Recht und Steuern

A2 Nr.20

A2 Nr.20
Unmöglichkeit vertragsgemäßer Besetzung des Schiedsgerichts. Späterer Wegfall der Unmöglichkeit. Verweigerte Schiedsrichter-Ernennung, Ersatz-Ernennung durch ordentliches Gericht. Arglistige Schiedseinrede - §§ 1029 Abs. 2, 1033 Nr. 1 und 2 ZPO a.F.
Der Schiedsvertrag tritt entsprechend § 1033 Nr. 1, 2 ZPO a.F. endgültig außer Kraft, wenn ein im Vertrag ernannter Schiedsrichter die Übernahme des Amtes verweigert (Nr. 1), wenn ein im Vertrag zur Ernennung eines Schiedsrichters berufener Dritter die Ernennung verweigert (Nr. 1 analog) oder wenn die beiden Schiedsrichter eines Zweierschiedsgerichts anzeigen, dass sich unter ihnen Stimmengleichheit ergeben hat (Nr. 2). Eine Ernennung ersatzweise durch das zuständige Gericht analog § 1029 Abs. 2 ZPO a.F. ist nicht zulässig.
OLG Köln Urteil vom 16.4.1997 - 13 U 228/94; RKS A 2 Nr. 20 = Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 1998, 767
Aus dem Sachverhalt:
Die Gesellschafter einer GbR schlossen am 17.12.1980 einen Schiedsvertrag, wonach ein aus drei Schiedsrichtern, die alle Vorsitzende einer Kammer für Handelssachen beim LG Aachen sein müssen, bestehendes Schiedsgericht für alle Streitigkeiten zuständig sein soll, die sich aus der Beteiligung an der Gesellschaft oder mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft zwischen einzelnen oder allen Gesellschaftern ergeben. Beim LG Aachen gab es nur drei Kammern für Handelssachen. Die Vorsitzende Richterin einer Kammer weigerte sich, das Schiedsrichteramt zu übernehmen.
Aus den Gründen:
Da beim LG Aachen nur drei Kammern für Handelssachen bestanden, deren Vorsitzende sich im Verhinderungsfall in einer sog. Ringvertretung untereinander vertraten, war auch unter Berücksichtigung der in dem Schiedsvertrag getroffenen Bestimmung, dass bei Verhinderung eines Vorsitzenden an der Übernahme des Amtes an seine Stelle sein nach der Geschäfts­ordnung des LG Aachen bestimmter Stellvertreter tritt, eine vertrags­gemäße Zusammensetzung des Schiedsgerichts nicht möglich. Auf eine Vertretungs­regelung im Falle einer Verhinderung aller Vorsitzenden der drei Kammern für Handels­sachen des LG Aachen kann schon deshalb nicht abgestellt werden, weil ein solcher Verhinderungs­fall nicht vorlag und die Besetzung des Schiedsgerichts mit einem Vertreter, der nicht Vorsitzender einer Kammer für Handelssachen war, der erklärten Absicht der Vertragsschließenden widersprochen hätte.
Selbst wenn man insoweit eine andere Auffassung vertreten wollte, würde jedenfalls die Tatsache, dass der Präsident des LG Aachen die vom Kläger erbetene Bestimmung eines Schiedsrichters nach § 4 des Schiedsvertrages abgelehnt hat, eine entsprechende Anwendung des § 1033 Nr. 1 ZPO gebieten. Aus dem Grundgedanken dieser Vorschrift, dass ein auf die Mitwirkung bestimmter Personen abgestellter Schiedsvertrag außer Kraft treten soll, wenn diese Personen nicht tätig werden, folgt nämlich, dass diese Bestimmung auch dann entsprechend anzuwenden ist, wenn der zur Ernennung eines Schiedsrichters berufene Dritte diese Mitwirkung verweigert (OLG Karlsruhe NJW 1958, 1148). Es ist einer rechtssuchenden Partei grundsätzlich nicht zuzumuten, etwa erst die Besetzungsfrage des Schiedsgerichts im Wege einer Feststellungsklage vor dem ordentlichen Gericht vorab klären zu lassen: eine Schiedsklausel erweist sich dann vielmehr als praktisch undurchführbar (OLG Köln 4.9.1991 26 U 21/91 OLGR Köln 1992, 26). Erst recht kann es in diesem durch Antrag vom 30.12.1987 eingeleiteten Prozess nicht nachträglich die Schiedseinrede begründen, dass seit dem Geschäftsjahr 1994 eine vierte Kammer für Handelssachen beim LG Aachen eingerichtet ist.
Insoweit ist vielmehr § 17 Abs. 1 S. 1 GVG anzuwenden, wonach die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird (sog. perpetuatio fori).
