Recht und Steuern

A 6 Nr. 53

A 6 Nr. 53 § 1061 ZPO – Hinreichende Bestimmbarkeit der Zinsen- und Kostenentscheidung eines ausländischen Schiedsspruchs im
deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahren

1. Nach deutschem Vollstreckungsrecht muß ein Titel den durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers auch nach Inhalt und Umfang eindeutig
bezeichnen. Dies gilt nicht für ausländische Entscheidungen, speziell für die Zins- und Kostenentscheidung eines ausländischen
Schiedsspruchs. Diese ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren - erforderlichenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum
ausländischen Recht – so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann. Nur wenn
dies im Einzelfall nicht zuverlässig möglich ist, muß der Antrag zurückgewiesen werden, weil es dem deutschen ordre public widersprechen
würde, eine zu vollstreckende Anordnung zu erlassen, die von den Vollstreckungs-organen nicht ausgeführt werden kann.
2.Allerdings darf das deutsche Gericht nicht seine eigene Entscheidung anstelle der des ausländischen Schiedsgerichts setzen oder diese
inhaltlich verändern, sondern nur den darin – wenn auch nur unvollkommen und für eine Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt - zum
Ausdruck kommenden Willen verdeutlichen und insoweit diesem zur Wirksamkeit verhelfen.
3.Zur Auslegung des Schiedsspruchs ist das Rechtsbeschwerdegericht unbegrenzt befugt.
4.Verweist der ausländische Schiedsspruch auf die gesetzlichen Zinsen, ohne deren Höhe zu beziffern, ist eine entsprechende Ergänzung im
Vollstreckbarerklärungsverfahren zulässig.
BGH Beschl.v. 30.11.2011 – III ZB 19/11 WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2012, 179 = RKS A 6 Nr. 53
Aus dem Sachverhalt:
Das Tribunal Arbitral de B. (Spanien) hatte dem abgewiesenen Schiedskläger=Antragsgegner  die Kosten auferlegt und im Schiedsspruch
vom 19.12.2008 entschieden, dass in den Kosten der endgültige Rechnungsbetrag enthalten ist, den das das Schiedsgericht über den von der
Antragstellerin=Schiedsbeklagten gezahlten Betrag erteilt, und dass die Anwaltshonorare auf 24.145 € festgesetzt werden, zuzüglich der
„entsprechenden“ Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt, bis zum Zeitpunkt der Zahlung.
Die Antragstellerin begehrt, den Schiedsspruch anzuerkennen und daraus 10.214 € € Gerichtskosten sowie 24.145 € Anwaltskosten  nebst 4
% Zinsen seit dem 24.4.2009 gegen den Antragsgegner für vollstreckbar zu erklären. Bezüglich der Gerichtskosten beruft sich die
Antragstellerin auf das ihr vom Schiedsgericht erteilte „Certifico“, in dem die von ihr verauslagten Kosten gemäß dem Gebührenverzeichnis
des Schiedsgerichts beziffert wurden. Bezüglich der Zinsen verweist die Antragstellerin darauf, dass es sich bei den „entsprechenden“ Zinsen
um den im spanischen Recht geregelten gesetzlichen Zinssatz handle. Nach spanischem Recht sei es nicht notwendig und auch nicht üblich,
den geschuldeten Zinssatz zu beziffern. Gem. Art. 1108 des spanischen Zivilgesetzbuches werde der gesetzliche Zinssatz geschuldet, es sei
denn, die Parteien hätten einen anderen Zinssatz vereinbart. Deshalb enthalte eine spanische gerichtliche Entscheidung nur dann eine
Bezifferung, wenn ein vom gesetzlichen Zinssatz abweichender Satz geschuldet werde. Die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes für
Geldschulden betrage nach dem Gesetz über den spanischen Staatshaushalt 4 %. Der Antragsgegner schulde Zinsen seit 24.4.2009. In der
Zustellung der Zahlungsaufforderung liege die im Schiedsspruch vorausgesetzte „beglaubigte Einforderung“.
Das OLG hat den Schiedsspruch anerkannt und in seiner wörtlichen Fassung für vollstreckbar erklärt, aber das Begehren der Antragstellerin
bezüglich der Bezifferung der Gerichtskosten und der Zinsen zurückgewiesen. Ein staatliches Gericht sei nicht ermächtigt, den Inhalt eines
Schiedsspruchs, hier zu den Kosten, zu verändern. Eine fehlende Kostenentscheidung könne nicht nachgeholt werden, dies gelte auch für
eine Kostenentscheidung, die hinsichtlich der Höhe der zu erstattenden Kosten ergänzungs- oder konkretisierungsbedürftig sei
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, zulässig und begründet. Das OLG hat zu Unrecht die beantragte Konkretisierung bzw. Ergänzung des
Schiedsspruchs abgelehnt.
1.Nach deutschem Vollstreckungsrecht muß ein Vollstreckungstitel den durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt
sowie Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Zwar hat notfalls das Vollstreckungsorgan den Titel auszulegen. Dazu muss dieser jedoch aus
sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen (vgl.
BGH 6.11.1985 NJW 1986, 1440). Diese Anforderungen beziehen sich allerdings nur auf die deutsche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit,
