Recht und Steuern

A2 Nr. 34

Nr. 34 §§ 43, 44 Abs. 4, 240 , 294 Abs. 1, 1036 Abs. 2 ZPO. -Schiedsrichter als Prozeßbevollmächtigter: Besorgnis der Befangenheit.Verfristung des Ablehnungsrechts, Kenntnis vom Ablehnungsgrund,Wissensvertreter des GmbH-Geschäftsführers, Glaubhaftmachung
1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einerPartei unterbricht das Schiedsverfahren nicht; § 240 ZPO gilt nur für Verfahrenvor einem staatlichen Gericht. Die Eröffnung unterbricht auch nicht das Ablehnungsverfahrenvor dem staatlichen Gericht gegen einen Schiedsrichter, wenn dieses Verfahrenerst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängig wird.
2. Richtige Antragsgegnerin im Ablehnungsverfahren ist die Gegnerinim Schiedsverfahren. Eine „hilfsweise Parteirolle” - Gegnerin, hilfsweise derenInsolvenzverwalter - ist nicht zulässig: Es ist keinem Prozeßgegner zuzumuten,sich auf ein Verfahren einzulassen, das sich möglicherweise in einrechtliches Nichts auflöst (BGHZ 147, 220, 224). Dieser Grundsatz ist nichtanzuwenden, wenn der richtige Gegner durch Auslegung des Parteienvorbringens imAnfechtungsverfahren zweifelsfrei ermittelbar ist.
3. Ein Schiedsrichter kann nicht zugleich Prozeßvertreter derSchiedsklägerin in einem gerichtlichen Verfahren gegen die Schiedsbeklagtesein.
4. Die Antragstellerin hat den Umstand, der ihre Zweifel ander Unparteilichkeit des Schiedsrichters begründet, gemäß § 1037 Abs. 2 ZPOinnerhalb zwei Wochen nach Kenntniserhalt darzulegen. Auf die in § 1062 ZPOgenannten Verfahren finden die allgemeinen Vorschriften über dasErkenntnisverfahren im ersten Rechtszug Anwendung, sofern sich nicht aus derratio legis Abweichendes ergibt. Es genügt daher , gemäß § 44 Abs. 4 ZPO dieRechtzeitigkeit der Darlegung durch eidesstaatliche Versicherung der dafürmaßgeblichen Tatsachen glaubhaft zu machen. Die Kenntnis der Sekretärin desGeschäftsführers der Antragstellerin (GmbH) ist dieser nur zurechenbar, soweitsie deren „Wissensvertreter” ist.
OLG Dresden Beschluß vom 27.1.2005 - 11 SchH 02/04; Zeitschrift fürSchiedsverfahrensrecht 2005, 159 = RKS A 2 Nr. 34
Aus dem Sachverhalt:
Die Schiedsbeklagte begehrt die Ablehnung des Schiedsrichters wegenBefangenheit. Die Parteien vereinbarten am 18.6.2002, daß über sämtlichezwischen ihnen offenen Forderungen durch Schiedsspruch entschieden werdensollte. Eine Regelung für den Fall der Insolvenz einer der Parteien wurde nichtgetroffen. Schiedsverfahrensort sollte Leipzig sein, SchiedsrichterRechtsanwalt N. aus Leipzig. Dieser hatte beide Parteien gemeinsam bereitszuvor in einzelnen Zivilverfahren gerichtlich und außergerichtlich vertretenund beraten. Die Parteien waren und sind in einer ARGE verbunden, die N.vertreten hatte.
Am 29.1.2004 erhielt die Schiedsbeklagte eine Klage derSchiedsklägerin vor dem Landgericht Siegen zugestellt, die sich u.a. gegen dieSchiedsbeklagte selbst als Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichenRechts richtet. Die Klage ist von N. unterschrieben, der die Schiedsklägerin indem Verfahren vor dem LG Siegen als Prozeßbevollmächtigter vertritt. MitSchriftsatz vom 13.2.2004 erklärte die Schiedsbeklagte gegenüber demSchiedsrichter N. dessen Ablehnung wegen Befangenheit. Mit Beschluß vom20.7.2004 wies N. den Ablehnungsantrag ab, weil die Schiedsbekl. auf Grund dervorangegangenen anwaltlichen
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Tätigkeit für beide Schiedsparteien schon im Zeitpunkt seinerBestellung als Schiedsrichter von einer möglichen einseitigen anwaltlichenTätigkeit für die Schiedsklägerin gewußt habe. Der Beschluß wurde derSchiedsbeklagten mittels einfachen Briefs ohne Empfangsbekenntnis am 9.8.2004zugestellt.
