Recht und Steuern

A2 Nr. 35

A1 Nr. 35
§§ 1025 ff., 1059, 1066 ZPO - VereinssatzungsgemäßerSchlichtungsausschuß als Schiedsgericht i.S.d. ZPO, Abgrenzung zumVereinsorgan. Fehlende oder unrichtige Rechtsmittelbelehrung, widersprüchlicheFrist. Nicht entscheidungsrelevante Verfahrensfehler
1. Ob der satzungsgemäß berufene„Schlichtungsausschuß” als ein Schiedsgericht i.S.d. §§ §§ 1025ff i.V.m. 1066 ZPO anzuerkennen ist, richtetsich nicht nur danach, ob bei Rechtsstreitigkeiten der ordentliche Rechtswegausgeschlossen ist, sondern auch danach, ob der Streit durch neutrale Dritteentschieden wird.
2. Bestimmt dieSchlichtungsordnung eine Monatsfrist für den Aufhebungsantrag, während die demSchiedsspruch beigefügte Rechtsmittelbelehrung eine längere Frist einräumt, so gilt diese analog § 58 Abs. 2VwGO.
3. Verfahrensfehler, die ersichtlich keinenEinfluß auf die Entscheidung des Schiedsgerichts hatten, führen nicht zurAufhebung des Schiedsspruchs.
OLG Braunschweig Beschl.v. 12.5.2005 - 8 Sc 1/04;Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2005, 263 = RKS A 2 Nr. 35
Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist zulässig,aber unbegründet. Er richtet sich gegen einen Schiedsspruch i.S.d. § 1066 ZPO.
1. Ein solcherAntrag muß sich gegen einen im schiedsrichterlichen Verfahren i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO erlassenen Schiedsspruchrichten (BGH Beschl.v. 27.5.2004 MDR 2004, 1315 = RKS
A 2 Nr. 31). Ob einmit dem Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO angreifbarer Schiedsspruch vorliegt,ist eine von Amts wegen zu prüfende besondere Prozeßvoraussetzung desAufhebungsverfahrens (BGH a.a.O.).
Eine wie hier bestehende Streitigkeit aus demMitgliedschaftsverhältnis zwischenVereinsmitgliedern und dem Verein kann einem „echten” Schiedsgericht zugewiesenwerden. Dabei handelt es sich um ein außervertragliches Schiedsgericht, für dasgem. § 1066 ZPO die §§ 1025 ff. ZPO entsprechend gelten (BGH a.a.O.). Ob dassatzungsgemäß berufene „Schiedsgericht” als ein Schiedsgericht i.S.d. § 1025ff. i.V.m. § 1066 ZPO anzuerkennen ist, richtet sich nicht nur danach, ob beiRechtsstreitigkeiten der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen ist, sonderndanach, ob die Streitentscheidung durch einen neutralen Dritten erfolgt (BGHa.a.O.). Schiedsgerichtsbarkeit ist Rechtsprechung im weiteren Sinne undverlangt daher, daß satzungsgemäß eine unparteilich organsierte Stelleentscheidet. Fehlt es hieran und liegt im Gegenteil begrifflich einOrganhandeln des Vereins vor, kann nicht von einem Schiedsgericht gesprochenwerden (BGH a.a.O.).
