Recht und Steuern

A2 Nr. 43

A 2 Nr. 43
§ 1037 ZPO - Kein Ablehnungsrecht des Prozessbevollmächtigten gegen einen Schiedsrichter
1. Der Prüfungsmaßstab für die Besorgnis der Befangenheit eines Schiedsrichters richtet sich nach denselben Kriterien wie im Verfahren der Ablehnung eines staatlichen Richters.
2. Der Prozessbevollmächtigte einer Schiedspartei hat kein eigenes Ablehnungsrecht.
3. Spannungen zwischen einem Schiedsrichter und dem Bevollmächtigten der Schiedspartei können die Besorgnis nur begründen, wenn der Schiedsrichter sie irgendwie in das Verfahren einführt oder gegenüber der vertretenen Partei zum Ausdruck bringt, oder wenn er sonstwie sein Unvermögen erkennen lässt, sein Verhältnis zum Bevollmächtigten hinreichend vom Verfahren selbst zu trennen.
4. Gegen den Vorwurf fehlerhafter Verfahrensführung darf sich ein Schiedsrichter in sachlicher, angemessener Form verteidigen. Seine Drohung gegen den Bevollmächtigten mit einer Strafanzeige wegen Parteiverrats oder Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung begründet keine Besorgnis der Befangenheit, wenn sie ausschließlich gegenüber dem Bevollmächtigten geäußert wird.
5. Im Regelfall ist bei Bestellung und Ablehnung von Schiedsrichtern sowie bei vergleichbaren Entscheidungen über die Beendigung des Schiedsrichteramtes ein Drittel des Hauptsachestreitwerts angemessen Abkehr von OLG München Beschl.v. 23.10.2006 34 SchH 008/06 RKS A 6 Nr. 28.
OLG München Beschl.v. 10.1.2007 - 34 SchH 007/06; RKS A 2 Nr. 43
Aus dem Sachverhalt:
Vorsitzender des aus drei Personen bestehenden Schiedsgerichts ist ein pensionierter Richter, der in seiner aktiven Berufszeit auch Vorsitzender einer Strafkammer war. Nach mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme erging ein Teilschiedsspruch zu Lasten des Schiedsbeklagten, dessen Aufhebung dieser u.a. wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs begehrte. Seine Verfahrensbevollmächtigte gab gegenüber dem zuständigen OLG-Senat eine Versicherung an Eides Statt mit folgendem Wortlaut (auszugsweise) ab:
„Ich habe daher gefragt, ob das Gericht den Schiedsbeklagten nicht zunächst persönlich anhören wolle, um sich ein Bild von seiner Sicht und auch von seiner Person zu machen. (...). Der Vorsitzende verneinte und winkte ab in etwa mit den natürlich ironisch gemeinten Worten, auch bei seinen Mördern seien nette Menschen gewesen.”
Diese Versicherung wurde dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts bekannt. Mit Schreiben vom 22.7.2006 wandte er sich an die Verfahrensbevollmächtigte des Schiedsbekl. und erklärte, die von ihr in der eidesstattlichen Versicherung gemachten Angaben seien unwahr. Er werde die Akten spätestens nach Abschluss des Schiedsverfahrens der Staatsanwaltschaft vorlegen, falls es der Bevollmächtigten nicht gelingen werde, diese unerfreuliche Angelegenheit auf andere Weise, verbunden mit einer Entschuldigung, aus der Welt zu schaffen. Im übrigen rege er an, die vom Schiedskläger aufgeworfene Frage, ob sie, die Bevollmächtigte, wegen vorangegangener Vertretung beider Parteien in einer Rechtssache nicht von der Mandatsausübung ausgeschlossen sei, dem OLG zur Prüfung eines möglichen Parteiverrats vorzulegen.
Auf Grund dieses Schreibens hat der Schiedsbekl. den Vorsitzenden des Schiedsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Schreiben des Richters könne nur als massiver Einschüchterungsversuch verstanden werden. Das Schiedsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Der Schiedsbekl. beantragt, die Ablehnung für begründet zu erklären.
Aus den Gründen:
Die Zuständigkeit des OLG München ergibt sich aus § 1037 Abs. 3, § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 ZPO i.V.m.§ 8 der gerichtlichen ZuständigkeitsVO Justiz (GZVJu vom 16.11.2004 GVBl. S. 471).