Mit Beschluß des AG Nördlingen (Insolvenzgericht) vom 14.6.2004war über das Vermögen der Schiedsklägerin das Insolvenzverfahren eröffnetund ein Insolvenzverwalter bestimmt worden. Mit Schreiben vom 10.8. erklärtedieser gegenüber der Komplementärin der Schiedsklägerin die Freigabe sämtlicherForderungen der Schiedsklägerin gegen die Schiedsbeklagte für alleAktiv-Rechtsstreitigkeiten der Schiedsklägerin. Die Komplementärin befand sichzu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Insolvenz und unter Verwaltung einesInsolvenzverwalters. Am 9.9. rief die Schiedsbeklagte das OLG Dresden zurEntscheidung über ihren Antrag auf Ablehnung des Schiedsrichters N. an.
Als Antragsgegner ist der Insolvenzverwalter der Schiedsklägerinbenannt, hilfsweise - für den Fall, daß die Freigabeerklärung vom 10.8. wirksamsein sollte - die Schiedsklägerin selbst. Die Schiedsbeklagte hält dieFreigabeerklärung für unwirksam, da sie gegenüber der Komplementärin derSchiedsklägerin und nicht gegenüber deren Insolvenzverwalter erklärt wurde. DieSchiedsbeklagte weist außerdem auf eine Erklärung der Sparkasse D. hin, wonachdieser alle im Schiedsverfahren streitgegenständlichen Forderungen gegen dieSchiedsbeklagte abgetreten worden seien.
In der Sache meint die Schiedsbekl., daß der Beschluß vom 20.7.schonwegen der eingetretenen Insolvenz der Schiedskl. unwirksam sei. Darüber hinausliege ein Befangenheitsgrund in der anwaltlichen Tätigkeit des SchiedsrichtersN. für die Schiedskl.
In dem Ablehnungsverfahren vor dem OLG Dresden meldeten sich sowohldie Schiedsklägerin selbst wie deren Insolvenzverwalter. Beide meinen,daß im Hinblick auf die Freigabeerklärung vom 10.8. die Schiedskl. selbst dierichtige Beteiligte des Ablehnungsverfahrens sei. Der Ablehnungsantrag derSchiedsbekl. vom 13.2. sei verfristet; diese habe bereits mit Zustellung derKlage am 29.1. Kenntnis vom Ablehnungsgrund gehabt.
Die Schiedsbeklagte behauptet, daß am Tag der Klagezustellung nur dieSekretärin ihres Geschäftsführers vom Eingang der Klage erfahrenhabe. Der Geschäftsführer selbst habe erst am 2.2. gewußt, daß derSchiedsrichter zugleich Prozeßvertreter der Schiedsklägerin ist. Diesversichert der Geschäftsführer in einer eidesstattlichen Versicherung vom 2.11.gegenüber dem Gericht.
Aus den Gründen:
1. Eine von Amts wegen zu beachtende Unterbrechung des Verfahrensgemäß § 240 ZPO wegen der Insolvenz der Schiedsklägerin ist nicht gegeben. Zwarwird im Falle der Insolvenz das Verfahren unterbrochen, wennes die Insolvenzmasse betrifft, bis es nach den für das Insolvenzverfahrengeltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird.Zum Zeitpunkt der Eröffnung war aber kein Verfahren i.S.d. § 240 ZPO anhängig,welches hätte unterbrochen werden können.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schiedsklägerinunterbricht das Schiedsverfahren nicht. § 240 ZPO ist auf dasschiedsgerichtliche Verfahren gemäß §§ 1025 ZPO nicht anwendbar. Diesesist keine Zivilrechtsstreitigkeit vor einem staatlichen Gericht,
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wie sie § 240 ZPO voraussetzt (BGH KTS 1966, 246 = HSG A 3 Nr. 2 und A 4 bNr. 1 ; Zöller 24. Aufl. Rd-Nr. 48 zu § 1042 ZPO; Hess/Weis/Wienberg 2. Aufl.Rd-Nr. 22 zu § 85 InsO; Schwab/Walter/Baumbach Systematischer Kommentar zurSchiedsgerichtsbarkeit 6. Auf. Kap. 16 Rd-Nr. 48).
