Recht und Steuern

A 6 Nr. 55

A 6 Nr. 55 § 1057 ZPO - Streitwertfestung durch das Schiedsgericht: Richten in eigener Sache? Relative Bindungswirkung der Streitwertentscheidung.
Der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten darf, gilt als unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit auch im Schiedsverfahren.
Die dem Schiedsgericht nach § 1057 ZPO obliegende Kostenentscheidung setzt jedoch in Fällen, in denen eine Kostenquote zu bilden ist, eine Streitwertfestsetzung durch das Schiedsgericht voraus.
Nur so kann der Ausgang des Verfahrens bei der Kostenverteilung angemessen berücksichtigt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers muss mithin das Schiedsgericht auch zur Festsetzung des Streitwerts befugt sein.
Allerdings ist diese Festsetzung im Hinblick auf das Verbot des Richtens in eigener Sache nur im Verhältnis der Parteien zueinander verbindlich, nicht im Verhältnis zwischen dem Schiedsgericht und den Parteien. Diese können zu viel gezahlte Kosten vor dem ordentlichen Gericht von den Schiedsrichtern zurückverlangen.
Die Entscheidung des ordentlichen Gerichts ist nur zwischen den Schiedsrichtern und den Schiedsparteien verbindlich. Im Verhältnis der Schiedsparteien untereinander verbleibt es bei der Bindungswirkung des Schiedsspruchs.
BGH Beschl.v. 28.3.2012 – III ZB 63/10 NJW 2012, 1811= RKS A 6 Nr. 55
Aus den Gründen:
Der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten darf, gilt als unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit auch im Schiedsverfahren.
Die dem Schiedsgericht nach § 1057 ZPO obliegende Kostenentscheidung setzt aber in Fällen, in denen der Streitwert nicht feststeht (weil es z.B. um keine bezifferte Klage geht) und eine Kostenquote zu bilden ist, eine Festsetzung des Streitwerts durch das Schiedsgericht voraus. Denn nur so kann der Ausgang des Verfahrens bei der Kostenverteilung angemessen berücksichtigt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers muss mithin das Schiedsgericht auch zur Festsetzung des Streitwerts befugt sein. Diese kann damit Grundlage der Kostenerstattungsansprüche der obsiegenden Partei gegen die unterlegene Partei sein, über die das Schiedsgericht nach § 1057 Abs. 2 ZPO zu befinden hat. Im Hinblick auf das Verbot des Richtens in eigener Sache ist eine solche Streitwertfestsetzung allerdings nur im Verhältnis der Parteien zueinander verbindlich, handelt es sich also um eine Streitwertfestsetzung mit eingeschränkter Reichweite (OLG Dresden BB Beilage 2001 Nr. 6 S. 20 = BeckRS 2000, 13676 = RKS A 6 Nr. 13; Münch in MünchKomm ZPO § 1057 Rd-Nrn 3 ff.; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. § 1057 Rd-Nr. 4; Wolff SchiedsVZ 2006, 131 [137 f.]; Kröll SchiedsVZ 2011, 210 [211 f.]). Wirkungen entfaltet ein Schiedsspruch – und damit auch eine in dessen Rahmen erfolgende Streitwertfestsetzung – nur zwischen diesen (§ 1055 ZPO), nicht dagegen im Hinblick auf die Gebührenansprüche zwischen dem Schiedsgericht und den Parteien und auch nicht zwischen den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten. Ist die Kostenfestsetzung bezüglich der vorschussweise gezahlten Schiedsrichtergebühren nicht zutreffend, müssen die Parteien zu viel gezahlte Kosten außerhalb des Schiedsverfahrens von den Schiedsrichtern zurückverlangen; denn insoweit hat die Entscheidung nicht die Qualität eines Schiedsspruchs (BT-Dr. 13/5274 S. 58). Hierbei ergibt sich der Rückzahlungsanspruch aus dem Schiedsvertrag, durch den die Parteien mit dem Schiedsgericht verbunden sind. Hat das Schiedsgericht den Streitwert zu hoch angesetzt (bzw. entspricht, soweit -- wie hier -- die Parteien des Schiedsvertrags die Schiedsrichter ermächtigt haben, ihre Gebühren nach einem nach § 315 BGB zu bestimmenden Streitwert festzulegen, die Bestimmung nicht billigem Ermessen), kann eine Partei im Umfang der Überzahlung den von ihr geleisteten Vorschuss oder, wenn sie durch die schiedsgerichtliche Kostenentscheidung zur Erstattung des von der anderen Partei gezahlten Vorschusses verpflichtet worden ist und diesen ausgeglichen hat, diesen Betrag von den Schiedsrichtern zurückverlangen. Genauso steht es – mangels Bindungswirkung – einer Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten frei, die Höhe der Anwaltsgebühren vor den ordentlichen Gerichten zur Überprüfung zu stellen. Sollte in einem solchen Fall später im Verhältnis der Schiedsrichter zu den Schiedsparteien oder der Schiedsparteien zu ihren Bevollmächtigten eine abweichende Entscheidung ergehen, ist diese wiederum nur in dieser Rechtsbeziehung verbindlich. Für das Verhältnis der Schiedsparteien untereinander verbleibt es dagegen bei der Bindungswirkung des Schiedsspruchs.
Hinweis: Siehe auch BGH 25.11.1976 III ZR 112/74 BGHZ  65,59 [62] = HSG/RKS A 6 Nr. 8; Kammergericht Berlin Beschl.v. 12.8.2010 RKS A 6 Nr. 51