Der Antrag gem. § 1037 Abs. 3 S. 1 ZPO ist zulässig. Die Parteien haben das Ablehnungsverfahren nicht selbständig geregelt. Mangels abweichender Individualvereinbarungen finden die gesetzlichen Vorschriften über das Ablehnungsverfahren Anwendung (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 64. Aufl § 1037 Rd-Nrn. 2, 3). Die notwendige Vorabentscheidung des Schiedsgerichts (§ 1037 Abs. 2 S. 2 ZPO) liegt vor. Die Frist gem. § 1037 Abs. 3 ZPO wurde gewahrt.
Das Ablehnungsgesuch ist jedoch nicht begründet.
1. Der Prüfungsmaßstab für die Befangenheit eines Schiedsrichters richtet sich grundsätzlich nach denselben Kriterien, die für die Ablehnung eines staatlichen Richters gelten (Mankowski SchiedsVZ 2004, 304/307; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap 14 Rd-Nr.5). Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit gem. § 1037 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 42 Abs. 2 ZPO abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Ausübung des Richteramts zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Ablehnenden scheiden daher aus (Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 42 Rd-Nr. 9).
Bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise sind die erhobenen Vorwürfe nicht geeignet, bei dem Ablehnenden die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
2. Die Aufforderung an die Verfahrensbevollmächtigte des Schiedsbekl., sich zur Vermeidung eines Parteiverrats beim OLG kundig zu machen, kann nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Denn ein solcher Hinweis auf einen möglichen Parteiverrat schützt gerade die betroffene Partei. Auch hat der Richter offen ausgesprochen, dass ihm die genauen Umstände des Vorprozesses nicht bekannt sind, insoweit ein möglicher Parteiverrat von ihm nicht beurteilt werden kann. Ob die Anregung selbst zielführend ist, bedarf keiner Vertiefung.
3. Soweit in den Formulierungen des Schreibens persönliche Spannungen des abgelehnten Richters zu der Prozessbevollmächtigten zum Ausdruck kommen, kann dies den Ablehnungsantrag nicht begründen. Der Verfahrensbevollmächtigte hat aus eigener Person kein Ablehnungsrecht (BayObLG NJW 1975, 1975, 699). Die Besorgnis der Befangenheit kann sich zwar im Einzelfall auch auf das Bestehen starker Spannungen zwischen dem Richter und dem Verfahrensbevollmächtigten der Partei gründen. Dies gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass die ablehnende Einstellung des Richters gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten auch dem von diesem vertretenen Verfahrensbeteiligten gegenüber irgendwie in Erscheinung getreten ist; denn im Regelfall wird nur das Verhalten des Richters im konkreten Verfahren erkennen lassen, ob er nicht in der Lage ist, sein Verhältnis zu dem Verfahrensbevollmächtigten hinreichend vom Verfahren selbst zu trennen (BayObLG a.a.O.; OLG Köln NJW-RR 1988, 694; Borg in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 42 Rd-Nr. 7). Hier liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Spannungen sich auf die Unparteilichkeit des Richters auswirken, nicht vor. Insbesondere erging die betreffende Aufforderung in einem persönlichen Brief an die Parteivertreterin und damit nicht im Verfahren selbst. Der Brief wurde zwar zur Kenntnis an andere Verfahrensbeteiligte, aber nicht an die vertretene Partei versandt. Die Kenntnis möglicher persönlicher Spannungen zwischen dem Richter und seiner Verfahrensbevollmächtigten beruht damit nicht darauf, dass der Richter dies in das Verfahren eingebracht hat, sondern auf der eigenen Entscheidung der Verfahrensbevollmächtigten.
Die Äußerung des Richters, die eidesstattliche Versicherung der Parteivertreterin sei falsch, und er gedenke, die Akten der Staatsanwaltschaft vorzulegen, rechtfertigt ebenfalls nicht die Besorgnis einer Befangenheit des Richters gegenüber dem Schiedsbeklagten.
Der strafrechtliche Vorwurf richtet sich gegen die Verfahrensbevollmächtigte, nicht gegen den Antragsteller selbst. Auch hier gilt wiederum, dass der Parteivertreter selbst kein Ablehnungsrecht hat. Die Auseinandersetzung wurde nicht vom Richter in das Schiedsverfahren hineingetragen, sondern erfolgte in dem persönlichen Brief an die Verfahrensbevollmächtigte mit der Möglichkeit der Stellungnahme und der Entschuldigung. Diese Vorgehensweise des Richters zeigt seine Trennung dieses Vorgangs vom Schiedsverfahren und ist deswegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit beim Antragsteller zu begründen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt hier allerdings deswegen in Betracht, weil sich der strafrechtliche Vorwurf durch den Vorsitzenden auf Vorfälle im unmittelbaren Zusammenhang mit der Sitzung vom 15.3.2006 bezog.
