Recht und Steuern

A2 Nr. 46

A 2 Nr. 46
§ 1036 ZPO - Pflicht des Schiedsrichters zur Offenlegung einer besonderen Beziehung zum Verfahrenbevollmächtigten einer Partei
Ein Schiedsrichter hat alle Umstände offenzulegen, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit wecken können. Solche Umstände liegen nahe, wenn der Vorsitzende des Schiedsgerichts in dem Haus, in dem sich die Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten einer Partei befindet, von diesem eine Wohnung gemietet hat und beide sich im privaten Bereich mit „Du” anreden. Die unterlassene Offenlegung dieser Beziehung rechtfertigt seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit.
OLG Frankfurt/M. Beschl.v. 10.1.2008 - 26 Sch 21/07; MDR 2008, 1325 = RKS A 2 Nr. 46
Aus dem Sachverhalt:
In der mündlichen Verhandlung redete der Prozessbevollmächtigte der Schiedskläger den Vorsitzenden des Schiedsgerichts - Richter am Amtsgericht X - mit „Du” an: „Ich war der Auffassung, Du meintest ...”. Lt. Telefonbuch wohnt der Vorsitzende des Schiedsgerichts in dem Haus, in dem der Prozessbevollmächtigte der Schiedskl. seine Kanzlei führt. In der Erklärung zu dem Ablehnungsgesuch der Schiedsbeklagten teilte der Vorsitzende mit, dass zwischen ihm und dem Prozessbevollmächtigten der Schiedskl. ein Mietverhältnis bestehe. Der Ablehnungsantrag der Schiedsbekl. hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
Nach § 1036 Abs. 2 ZPO kann ein Schiedsrichter abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts im selben Haus, in dem sich die Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten der Schiedskl. befindet, von diesem eine Wohnung gemietet hat. Zudem besteht zwischen dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts und dem Verfahrensbevollmächtigten der Schiedskl. ein so vertrautes Verhältnis, dass sie sich im privaten Bereich mit „Du” anreden. Es kann dahinstehen, ob diese Umstände allein ausreichen, um berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des abgelehnten Schiedsrichters aufkommen zu lassen. Zwar ist anerkannt, dass ein Schiedsrichter abgelehnt werden kann, wenn er Mieter einer Partei ist (OLG Stuttgart JW 1928, 1322; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 14 Rd-Nr. 8; Münch in MünchKomm ZPO 2. Aufl. § 1036 Rd-Nr. 17).
Ob dies auch dann gilt, wenn das Mietverhältnis nicht mit der Partei selbst, sondern mit deren Verfahrensbevollmächtigtem besteht, ist umstritten (zur Gleichstellung der Partei mit ihrem Prozessvertreter Münch in MünchKomm ZPO 2. Aufl. § 1036 Rd-Nr. 16; dagegen Zöller/Geimer ZPO § 1036 Rd-Nr. 11; wohl auch Kreindler/Schäfer/Wolff Schiedsgerichtsbarkeit in der Praxis Rd-Nr. 533). Auch ein freundschaftliches Verhältnis zwischen dem gegnerischen Verfahrensbevollmächtigten und dem Richter reicht grundsätzlich nicht für die Annahme einer Befangenheit des Richters aus (Zöller/Geimer § 1036 Rd-Nr. 11; a.A. Lachmann Handbuch der Schiedsgerichtspraxis 2. Aufl. Rd-Nr. 605). Hier kommt jedoch noch hinzu, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts es entgegen § 1036 Abs. 1 ZPO unterlassen hat, unverzüglich diese Umstände offenzulegen. Die Pflicht zur Offenlegung gilt für alle Umstände, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters wecken können. Sie umfasst deshalb nicht allein Gründe, die letztlich für eine Ablehnung des Schiedsrichters ausreichend sind. Es kommt bei der Offenbarungspflicht gem. § 1036 Abs. 1 ZPO nicht darauf an, ob diese Zweifel „berechtigt” sind, wie § 1036 Abs. 2 ZPO dies für einen Ablehnungsgrund voraussetzt (Münch in: MünchKomm ZPO § 1036 Rd-Nr. 10; Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. § 1036 Rd-Nr. 2; Nacimiento/Abt in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, § 1036 Rd-Nr. 11). Vielmehr sind auch solche Umstände anzugeben, die schon bei der Besetzung des Schiedsgerichts für die Auswahl des Schiedsrichters unter dem Gesichtspunkt seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit maßgeblich sein können. Zu offenbaren sind dabei geschäftliche und engere gesellschaftliche Beziehungen des Schiedsrichters zu einer Schiedspartei (Musielak/Voit § 1036 Rd-Nr. 2), aber auch zu deren Verfahrensbevollmächtigten.
Dies traf im Streitfall auf die Anmietung der Wohnung durch den Schiedsrichter und das ersichtlich nicht nur oberflächliche persönliche Verhältnis zu dem Verfahrensbevollmächtigten zu.
Verletzt ein Schiedsrichter seine Offenbarungspflicht, kann sich daraus wiederum ein Grund für seine Ablehnung ergeben, sofern der Verstoß für sich bereits Zweifel an seiner Unparteilichkeit weckt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 68. Aufl.§ 1036 Rd-Nr. 2; Münch in: MünchKomm ZPO § 1036 Rd-Nr. 12; Lachmann Rd-Nr. 618; ebenso Art. 4.1 der IBA Rules of Ethics of International Arbitrators; vgl. Weigel MDR 1999, 1360 1362).
Jedenfalls in ihrer Gesamtheit lassen die genannten Gründe (Mietverhältnis, persönlich vertrautes Verhältnis und Verletzung der Offenbarungspflicht) berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des abgelehnten Schiedsrichters aufkommen, so dass das Ablehnungsgesuch gerechtfertigt ist.