Recht und Steuern

A2 Nr. 30

A2 Nr. 30
§ 40 Abs. 1 Deutsches Richtergesetz, § 1035 Abs. 3 + 4 ZPO - Berufsrichter als Schiedsrichter. Undurchführbare Schiedsvereinbarung
Eine Nebentätigkeit als Schiedsrichter darf einem Berufsrichter nur genehmigt werden, wenn die Parteien des Schiedsvertrages ihn gemeinsam beauftragen oder wenn er von einer unbeteiligten Stelle benannt ist. Ein nur von einer Partei beauftragter Berufsrichter darf nicht als Schiedsrichter tätig werden.
Das Schiedsverfahren ist auch dann nicht durchführbar, wenn der in der Schiedsvereinbarung vorgesehene einseitige Auftrag durch eine gemeinsame Beauftragung von zuvor einseitig ausgewählten Schiedsrichtern ersetzt wird.
Eine Ersatzbenennung durch das ordentliche Gericht ist nicht möglich.
Kammergericht Beschluss vom 6.5.2002 - 23 Sch 1/02; Transportrecht 2003, 406 = RKS A 2 Nr. 30
Aus dem Sachverhalt:
Die Schiedsvereinbarung der Parteien vom 22.8.1996 enthielt folgende Bestimmungen:
„§ 3 Besetzung des Gerichts: Das Schiedsgericht besteht aus zwei Schiedsrichtern und einem Obmann. Die Schiedsrichter müssen Richter in einem mit Wirtschaftsrecht befassten Senat an einem Oberlandesgericht oder am Bundesgerichtshof sein.
§ 4 Benennung der Schiedsrichter (1) Die das Verfahren betreibende Partei teilt der Gegenpartei durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein die Benennung ihres Schiedsrichters unter kurzer Darlegung ihres Anspruchs mit und fordert sie auf, innerhalb von zwei Wochen ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen. (2) Kommt die Gegenpartei dieser Aufforderung nicht nach, soll der Präsident des OLG Düsseldorf auf Antrag der das Verfahren betreibenden Partei einen Schiedsrichter für die säumige Partei benennen.”
Die Antragstellerin meint, die in der Schiedsvereinbarung vorgesehene einseitige Benennung eines Schiedsrichters scheitere an § 40 DRiG, und hatte deshalb den Antragsgegnerinnen -vergeblich - die gemeinsame Bestellung der jeweils von einer Seite ausgewählten Schiedsrichter vorgeschlagen. Sie beantragt
(1) festzustellen, dass ein Schiedsverfahren nach Maßgabe der Schiedsvereinbarung vom 22.8.1996 zulässig sei,
(2) Richter A. am OLG B. als Schiedsrichter für die Antragstellerin zu bestellen.
Aus den Gründen:
Der Antrag ist unbegründet. Das vertraglich vereinbarte Schiedsverfahren ist unzulässig, da es nicht durchführbar ist. Die Beteiligten gehen zutreffend übereinstimmend davon aus, dass die in ihrer Schiedsvereinbarung vorgesehene einseitige Benennung der Schiedsrichter wegen der zwingenden Bestimmung des § 40 Abs.1 S.1 DRiG nicht durchführbar ist. Danach darf einem Berufsrichter eine Nebentätigkeit als Schiedsrichter nur genehmigt werden, wenn die Parteien des Schiedsvertrages ihn gemeinsam beauftragen oder wenn er von einer unbeteiligten Stelle benannt ist. Ein Berufsrichter, der lediglich von einer der streitenden Parteien beauftragt worden ist, kann nicht als Schiedsrichter tätig werden. Das vereinbarte Verfahren ist aber auch dann nicht durchführbar, wenn die nach dem Wortlaut der Schiedsvereinbarung vorgesehene einseitige Benennung der Schiedsrichter durch eine gemeinsame Beauftragung von zuvor jeweils einseitig ausgewählten Schiedsrichtern ersetzt wird. Der Ast. ist allerdings darin beizupflichten, dass sich im Wege anwendungsfreundlicher Auslegung (§§ 133, 157, 242 BGB) aus dem Gesamtzusammenhang des Schiedsvertrages eine Verpflichtung der Ag. zur Mitwirkung an einer gemeinsamen Beauftragung des von der Gegenseite zuvor einseitig ausgewählten Schiedsrichters herleiten ließe, wenn anders das erklärte Ziel beider Parteien, das Schiedsgericht mit jeweils einem Schiedsrichter ihrer Wahl zu besetzen, nicht erreicht werden kann. Auch dieses, von der Ast. vorgeschlagene Bestellungsverfahren ist aber letztlich auf Grund des § 40 Abs. 1 S. 1 DRiG nicht durchführbar.
Bei der in § 40 Abs. 1 DRiG vorausgesetzten gemeinsamen Beauftragung handelt es sich nicht um eine lediglich formale Verfahrensbestimmung, die durch die Herstellung eines äußeren Anscheins befolgt werden könnte. Der gemeinsamen Beauftragung muss vielmehr auch eine tatsächlich einvernehmliche Auswahl des Schiedsrichters zugrunde liegen. Nur wenn der bestellte Schiedsrichter das Vertrauen beider Parteien genießt, ist sicher gestellt, dass er von allen Beteiligten als unparteiischer Dritter wahrgenommen wird. Darauf zielt § 40 Abs. 1 S. 1 DRiG ab. § 40 Abs. 1 S. 1 DRiG ist als flankierende Bestimmung zu § 39 DRiG zu verstehen: Gemäß § 39 DRiG haben sich Berufsrichter innerhalb und außerhalb ihres Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit würde aber gefährdet, wenn Berufsrichter außerhalb ihres Amtes eine Schiedsrichtertätigkeit ausüben, in der sie nicht als unparteiische Dritte, sondern als Vertrauensleute einer einzelnen Partei erscheinen.
Der Schiedsvertrag der Parteien kann auch nicht dadurch praktikabel gemacht werden, dass die beiden nach dem Vertrag von den Parteien auszuwählenden Schiedsrichter ersatzweise vom Gericht bestimmt werden. Ein derart von einer unbeteiligten Stelle benannter Schiedsrichter könnte zwar die nach § 40 Abs. 1 S. 1 DRiG erforderliche Genehmigung erhalten. Eine gerichtliche Auswahl der Schiedsrichter findet aber nur in den in § 1035 Abs. 3 und 4 ZPO genannten Fällen statt, die hier nicht vorliegen.
Der Schiedsvertrag kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass bei Versagen des vereinbarten Bestellungsverfahrens eine Bestellung durch das Gericht erfolgen soll. Denn den Vertragsparteien kam es nach ihrem unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten, übereinstimmenden Willen entscheidend darauf an, dass jede Seite » ihren« Schiedsrichter selbst und allein auswählen darf. Eine Interpretation des Schiedsvertrages, die sich darüber hinwegsetzte, wäre keine Auslegung mehr, sondern eine Inhaltsänderung.