Recht und Steuern

A2 Nr. 42

A 2 Nr. 42
§§ 42 Abs. 2, 1036 Abs. 1 u. 2 ZPO - Besorgnis der Befangenheit. Intersssenkollision Anwalt/Schiedsrichter
Für die Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der Schiedsrichter tatsächlich "parteilich" oder "befangen" ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Schiedsrichters zu zweifeln.
Wenn ein Schiedsrichter als Anwalt oder die Sozietät, der er angehört, eine Partei in laufendem Mandat vertritt, kann bei objektiver Betrachtung der Eindruck entstehen, dass er sich durch die Vertretung mit den Interessen der Partei verbunden fühle und deshalb auch im zeitgleich stattfindenden Schiedsgerichtsverfahren in seiner Unparteilichkeit beschränkt sei.
Der Eindruck der Voreingenommenheit kann bei objektiver Betrachtung auch durch evident unsachliche oder herabsetzende Äußerungen eines Schiedsrichters gegen eine Partei sowie durch die Art seiner Auseinandersetzung mit ihrem Ablehnungsantrag entstehen
Bezüglich der Besorgnis der Befangenheit ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber einem ordentlichen Gerichtsverfahren. Auch und gerade bei einem auf dem Vertrauen der Parteien beruhenden Gerichtsverfahren können und müssen diese erwarten, dass sich alle Schiedsrichter in sachlicher Weise mit dem Vortrag jeder Partei auseinandersetzen.
OLG Bremen Beschl.v. 24. 5. 2006 - 2 Sch 02/06; SchiedsVZ 2007, 53 = RKS A 2 Nr. 42
Aus dem Sachverhalt
Die Antragstellerin übernahm von der Antragsgegnerin das Gewerk Trockenbau/Akustik für ein Bauvorhaben. Lt. Schiedsvereinbarung sollten aller Streitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht nach der "Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen" (SGO Bau) in der jeweils gültigen Fassung erledigt werden.
Mit Schreiben vom 20.9.2005 beantragte die Ast. die Einleitung des Schiedsverfahrens gem. § 5 SGO Bau und benannte Frau B. als Schiedsrichterin. Die Ag. benannte unter dem 5.10.2005 Herrn G. Am 27.10.2005 stellte die Ast. gegen diesen einen Befangenheitsantrag: er habe versäumt, gem. § 9 Abs. 2 SGO Bau darauf hinzuweisen, dass er bzw. die Sozietät, der er angehöre, bereits mehrfach als Prozessbevollmächtigter für die Ag. aufgetreten sei. Zudem sei die Ag. eine wichtige und umsatzträchtige Mandantin der Kanzlei, so dass das Bild einer wirtschaftlichen Abhängigkeit und Verquickung von Interessen zwischen ihm und der Ag. entstehe und seine Neutralität und Objektivität in Zweifel stehe. G. erwiderte u.a.: "Selbstverständlich akzeptiere ich Ihre engagierte, aber auch etwas hitzige Vorgehensweise, die doch in der Sache nichts bringt." An die von der Ast. benannte Schiedsrichterin B. schrieb er: ?Ich bin über dessen (gemeint ist Herr W. von der Ast.) Vorgehensweise etwas überrascht und gehe davon aus, dass es sich um einen jungen Kollegen handelt, der noch keine große Erfahrung mit Schiedsverfahren hat. ... Vielleicht gelingt Ihnen auch, Herrn W. davon zu überzeugen, dass ein solch übereifriges Vorgehen der Sache nicht dienlich ist."
Mit Beschluss vom 7./9.3.2006 hat das Schiedsgericht unter Vorsitz von Prof. Dr. K. den Antrag auf Ablehnung des Schiedsrichters G. als unbegründet zurückgewiesen. Entscheidend für die Frage der Befangenheit sei, ob ein objektiv vernünftiger Grund gegeben sei, der die Schiedsklägerin = Ast. von ihrem Standpunkt aus befürchten lasse, der Schiedsrichter werde nicht unparteilich entscheiden. Für eine Ablehnung sei nicht die persönliche oder geschäftliche Beziehung des Schiedsrichters zu einer Partei entscheidend, sondern die Frage, ob diese Beziehung nach Art, Umfang oder Inhalt tatsächlich zu Zweifeln an der Unabhängigkeit berechtige. Die für die Ablehnung eines staatlichen Richters vorliegende Rechtsprechung sei nur mit Vorsicht heranzuziehen. Es liege im Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit, dass eine Partei von vornherein einen Schiedsrichter benenne, den sie aus beruflichen, fachlichen Gründen bereits kenne. Im Ergebnis könne daher nur eine sehr intensive Verbundenheit des Schiedsrichters mit "seiner" Partei als Ablehnungsgrund angesehen werden. Von einer derart intensiven Beziehung könne vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden, weil es sich bei der Schiedsbeklagten = Ag. um ein international tätiges Bauunternehmen handele. Mandate würden an viele Anwaltskanzleien vergeben, der Schiedsrichter G. sei kein "regelmäßiger Rechtsbeistand" der Ag., er habe insbesondere keine Berührungspunkte zu der in den Streit einbezogenen Niederlassung der Ag. in Bremen.