Schließlich müssen sich die Bekl., soweit sie sich auf den Schiedsvertrag vom 17.12.1980 berufen, auch die Gegeneinrede der Arglist entgegenhalten lassen. Arglistig handelt, wer die Schiedseinrede erhebt, obwohl eine dem Kl. zumutbare Möglichkeit, das Schiedsverfahren durchzuführen, nicht gegeben ist (z.B. BGH NJW 1988, 1215 = RKS A 1 Nr. 57 - dort wegen fehlender Mittel zur Leistung der erforder­lichen Kosten­vorschüsse; ferner BGH NJW-RR 1987, 1194 = RKS A 4a Nr. 26 - dort wegen gegen­sätzlichen Verhaltens). Das ist auch hier der Fall, weil die Bekl. gerade geltend machen, die Vereinbarungen vom 17.12.1980 seien durch den Gesellschaftsvertrag und den Schieds­vertrag vom 11.12.1984 abgelöst worden. Demgemäß sind die Bekl. auch der Aufforderung des Kl., ihrerseits einen Schiedsrichter gemäß dem Schiedsvertrag vom 17.12.1980 zu benennen, nicht nachgekommen.
Anmerkung:
Im zitierten Fall des OLG Karlsruhe (Beschl.v. 22.4.1958 - 4 W 6/57 NJW 1958, 1148) hatte laut Schiedsvertrag im Falle der Säumnis einer Partei die Industrie- und Handels­kammer den Schiedsrichter zu benennen, dies aber abgelehnt. § 1029 Abs. 2 ZPO sieht für den Säumnisfall eine Ernennung ersatzweise durch das zuständige Gericht nur vor, wenn die Parteien allein die Schieds­richter zu ernennen haben. Indem die Parteien für diesen Fall die Ersatz-Ernennung durch einen Dritten vorsehen, schließen sie erkennbar die Bestimmung des § 1029 Abs. 2 ZPO und damit deren analoge Anwendung aus. § 1029 Abs. 2 ist als Ausnahme gegenüber § 1033 Nr. 1 ZPO eng auszulegen, dessen nicht abschließende Aufzählung beruht auf dem Rechts­gedanken, dass der Schiedsvertrag außer Kraft tritt, wenn ein Dritter, auf dessen Mitwirkung er abgestellt ist, wegfällt (Baumbach/Lauterbach 24.Aufl. 1956 § 1033, 1) oder die ihm auferlegte Ernennung verweigert (RGZ 108, 246). § 1029 Abs. 2 sieht als Ausnahme das Eingreifen des staatlichen Gerichts nur vor, um das Zustandekommen eines Schiedsverfahrens nicht von der Willkür einer Partei abhängig zu machen. Die Weigerung eines Dritten muss demgegenüber unwiderruflich gelten, anderenfalls würde über den Rechtsweg ein Zustand der Unsicherheit eintreten, der im Interesse der Rechts­pflege vermieden werden muss (h.M.: OLG Hamburg 13, 247; Frankfurt MDR 55, 749; Stein/Jonas/Schönke 18.Aufl. 1956 § 1028 I, § 1029 III; Baumbach/Lauterbach aaO § 1029 1; Schönke Schiedsgerichtsverfahren 2. Aufl. 1954 S. 160; Rosenberg ZPO 7. Aufl. 1956 S. 820; a.M. OLG Breslau OLG 17, 212; dagegen ausdrücklich RGZ 108, 246 und 138, 341).
In dem zitierten Fall des OLG Köln (4.9.1991 - 26 U 21/91) hatten die beiden Schieds­richter dargelegt, dass sich unter ihnen in der Frage der ordnungsmäßigen, der Schiedsklausel entsprechenden Besetzung des Schiedsgerichts Stimmengleichheit ergeben habe.
Die Entscheidungen des OLG Karlsruhe vom 22.4.1958 und des OLG Köln vom 4.9.1991 ergingen zum früheren Recht. Die am 1.1.1998 in Kraft getretene, auf dem UNCITRAL-Modellgesetz und damit auf der internationalen Rechtsentwicklung beruhende Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (§§ 1025 - 1066 ZPO n.F.) ist weitergehend als das frühere Recht bemüht, den Schiedsvertrag aufrechtzuerhalten. Es sieht als Regelfall drei Schiedsrichter oder einen Einzelschiedsrichter vor (§§ 1034 Abs. 1, § 1035 Abs. 3 ZPO n.F.) und verhindert damit „Patt-Situationen”. Darüber hinaus erweitert es die Befugnis des ordentlichen Gerichts zur Bestellung eines Ersatzschiedsrichters (§§ 1035, 1038, 1039 ZPO n.F.).