nicht auf die zu vollstreckende ausländische Entscheidung (vgl. BGH aaO.; Beschl.v. 4.3.1993 = BGHZ 122, 16, 18 = WM 1993, 1012). Denn
Vollstreckungstitel ist allein die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung, nicht der Schiedsspruch (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO; siehe auch
BT-Drucks. 13/5274, S. 61). Daher ist es nicht geboten, ausländische Entscheidungen, die den innerstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen
für Vollstreckungstitel nicht genügen, allein deshalb nicht für vollstreckbar zu erklären. Vielmehr ist in solchen Fällen -- erforderlichenfalls nach
Durchführung einer Beweisaufnahme zum ausländischen Recht – der ausländische Titel so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen
wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann (BGH 6.11.1985 NJW 1086 S. 1441 und BGH 4.3.1993 BGHZ 122, 16, 18 ff = WM 1993,
1012; Beschl.v.21.12.2010 – IX ZB 28/10 juris Rdn. 5). Nur wenn dies im Einzelfall nicht zuverlässig möglich ist, muss der Antrag
zurückgewiesen werden, weil es dem deutschen ordre public widersprechen würde, eine zu vollstreckende Anordnung zu erlassen, die von
den Vollstreckungsorganen nicht ausgeführt werden kann (BGH 4.3.1993 BGHZ 122, 16, 19 = WM 1993, 1012).
2.Allerdings darf das deutsche Gericht nicht seine eigene Entscheidung an die Stelle der des ausländischen Schiedsgerichts setzen oder
diese inhaltlich verändern, sondern nur den in der ausländischen Entscheidung bereits – wenn auch nur unvollkommen und für eine
Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt - zum Ausdruck kommenden Willen verdeutlichen und insoweit diesem zur Wirksamkeit
verhelfen.
Dementsprechend hat das OLG im Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, daß eine fehlende Kosten- oder Zinsentscheidung im
Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht nachgeholt werden kann. Hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht.
3.Das Schiedsgericht hat am 19.12.2008 entschieden, dass in den nach der Kostengrundentscheidung vom 25.11.2008 vom
Antragsgegner=Schiedskläger zu tragenden Kosten die Schiedsgerichtskosten gemäß der Abrechnung des Schiedsgerichts enthalten sind.
Die Höhe der auf sie entfallenden und von ihr bezahlten Kosten hat die Antragstellerin durch Vorlage einer Bestätigung des Schiedsgerichts
nachgewiesen. Soweit der Antragsgegner im Verfahren vor dem OLG eingewendet hat, das Schiedsgericht habe keine Mehrwertsteuer
berechnet, steht dem schon der Inhalt der Bestätigung entgegen (wird ausgeführt). Wollte man im Übrigen entgegen dem Inhalt des
Schiedsspruchs aus den Gerichtskosten die Mehrwert-steuer herausrechnen, liefe dies auf eine im Anerkennungs- und
Vollstreckbarerklärungs-verfahren  unzulässige révision au fond hinaus. Dementsprechend ist der Schiedsspruch vom 19.12.2008 dahin
auszulegen, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin 10.214 € Gerichtskosten zu bezahlen hat.  Diese Feststellung kann der Senat
selbst vornehmen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist unbeschränkt dazu befugt, einen Schiedsspruch auszulegen (Senat 8.11.2007
SchiedsVZ 2008, 40 = RKS A 4 a Nr. 102 und 29.1.2009 BGHZ 179, 304 = WM 2009, 749 = RKS A 4 a Nr. 111).
4. Nach dem Inhalt des Schiedsspruchs stehen der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf die festgesetzten Anwaltshonorare
„entsprechende“ Zinsen ab der beglaubigten Einforderung bis zum Zeitpunkt der Zahlung zu. Den Beginn der Zinspflicht hat die Antragstellerin
durch den Nachweis der Zustellung der Zahlungsaufforderung belegt. Was die Höhe der Zinsen anbetrifft, hätte das OLG gem. § 293 ZPO dem
Vortrag der Antragstellerin nachgehen müssen, ob nach spanischem Recht bzw. spanischer Rechtspraxis unter „entsprechenden“ die
gesetzlichen Zinsen zu verstehen sind (BGH 30.1.2001 WM 2001, 502 = ZIP 2001, 675 zur Auslegung der Formulierung „zuzüglich der
anfallenden Zinsen“ in einem spanischen Amtsgerichtsurteil). Trifft dies zu und beträgt die Höhe 4 %, steht einer entsprechenden
Konkretisierung des Schiedsspruchs nichts entgegen. Denn es ist anerkannt, dass in Fällen, in denen der ausländische Titel auf die
gesetzlichen Zinsen verweist, ohne diese zu beziffern, eine entsprechende Ergänzung im Vollstreckbarerklärungsverfahren möglich ist (BGH
6.11.1985 NJW 1986 S. 1441; 5.4.1990 WM 1990, 1122 = NJW 1990, 3084, 3085; 4.3.1993 BGHZ 122 S. 20 = WM 1993, 1012 und 27.5.1993
– IX ZB 78/92 juris Rdn.12). Insoweit handelt es sich nicht um eine unzulässige Auffüllung des Schiedsspruchs, sondern um die Anerkennung
der Wirkung, die dem Schiedsspruch nach dem ausländischen Recht zukommt (BGH 6.11.1985 NJW 1086 S. 1441). Um diese Prüfung
nachzuholen, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Verfahren an das OLG zurückzuverweisen.