Die Eröffung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schiedskl.unterbricht gem.
§ 240 ZPO auch nicht das Ablehnungsverfahren vor dem OLG Dresden, denndieses wurde erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängig. § 240ZPO setzt voraus, daß z.Zt. der Insolvenzeröffnung überhaupt ein Verfahren voreinem staatlichen Gericht anhängig ist, welches durch den Eintritt derInsolvenz betroffen wird (MünchKomm 2. Aufl. Rd-Nr. 8 vor § 239 ZPO). DieEröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der beiden Schiedsparteienbewirkt gem. § 240 ZPO, daß zwar nicht das Schiedsverfahren, aber ein durch dasschiedsgerichtliche Verfahren veranlaßtes Verfahren vor einem staatlichenGericht unterbrochen wird (BGH KTS 1966, 246 = HSG A 3 Nr. 2 und A 4 b Nr. 1;Hess/Weis/Wienberg 2. Aufl. Rd-Nr. 23 zu § 85 InsO). Die BGH-Entscheidung betraf jedoch den Fall, daß das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer derSchiedsparteien eröffnet wurde, nachdem das staatliche Verfahren bereitsanhängig war. Anders ist es hier: Das Insolvenzverfahren über das Vermögen derSchiedskl. wurde am 14.6. eröffnet, mithin vor Anrufung des OLG Dresden am9.9.2004. Da ein Verfahren vor einem staatlichen Gericht zum Zeitpunkt derEröffnung des Insolvenzverfahrens gerade nicht anhängig war, konnte durch dieInsolvenzeröffnung auch keine Unterbrechung gemäß § 240 ZPO eintreten.
2. Die Gemeinschuldnerin und Schiedsklägerin selbst ist die richtigeGegenpartei des Ablehnungsverfahrens. Sie ist als Zweit-Antragsgegnerin auchformell beteiligt. Dies ergibt eine verständige Auslegung der Erklärungen, dievon der Schiedsbeklagten, der Schiedsklägerin selbst und derenInsolvenzverwalter vor dem OLG abgegeben wurden.
Wer in einem Rechtsstreit Partei ist, d.h. Kläger oder Beklagter,Antragsteller oder Antragsgegner, ist aus der den Rechtsstreit einleitendenProzeßhandlung zu entnehmen. Bestimmt wird die Partei danach, wie siebezeichnet ist, nämlich mit Namen oder Firma und Zustellungsadresse als Kläger,Beklagter, Antragsteller und -gegner. Außer der Bezeichnung in demSchriftstück, das den Rechtsstreit einleitet, und dem darin enthaltenenTatsachenvortrag kann zur Bestimmung der Partei auch dasjenige auslegendherangezogen werden, was später im Prozeß geschieht. Stets ist die Bestimmung,wer Partei ist, objektiv vom Standpunkt des Gerichts und des Beklagten oderAntragsgegners aus vorzunehmen (Zöller 24. Aufl. Rd-Nr. 6 vor § 50 ZPO;Thomas/Putzo 26. Aufl. Rd.- Nr. 3 Vorbem.zu § 50 ZPO). Der Parteibegriff istdabei rein formell, d.h. unabhängig vom sachlichen Recht (Zöller Rd.-Nr.62 vor§ 50 ZPO).
Danach ist hier die Schiedsklägerin selbst Partei des Ablehnungsverfahrensvor dem OLG. Da die Schiedsbekl. sowohl den Insolvenzverwalter der Schiedskl.und hilfsweise - für den Fall der Wirksamkeit der Freigabeerklärung vom 10.8. -die Schiedskl. selbst als Antragsgegnerin bezeichnet, ist die Schiedskl.zunächst nur hilfsweise ins Verfahren einbezogen. Eine solche hilfsweiseParteirolle ist aber nicht möglich. Dies hat der BGH (BGHZ 147, 220, 224) fürdie parteierweiternde Hilfswiderklage gegen einen Dritten so ausgesprochen:„Denn es ist keinem Prozeßgegner zuzumuten, sich auf ein Verfahren einzulassen,bei dem die Möglichkeit besteht, daß es sich in ein rechtliches Nichtsauflöst”.
