich unrichtig sein, stellt aber, sofern die Entscheidungsgrundlage der Gegenseite bekannt ist, keinen Gehörsverstoß dar. Das Schiedsgericht hat der Antragstellerseite nicht die Entscheidung über die geltend gemachten Kosten überlassen, sondern die Frage selbst geprüft und den Vortrag dazu für glaubhaft befunden. Ob dies, namentlich bezogen auf Darlegung und Glaubhaftmachung, zu Recht geschehen ist, ist wegen des Verbots der révision au fond vom Senat nicht nachzuprüfen (Zöller/Geimer § 1059 Rd-Nr. 74).
4. Das Schiedsgericht hat die Einwendungen der AGg. nicht übergangen. Es hat begründet, weshalb aus seiner Sicht die Fragen, wer Rechnungsadressat war und wer letztlich für die Bezahlung aufkam, keine Rolle spielten. Es hat dabei auf die deutsche Rechtslage, wonach die Rechtspflicht zur Zahlung genüge und die Freistellung durch einen  Dritten den Erstattungsanspruch nicht berühre, hingewiesen. Ob dies damit vergleichbar ist, dass von vornherein nicht feststeht, wer zahlungspflichtig ist, kann wegen des Verbots der révision au fond dahinstehen.
Das Schiedsgericht hat auch begründet, weshalb es Kosten über den Rahmen des RVG hinaus (hier: Zeithonorar) für erstattungsfähig hält. Soweit es im Hauptschiedsspruch eine Berechnung nach RVG herangezogen hat, hat es dargelegt, weshalb es demgegenüber in der Kostenfestsetzung die Anforderungen als herabgesetzt erachtet. Eine Überraschungs-entscheidung stellt dies schon wegen des erkennbar anderen Zusammenhangs nicht dar.
Dasselbe gilt für die Frage, welche Anforderungen an die Substantiierung zu stellen sind und ob eine Glaubhaftmachung an die Stelle der – an sich vorgelagerten – Substantiierung treten kann. Das Schiedsgericht hat ausführlich begründet, weshalb es eine weitere Substantiierung nicht für geeignet hält, eine vollständige Nachprüfung zu ermöglichen.
Das Schiedsgericht hat keine unzulässige Billigkeitsentscheidung getroffen und auch sonst nicht gegen das schiedsrichterliche Verfahren verstoßen (Art. 5 Abs. 1 lit. c bzw. d UNÜ). Seine Entscheidung beruht zur Höhe der als erstattungsfähig erachteten Kosten auf § 35.1 mit § 35.3 Satz 2 DIS-SchGO. Es hat anhand rechtlicher Subsumtionsregeln geprüft, ob es sich bei den angemeldeten auch um notwendige Kosten handelt und dabei die Notwendigkeit durch die anwaltlichen Bestätigungen als ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht angesehen.
Ob die Entscheidung rechtlich zutreffend ist, kann wegen des Verbots der révision au fond nicht geprüft werden (Zöller/Geimer § 1059 Rd-Nr. 74).
Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ist nicht ersichtlich (wird ausgeführt).