Aus den Gründen:
Der Ablehnungsantrag ist begründet, weil Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des abgelehnten Schiedsrichters aufkommen lassen. (§§ 10 Abs. 1 SGO Bau; § 1036 Abs. 2 S. 1 ZPO). Wenn auch § 10 Abs. 1 SGO Bau entgegen § 9 Abs. 1 SGO Bau die Vorschrift des § 42 Abs. 2 ZPO nicht ausdrücklich nennt, so ist für die Frage der Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Besorgnis der Befangenheit zugrundezulegen, dass das Gebot unparteilicher Rechtspflege grundsätzlich auch für ein Schiedsgericht gilt (BGH 3.7.1975 BGHZ 65, S. 59, 62 m.w.N. = HSG A 4 a Nr. 14). Dabei dürfen die Besonderheiten der Ernennung eines Schiedsgerichts jedoch nicht außer Acht gelassen werden (BGH a.a.O. S. 63). Grundsätzlich gilt danach jedoch auch für Schiedsrichter, dass eine Besorgnis der Befangenheit gegeben ist, wenn - selbst bei Berücksichtigung der Besonderheiten des schiedsgerichtlichen Verfahrens - ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich "parteilich" oder "befangen" ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheindend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvorgenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfG 82, S. 30, 38 für staatliche Richter).
Ob insoweit die Tätigkeit des abgelehnten Schiedsrichters bzw. seiner Sozietät für die Ag. nach objektiven Maßstäben geeignet ist, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln, kann dahinstehen. Immerhin ist nach dem Streitstand davon auszugehen, dass er bzw. die Sozietät, der er angehöre, die Ag. nach wie vor in laufendem Mandat vertritt. Daraus könnte bei objektiver Betrachtung der Eindruck entstehen, dass er sich durch die (laufende) Vertretung mit den Interessen der Ag. verbunden fühle und deshalb auch im zeitgleich stattfindenden Schiedsgerichtsverfahren in seiner Unparteilichkeit beschränkt sei (ähnlich BGH 28.2.1972 NJW 1972, 827).
Der Senat lässt es auch dahinstehen, ob die Tatsache, dass der abgelehnte Schiedsrichter nicht von sich aus auf abgeschlossene bzw. noch laufende Vertretungen für die Ag. gemäß § 9 Abs. 2 SGO Bau hingewiesen hat, die Besorgnis der Befangenheit begründet. Diese Regelung soll die Parteien des Schiedsverfahrens in die Lage versetzen, zu beurteilen, ob bestimmte Umstände, die den Parteien nicht aus eigenem Wissen bekannt sein können, die Unparteilichkeit eines Schiedsrichters bezweifeln lassen. Deshalb sind persönliche oder geschäftliche Beziehungen zu einer Partei - insbesondere laufende - anzugeben, damit die Parteien sich selbst ein Bild über die Stellung des benannten Schiedsrichters machen können. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Schiedsrichter der Meinung ist, die Umstände seien dazu nicht geeignet.
Entscheidend für die Ablehnung eines Schiedsrichters ist sein Verhalten, nachdem ihm die Besorgnis der Ast. hinsichtlich seiner Befangenheit bekannt geworden ist, auf das sich diese ebenfalls zur Begründung ihres Antrags beruft:
Ein Richter ist zu unvoreingenommener und neutraler Amtsführung verpflichtet. Damit verbunden ist die Pflicht zur Sachlichkeit (Zöller/Vollkommer 25. Aufl. § 42 ZPO Rd-Nr. 20). Evident unsachliche oder herabsetzende Äußerungen können auf eine negative Einstellung gegenüber einer Partei hindeuten und deshalb bei objektiver Betrachtung den Eindruck entstehen lassen, der Richter sei voreingenommen (LSG NRW NJW 2003, 2933). Auch die Art der Auseinandersetzung eines Richters mit einem Ablehnungsantrag kann die Besorgnis der Befangenheit begründen (OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 858). Dabei kann der Senat nicht erkennen, dass sich insofern Besonderheiten aus dem Vorliegen eines Schiedsgerichts ergeben. Auch und gerade bei einem auf dem Vertrauen der Parteien beruhenden Gerichtsverfahren können und müssen diese erwarten, dass sich alle ernannten Schiedsrichter in sachlicher Weise mit dem Vortrag jeder Partei auseinandersetzen.
Die Reaktion des abgelehnten Schiedsrichters auf die Vorwürfe der Ast. in seinem Schreiben vom 27.10.2005 an die Ast. und an die andere Schiedsrichterin enthalten unsachliche Formulierungen gegen die Ast. bzw. ihren das Verfahren betreibenden Mitarbeiter der Rechtsabteilung und zudem den Versuch einer Beeinflussung der anderen Schiedsrichterin gegen die Ag. Im Schreiben vom 27.10.2005 an die Ast. bemerkt er die "etwas hitzige Art der Vorgehensweise". Im Schreiben vom gleichen Tage an die Schiedsrichterin geht er davon aus, "dass es sich um einen jungen Kollegen handelt, der noch keine großen Erfahrungen mit Schiedsverfahren hat" und hält das Begehren der Ast. für "übereifriges Vorgehen". Diese Wortwahl und der gleichzeitige Hinweis auf die (vermutete) fehlende Erfahrung des Vertreters der Ast. lässt für einen Außenstehenden den Eindruck entstehen, dass der Schiedsrichter nicht bereit ist, den Vortrag der Ast. ernst zu nehmen und sich mit diesem unvoreingenommen auseinanderszusetzen.
Dass er darüber hinaus auch noch der weiteren Schiedsrichterin unterstellt, es könnte ihr gelingen, den Vertreter der Ast, "davon zu überzeugen, dass ein solch übereifriges Vorgehen der Sache doch nicht dienlich ist", lässt zudem den Eindruck entstehen, dass der Schiedsrichter zu Lasten der Ast. nicht bereit ist, sich an die Regelungen des schiedsgerichtlichen Verfahrens zu halten, bei dem es selbstverständlich nicht tunlich ist, dass einzelne oder mehrere Schiedsrichter - noch dazu vor einer Konstituierung des Gerichts - den Parteien Anträge ausreden.