So ist aber der Antrag der Schiedsbeklagten nicht zu verstehen. Aus demSchriftsatz wird deutlich, daß die Schiedsbeklagte beide, sowohl denInsolvenzverwalter wie die Gemeinschuldnerin selbst, in das Verfahreneinbezogen sehen möchte, um überhaupt eine
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Entscheidung, gegen welche Partei auch immer, ermöglichen zu können. DiesesVerständnis entspricht dem vom BGH a.a.O. ebenfalls angewandten Grundsatz, dieAnträge einer Partei so auszulegen, daß sie den gewünschten Erfolg im Rahmender Rechtsordnung erreichen können.
Die Schiedskl. selbst hat sich im Verfahren gemeldet, zur Sache Stellunggenommen und ist im Übrigen vom selben Prozeßbevollmächtigten vertreten wie derInsolvenzverwalter.
Die Schiedsklägerin selbst ist auch prozeßführungsbefugt. Dies folgt aus derFreigabeerklärung vom 10.8., die der Senat als wirksam erachtet, so daß dieSchiedskl. trotz der eingetretenen Insolvenz aus allen Rechten berechtigt undverpflichtet ist, die den Streitgegenstand des Schiedsverfahrens bilden. Durcheine Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters wird die Massezugehörigkeiteines Rechts oder Gegenstandes aufgegeben und aus dem Insolvenzbeschlag (§ 80Abs. 1 InsO) gelöst. Das Recht oder der Gegenstand wird damitinsolvenzfreies Vermögen des Schuldners (Hess/Weis/Wienberg 2. Aufl.Rd-Nr. 596 zu § 55 InsO). Prozeßführungsbefugt ist daher hier die insolventeSchiedsklägerin selbst.
Die Freigabeerklärung eines Insolvenzverwalters ist als empfangsbedürftigeWillenserklärung mit ihrem Zugang an den Insolvenzschuldner wirksam. Der Zugangeiner solchen Willenserklärung liegt vor, wenn sie so in den Machtbereich desEmpfängers gelangt, daß dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeithat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BGHZ 67, 271; Palandt 63. Aufl.Rd-Nr. 5 zu § 130 BGB). Hiernach ist die Freigabeerklärung vom 10.8.2004 alswirksam zu betrachten, da sie auch zugegangen ist. Dabei kann dahinstehen, obman einen Zugang an die Komplementärin der Schiedsklägerin für ausreichenderachtet oder einen Zugang an deren Insolvenzverwalter verlangt. DieKomplementärin zählt im Hinblick auf den Zugang der Freigabeerklärung zumMachtbereich ihres Insolvenzverwalters, so daß die Freigabeerklärung nicht nurder Komplementärin, sondern auch deren Insolvenzverwalter zugegangen ist.
In diesem Zusammenhang kann die angesprochene Abtretung derschiedsklägerischen Forderungen an die Sparkasse D. unberücksichtigt bleiben.Der Vortrag der Schiedsbekl. ist insoweit schon zu unsubstantiiert, insbesondereerklärt die Schiedsbekl. nicht, zu welchem Zeitpunkt eine solche Abtretungerfolgt sein soll. Im Übrigen würde eine Abtretung, wenn sie während desVerfahrens vor dem OLG erfolgt wäre, gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO auch keinenEinfluß auf die Prozeßführungsbefugnis der Schiedskl. haben.
3. Der Ablehnungsantrag ist rechtzeitig und begründet. Derangegriffene Beschluß vom 20.7. ist nicht schon deshalb unwirksam undaufzuheben, weil zuvor am 14.6. das Insolvenzverfahren über das Vermögen derSchiedsklägerin eröffnet wurde. Durch die Insolvenz einer der Schiedsparteienwird das Schiedsverfahren selbst nicht berührt (Schwab/Walter SystematischerKommentar zur Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage Kap. 16 Rd-Nr. 49), so daßauch schiedsgerichtliche Entscheidungen weiterhin wirksam erlassen werdenkönnen.