Der Schlichtungsausschuß des Landesverbandes B. derKleingärtner e.V. ist ein Schiedsgericht i.S.d. genannten Vorschrift. § 5.3 derSatzung regelt zunächst, daß bei einem Vereinsausschluß das Mitglied denSchlichtungsausschuß anrufen kann. Ziff. 5.1 der Schlichtungsordnung bestimmt,daß die Entscheidung des Schlichtungsausschusses die Wirkung einesgerichtlichen Urteils hat. Damit hat der Beschluß des Schlichtungsausschussesden Ausschluß staatlicher Gerichte intendiert. Ziff. 3.1 derSchlichtungsordnung entspricht auch einem rechtsstaatlichen Verfahren, indem esdem Ausschuß die Pflicht auferlegt, die Parteien anzuhören. Dies entsprichteinem fairen und unparteiischen Verfahren. Der Schlichtungsausschuß ist auchstrukturell unparteiisch besetzt. Denn dieser besteht weder aus Vereinsmitgliedernnoch wird dessen Zusammensetzung durch die Antragsgegner oder die Antragstellerbestimmt. Denn nach Ziff. 2.2. der Schlichtungsordnung besteht der Ausschuß auseinem Vorsitzenden, einem Berichterstatter, einem Protokollführer und zweiBeisitzern. Diese müssen lediglich Mitglied
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eines Vereins des Landesverbandes sein. Nach Ziffer 1.3 derSchlichtungsordnung werden hier die Mitglieder des Ausschusses durch denerweiterten Vorstand gewählt. Damit liegt keine einseitige Bestellung desSchiedsgerichts durch eine Partei vor. Die Unabhängigkeit des einzelnenMitglieds des Schlichtungsausschusses ist im Übrigen durch die in Ziff. 1.4.der SchlichtungsO vorgesehene Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO gewahrt.Denn insofern finden die Gründe für Ausschließung und Ablehnung vonSchiedspersonen entsprechend §§ 41ff. ZPO hier Anwendung.
2. DerAufhebungsantrag ist auch rechtzeitig gestellt. Zwar bestimmt Ziff. 5.3. derSchlichtungsO eine Frist zur Einlegung des Aufhebungsantrages von einem Monat,während die dem Beschluß des Schlichtungsausschusses beiliegendeRechtsmittelbelehrung eine Frist von drei Monaten vorsieht. DieseWidersprüchlichkeit führt aber in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGOdazu, daß die längere der beiden Fristen gilt. Diese ist eingehalten.
Für die Aufhebung von Schiedssprüchen, § 1059 ZPO, ist dasOLG nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständig, nach Ziff. 5.3 der SchlichtungsOdas OLG Braunschweig.
3. Der Antrag aufAufhebung des Schiedsspruchs ist unbegründet. Es liegt weder ein Fall des §1059 Abs. 1 Zi. 1 d ZPO noch ein solcher des Abs. 2 Zi. 2 b vor.
Die Aufhebung nach Abs. 1 Ziff. 1 d kommt wegen fehlerhafterBesetzung des Schiedsgerichts oder Mängeln des schiedsrichterlichen Verfahrensin Betracht, wenn anzunehmen ist, daß sich der Verfahrensverstoß auf denSchiedsspruch ausgewirkt hat. Beides liegt hier nicht vor.
Soweit die Ast. der Auffassung sind, daß die angegriffeneEntscheidung deshalb fehlerhaft sei, weil bei der Sitzung desSchlichtungsausschusses am 5.5.2004 dieser nicht ordnungsgemäß besetzt gewesensei und ohne Gewährung rechtlichen Gehörs das Verfahren weiter betrieben wordensei, wäre das zwar ein erheblicher Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze, nämlichgegen die Verpflichtung zur Gewährungrechtlichen Gehörs.
Entscheidend ist aber, daß in der Sitzung vom 5.5.2004 zwarein Protokoll gefertigt, dessen Inhalt aber in den angegriffenen Beschluß nichteingeflossen ist. Die angegriffene Entscheidung basiert, wie die Antragstellerselber vortragen, allein auf Grund desInhalts der mündlichen Verhandlung vom 21.4.2004. Soweit nach dem Protokoll vom5.5.2004 in der Ausschußsitzung ein Augenschein eingenommen worden ist, istdieser nicht verwertet worden. Er ist nicht Grundlage der Entscheidung desSchlichtungsausschusses geworden, so daß es einer Stellungnahme zum Augenscheinseitens der Antragsteller nicht bedurft hat. In dem angegriffenen Beschluß hatder Ausschuß offen gelassen, ob auf dem Briefumschlag nur der Name des Vorsitzendenals Absender angegeben war oder nicht. Er hat damit beideSachverhaltsalternativen geprüft und damit die Beweisbedürftigkeit verneint.Hiergegen bestehen keine Einwendungen. Ebenso hat er die Frage offen gelassen,ob dem angegriffenen Beschluß des Vereinsvorstandes eine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt war oder nicht. Damit hat der Ausschuß erneut den Vortrag der Ast.als wahr unterstellt, ihm letztlich aber dann die Erheblichkeit abgesprochen.Ein Verfahrensfehler liegt mithin nicht vor.
