Recht und Steuern

A2 Nr. 51

A 2 Nr. 51
§§ 1035 Abs. 1 + 3, 1039 ZPO - Gerichtliche Bestellung eines Ersatzschiedsrichters nach Ablehnung oder Rücktritt mehrerer von einer Partei benannter Schiedsrichter?
Benennt eine Partei wiederholt Schiedsrichter, deren Amt durch Rücktritt oder begründete Ablehnung endet, so steht das einem Unterlassen der ihr obliegenden Benennung nicht gleich. Die Voraussetzungen für eine Bestellung durch das Gericht sind nicht gegeben.
Anderes kann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Partei das Schiedsverfahren bewusst verzögern will und deshalb Personen benennt, denen die Ablehnungsgründe bereits auf der Stirn geschrieben stehen.
Kammergericht Berlin Beschl.v. 7.6.2007 - 20 SchH 03/07; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2008, 200 = RKS A 2 Nr. 51
Aus den Gründen:
Eine Bestellung des dritten Schiedsrichters nach § 1039 ZPO durch den Senat kam nicht in Betracht. Die Vorschrift wendet sich ersichtlich an die Parteien; denn diese haben ausweislich der Schiedsvereinbarung vom 14.5.2001 geregelt, ihre Schiedsrichter selbst zu benennen. Mithin kann eine Bestellung durch den Senat nicht gemäß § 1035 Abs. 3 S. 1 ZPO erfolgen.
Der Senat konnte den dritten Schiedsrichter auch nicht gem. § 1035 Abs. 3 S. 3 ZPO benennen. Dies setzt voraus, dass die Antragsgegnerin den von ihr zu benennden Schiedsrichter nicht innerhalb eines Monats nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung des Antragstellers bestellt hätte. Darum geht es hier nicht, und auch der ASt. stützt sich auf einen solchen Sachverhalt nicht. Die Bestimmung ist auch nicht entsprechend anzuwenden. Deren Zweck ist, einen gestrafften zeitlichen Ablauf des Schiedsverfahrens sicherzustellen, weil eine Schiedspartei die ihr vereinbarungsgemäß obliegende Benennung des Schiedsrichters durch Untätigkeit verzögert, obwohl sie zur Benennung aufgefordert wurde.
So liegt der Fall hier nicht. Die AGg. hat immerhin jeweils nach Ausscheiden der von ihr benannten Schiedsrichter J. (Rücktritt), S. (begründete Ablehnung), Dr. H. (begründete Ablehnung) und M. (Rücktritt) einen weiteren, A. (Ablehnung mit Zustimmung der AGg.) benannt. Diese Fallgestaltung ist nicht mit dem Unterlassen einer Benennung gleichzusetzen, weil das Gesetz die Rechtsfolgen einer Ablehnung bzw. eines Rücktritts, Fehlens oder Fortfalls von Schiedsrichtern aus anderen Gründen als einer unterlassenen Benennung anderweitig und besonders regelt (vgl. nur §§ 1035 Abs. 3 S. 1, 1036 Abs. 2, 1037 - 1039 ZPO).
Letztlich greifen auch die in § 1035 Abs. 4 ZPO geregelten Antragsgründe nicht durch. Zwar haben die Parteien in der Schiedsvereinbarung ein Verfahren für die Bestellung der Schiedsrichter vereinbart. Die Parteien sollen danach ihre Schiedsrichter selbst benennen.
Vom Wortlaut ist diese Formulierung in ihrer genauen Bedeutung zwar recht unklar, allerdings zeigte die bisherige Praxis der Parteien, dass jede Partei einen Schiedsrichter benennen sollte und dass nur der Vorsitzende der hier nicht in Streit steht gemeinsam bestellt werden sollte.
Indes ist nicht ersichtlich, dass die AGg. nicht entsprechend dem vereinbarten Verfahren handelte (§ 1035 Abs. 4 Fall 1 ZPO) oder dass die Parteien keine Einigung entsprechend diesem Verfahren erzielen konnten (Fall 2).
Die AGg. hat das Bestellungsverfahren eingehalten. Sie hat jeweils einen Schiedsrichter benannt, wie es ihr formal oblag, und hat sodann jeweils einen weiteren (Ersatz-)Schiedsrichter benannt, nachdem der zuvor benannte zurückgetreten oder erfolgreich abgelehnt worden war.
Das in der Vorschrift genannte Bestellungsverfahren ist indes sowohl begrifflich als auch funktionell von der Frage zu trennen, welche Anforderungen an die als Schiedrichter zu benennende Person zu stellen sind. Insoweit haben die Parteien keine Regelung getroffen. Der AGg. war es deshalb grundsätzlich nicht verwehrt, ihr nahestehende Personen als Schiedsrichter zu benennen (vgl. Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. 2007 § 1035 Rd-Nr. 4 mwN.). Einer solchen Benennung konnte der ASt. allerdings mit seinem Ablehnungsrecht entgegenwirken, wie der vorliegende Sachverhalt zeigt.
Eine über den Woretlaut hinausgehende Auslegung der Bestimmung führt nicht weiter. Es genügt nicht, dass sich der ASt. darauf stützt, die AGg. habe fünfmal hintereinander Personen als Schiedsrichter bestellt, die erkennbar bei ihm Zweifel an deren Unparteilichkeit wecken mussten. Wie ausgeführt, war die AGg. in der Auswahl der zu benennenden Personen grundsätzlich frei. Daran ändert auch die Anzahl erfolgreich durchgeführter Ablehnungen nichts.
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine fortgesetzte Benennung ersichtlich als befangen erscheinender Schiedsrichter durch eine Partei als eine so grobe Verletzung des Benennungsverfahrens zu werten ist und deshalb sowohl Auswirkungen als auch Charakter einer Untätigkeit im Verfahrensablauf in sich trägt, ist allerdings zweifelhaft, kann hier aber dahinstehen; denn diese Grenze ist nicht erreicht. Es sind keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die AGg. das Schiedsverfahren bewusst verzögern wollte oder in Verschleppungsabsicht betrieb und allein hierzu die Benennung von Personen betrieb, denen die Ablehnungsgründe bereits auf der Stirn geschrieben standen, so dass die Benennung zwar formal dem Verfahren entsprach, materiell jedoch eine Verletzung des vereinbarten Verfahrens darstellte. Solche massiven Verfahrensstörungen ergibt auch das Vorbringen des ASt. nicht.
Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, daß die Parteien eine Einigung entsprechend dem vereinbarten Bestellungsverfahren nicht hätten erzielen können. Dem ASt. ist allerdings einzuräumen, dass der hier vorliegende Verfahrensgang mit einer Vielzahl nachfolgender Ablehnungen durchaus außergewöhnlich ist und sowohl im Schieds- wie auch im Zivilverfahren als Rarität bezeichnet werden kann. Allein dies verwehrt aber nicht den Blick darauf, dass auch mit der Ablehnung des benannten A., der fünften Person, nicht endgültig feststand, dass die Benennung des dritten Schiedsrichters endgültig gescheitert war. Eine Verzögerung im Verfahrensablauf genügte zur Feststellung der Unmöglichkeit so lange nicht, bis nicht ersichtlich feststand, dass die Bestellung aus objektiven Gründen oder wegen Verweigerung durch die AGg. gescheitert war. Dies lässt sich, wie ausgeführt, nicht begründen.
Für die Kostenentscheidung ist der volle Wert der Hauptsache anzusetzen (vgl. Hartmann Kostengesetze 36. Aufl. 2006 KV 1623 Rd-Nr. 16 mwN.)