Es liegt jedoch der Ablehnungsgrund des § 1036 Abs. 2 S. 1 ZPO vor. Danachkann ein Schiedsrichter abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, dieberechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit desSchiedsrichters aufkommen lassen. Eine solche Besorgnis der Befangenheit istgegeben, wenn vom Standpunkt der Partei aus genügend objektive Gründevorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind,Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Schiedsrichters zu erregen(Schwab/Walter a.a.O. Kap. 14 Rd-Nr. 6) . Die Prozeßvertretung derSchiedsklägerin vor dem LG Siegen in einem Rechtsstreit, in dem u.a. dieSchiedsbekl. Gegnerin der Schiedsklägerin ist, ist ein solcher Umstand i.S.d. §1036 Abs. 2 S. 1 ZPO. Der Prozeßvertreter einer Partei ist immer zugleich
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auch ihr Interessenvertreter. Er soll seiner Partei helfen, ihreRechte bestmöglich durchzusetzen und zu realisieren. Demgegenüber ist einSchiedsrichter zur Unparteilichkeit und Unabhängigkeit verpflichtet. Er sollgerade nicht einseitig die Interessen einer Partei durchsetzen, sondern einenüberparteilichen Schiedsspruch sprechen. Soweit der Schiedsrichter hierzugleich Prozeßvertreter der Schiedsklägerin in einem gerichtlichen Verfahrengegen die Schiedsbeklagte ist, ist eine Pflichtenkollision gegeben, die nachverständiger Würdigung des Sachverhalts Zweifel an der Unparteilichkeit desSchiedsrichters erregt. Hinzu kommt, daß auch der Verdacht mittelbarerfinanzieller Interessen des Schiedsrichters am Ausgang des Schiedsverfahrensnicht von der Hand zu weisen ist. Als Prozeßvertreter erlangt derSchiedsrichter gegen die insolvente Schiedsklägerin Vergütungsansprüche, derenBegleichung möglicherweise erst nach einem positiven Abschluß desSchiedsverfahrens für die Schiedsklägerin gesichert ist. Ein solcher Verdachtmittelbarer finanzieller Abhängigkeit wird letztlich auch dadurch verstärkt,daß der Schiedsrichter bis zuletzt keine Auskunft darüber gab, inwieweitHonorarforderungen gegen die Schiedsklägerin aus seiner anwaltlichen Tätigkeitbestehen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, daß es für die Ablehnung einesSchiedsrichters schon genügt, daß bloße Zweifel an dessen Unparteilichkeitund Überparteilichkeit vorliegen. Es muß nicht mit Sicherheit gesagt werdenkönnen, daß der Schiedsrichter befangen ist. Insofern sind die angeführtenGründe geeignet, zumindest diese Zweifel zu begründen.
4. Die Schiedsbeklagte ist mit dem Vorbringen ihrer Ablehnungsgründeauch nicht gemäß § 1036 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeschlossen, wonach eine Parteieinen Schiedsrichter, den sie bestellt oder an dessen Bestellung sie mitgewirkthat, nur aus Gründen ablehnen kann, die ihr erst nach der Bestellung bekanntgeworden sind. Zwar war N. vor seiner Bestellung zum Schiedsrichter durch dieSchiedsparteien am 18.6.2002 für beide als Anwalt tätig gewesen. Der nunmehraufgetretene und geltend gemachte Ablehnungsgund beruht jedoch auf einemqualitativ anderen Sachverhalt, der der Schiedsbekl. zum Zeitpunkt derBestellung des Schiedsrichters nicht bekannt war. Die einseitigeProzeßvertretung der Schiedskl. gegen die Schiedsbekl. ist eineeinseitige Interessenvertretung und daher nicht zu vergleichen mit der gemeinsamenVertretung und Beratung beider Schiedsparteien.