Soweit die Ast. der Auffassung sind, daß der Vorgang „inkeiner Weise abschließend ermittelt worden sei”, wird dies dahin ausgelegt, daß die Ast. damit rügen wollen, daßder Schlichtungsausschuß einen Beweisantrag übergangen habe, weil die Frage derZustellung
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nicht geklärt gewesen sei. Dies ist - wie bereits ausgeführt- unzutreffend. Ein Übergehen eines Beweisantritts und damit einVerfahrensfehler liegt nicht vor.
Unbeachtlich ist weiter, daß die Ast. kein Protokoll derAusschußsitzung vom 21.4.2004 erhaltenhaben. Zwar ist nach Ziff. 3.3 der SchlichtungsO ein Protokoll über diemündliche Verhandlung zu führen, so daß dieses auch den Beteiligten übersandtwerden muß. Ausgehend von dem unstreitigen Vortrag der Ast. ist dies nichterfolgt, so daß insofern das schiedsrichterliche Verfahren nicht der zulässigenVereinbarung der Parteien entsprochen hat. Die Ast. haben aber nicht dargetannoch ist aus dem Sachverhalt ersichtlich, daß sich dieser Verstoß auf den Schiedsspruchausgewirkt hat.
Die angegriffene Entscheidung verstößt auch nicht gegen denordre public. Das wäre nur der Fall, wenn eine Norm verletzt wird, die dieGrundlagen des deutschen staatlichen und wirtschaftlichen Lebens in zwingender,dem Parteileben entzogener Weise regelt und nicht auf bloßenZweckmäßigkeitserwägungen beruht (Zöller/Geimer ZPO 25.Aufl. § 1059 Rd-Nr. 55).
Soweit die Ast. rügen, daß das Schiedsgericht die materielleBegründetheit des Ausschlusses nicht geprüft hat, weil die förmlichenVoraussetzungen zur Einlegung der Beschwerde nicht eingehalten seien,rechtfertigt dies keine Aufhebung des Schiedsspruches nach § 1059 ZPO. DerSchlichtungsausschuß hat sich bei seiner Entscheidung sowohl mit dem Zugang desBeschlusses vom 15.9.2003 als auch damit befaßt, ob eine neue Rechtsmittelfristauf Grund des Schreibens des Vereins vom 5.1.2004 zu laufen begonnen hat.
Auch daß dem Beschluß vom 15.9.2003 ggf. keine ausreichendeRechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen ist, ist ohne Bedeutung. Denn die Ast.hatten als Mitglieder Kenntnis von der Satzung und damit auch von der2-Wochen-Frist entspr. Ziff. 2.1 der SchlichtungsO. Ebenso ist unbeachtlich,daß der Verein mit Schreiben vom 5.1.2004 seinen vorangegangenen Beschluß vom15.9.2003 verteidigt und erneut mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen hat.Eine bereits abgelaufene Frist lebt dadurch nicht wieder auf, daß derAntragsgegner auf die Möglichkeit der Einschaltung eines Sclichtungsausschusseshinweist. Die erneute Rechtsmittelbelehrung geht mithin ins Leere. Die Ast.sind hiedurch auch nicht belastet, weil sie bereits mit Schreiben vom14.10.2003 die Einschaltung des Schlichtungsausschusses beantragt haben, mithinsich gegen den Beschluß des Vereins - zwar nicht rechtzeitig - gewandt haben.
Da auch sonst keine Verfahrensfehler ersichtlich sind,scheidet eine Aufhebung aus.
Entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO haben die Ast. dieVerfahrenskosten zu tragen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 1064Abs. 2 ZPO. Der Streitwert bestimmt sich nach dem Interesse der Ast., hier andem Vereinsausschluß und wird nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 2 GKG auf 1.200Euro festgelegt.