Eine Aufklärung durch den Senat, wessen Sachverhaltsschilderung der Ereignisse vom 15.3.2006 der Tatsachen entspricht, bedurfte es dennoch nicht. Denn von einer vorsätzlich falschen Sachverhaltsdarstellung durch den Vorsitzenden geht auch der Schiedsbekl. nicht aus, sondern hält im Schriftsatz vom 4.9.2006 eine „divergierende Erinnerung” für möglich. Seine Besorgnis der Befangenheit gründet damit nicht auf der Annahme, der Richter wolle gegenüber der Staatsanwaltschaft bewusst unwahre Angaben machen, um ein Strafverfahren gegen seine Verfahrensbevolllmächtigte in Gang zu bringen. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Partei zu Recht die Besorgnis der Befangenheit hegt, kann dahinstehen, ob der Richter die Ereignisse so geschildert hat, wie sie tatsächlich waren oder aber so, wie er sie (objektiv falsch) wahrgenommen hat. In jedem Fall liegt eine aus subjektiver Sicht des Richters richtige Schilderung der Ereignisse vor, in der eine Parteilichkeit nicht zum Ausdruck kommt.
4. Der betroffene Schiedsrichter musste die Schilderung der Vorgänge durch die Verfahrensbevollmächtigte unter diesen Umständen als zu Unrecht erhobenen Vorwurf fehlerhaften richterlichen Verhaltens hinsichtlich der Verfahrensführung und der angemessenen Wortwahl empfinden. Dagegen darf sich ein betroffener Richter mit den gebotenen Mitteln zur Wehr setzen. Es besteht keine Verpflichtung eines Richters, aufgrund eines laufenden Verfahrens Angriffe einer Partei ohne Gegenwehr hinnehmen zu müssen. Seine Reaktion muss jedoch hinreichend sachlich und angemessen sein und sich auf gesetzlich vorgesehene Abwehrmittel beschränken (MünchKomm/Feiber ZPO 2. Aufl. § 42 Rd-Nr. 18). Dies ist hier der Fall, da der betroffene Richter die Bekanntgabe an die Staatsanwaltschaft in einem persönlichen Brief an die Verfahrensbevollmächtigte angekündigt und ihr die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt hat. Eine richterliche Äußerung gegenüber der Partei selbst erfolgte zu keinem Zeitpunkt.
Der Brief des Richters an die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers kann auch nicht deswegen die Besorgnis der Befangenheit begründen, weil der Antragsteller ihn als „massiven Einschüchterungsversuch bei der Wahrnehmung seiner Rechte” verstehen muss. Er selbst wurde ohnehin nicht angeschrieben, infolgedessen auch nicht „eingeschüchtert”. Der Richter drohte auch nicht mit persönlichen Konsequenzen für das Verfahren, sondern nahm gesetzlich vorgesehene Abwehrmittel für ein (auch) gegen ihn gerichtetes Verhalten wahr. Da aber jedenfalls aus Sicht des betroffenen Richters eine falsche Versicherung an Eides statt abgegeben und damit eine Straftat (§ 156 StGB) begangen wurde, darf der Richter auch auf deren Verfolgung hinwirken.
5. Der Streitwert für das Verfahren ist gem. § 3 ZPO, §§ 48, 63 GKG nach freiem Ermessen des Gerichts zu bestimmen. In Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung OLG München Beschl.v. 23.10.2006 34 SchH 008/06 RKS A 6 Nr. 28, hält der Senat es nicht mehr für angemessen, Nebenverfahren in schiedsrichterlichen Angelegenheiten mit dem vollen Wert der Hauptsache anzusetzen (vgl. ausführlich Beschl.v. 10.1.2007 34 SchH 8/06). Vielmehr wird im Regelfall bei Bestellung und Ablehnung von Schiedsrichtern ebenso wie bei vergleichbaren Entscheidungen über die Beendigung des Schiedsrichteramtes ein Bruchteil des Hauptstreitwertes, nämlich rund ein Drittel, angemessen sein.