Der Ablehnungsantrag der Schiedsbekl. vom 13.2.2004 ist auch nicht gem. §1037 Abs. 2 S. 1 ZPO verfristet. Danach hat die ablehnungswillige Parteiinnerhalb von zwei Wochen, nachdem ihr die Zusammensetzung des Schiedsgerichtsoder ein Umstand i.S.d. § 1036 Abs. 2 ZPO bekannt geworden ist, diesen demSchiedsrichter schriftlich darzulegen. Diese Frist hat die Schiedsbekl.eingehalten. Deren vertretungsberechtigter Geschäftsführer hat erst am 2.2.2004erfahren, daß der Schiedsrichter zugleich der Prozeßvertreter der Schiedskl. imZivilverfahren gegen die Schiedsbekl. vor dem LG ist. Dies folgt zurÜberzeugung des Senats aus der eidesstattlichen Versicherung desGeschäftsführers vom 2.11.2004.
Die Versicherung an Eides Statt ist im schiedsgerichtlichenAblehnungsverfahren vor dem OLG ein zulässiges und hinreichendes Mittel, dieRechtzeitigkeit des Antrags glaubhaft zu machen. Obwohl dies nichtausdrücklich im Gesetz steht, finden auf die in § 1062 ZPOgenannten Verfahren die allgemeinen Vorschriften über das Erkenntnisverfahrenim ersten Rechtszug Anwendung, sofern sich nicht aus der ratio legisAbweichendes ergibt (Zöller 24. Aufl. Rd-Nr. 7 zu § 1063 ZPO). Insoweitsind im Schiedsrichterablehnungsverfahren vor dem OLG §§ 41ff. ZPO überdie Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen entsprechend anzuwenden,insbesondere § 44 Abs. 4 ZPO. Hiernach ist glaubhaft zu machen, daß derAblehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden ist,wenn
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ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird, bei dem diePartei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. § 44Abs. 4 ZPO steht dabei in Zusammenhang mit dem Verlust des Ablehnungsrechtsnach § 43 ZPO, der bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung des Ablehnungsrechtseintritt. Als Mittel der Glaubhaftmachung i.S.d. § 44 Abs. 4 ist gem. § 294Abs. 1 ZPO u.a. die Versicherung an Eides statt vorgesehen. Auch im Schiedsrichterablehnungsverfahrenvor dem OLG ist hiernach die Glaubhaftmachung zulässig und ausreichend, wenn esum die rechtzeitige Geltendmachung der Ablehnungsgründe geht.
Der Senat sieht als glaubhaft an, daß der Geschäftsführer erst am 2.2.2004Kenntnis vom Ablehnungsgrund gehabt hat, so wie er es in der eidesstattlichenVersicherung angegeben hat. Die Einwände der Schiedskl. vermögen nichtdie Überzeugung des Senats von der inhaltlichen Richtigkeit derVersicherung zu erschüttern. Es kommt dabei nicht darauf an, daß derGeschäftsführer jedes noch so kleine Detail seiner Schilderung richtig inErinnerung hat, zumal die versicherten Geschehnisse auch schon neun Monatezurückliegen. Entscheidend ist, daß der Gesamtinhalt in sich widerspruchsfreiund schlüssig ist, so wie es bei der eidesstattlichen Versicherung desGeschäftsführers der Fall ist.
Im Übrigen kann auch nicht über die Grundsätze der Wissensvertretung beieiner GmbH angenommen werden, daß der Geschäftsführer bereits mitKlagezustellung am 29.1. Kenntnis vom Ablehnungsgrund hatte. Zwar gibt derGeschäftsführer in der Versicherung selbst an, daß seine Sekretärin dieKlagezustellung am 29.1.2004 registrierte.Die Sekretärin hatte aber damit nochkeine Kenntnis von dem hier geltend gemachten Ablehnungsgrund, die demGeschäftsführer zugerechnet werden könnte. Wissensvertreter ist nur, wer vonder Gesellschaft mit der Erledigung bestimmter Aufgaben in eigenerVerantwortung betraut ist. Entscheidend ist dabei nicht die Stellung desInformationsträgers, sondern die Bedeutung der Information selbst - ob nämlichder Rechtsverkehr erwarten durfte, daß die Information intern gespeichert,aufbereitet, weitergegeben und in der konkreten Situation abgefragt wird. DieGesellschaft ist insoweit verpflichtet, die interne Kommunikation ordnungsgemäßzu organisieren (Lutter/Hommelhoff 15. Aufl. Rd-Nr. 6 zu § 36 GmbHG).Hiernach ist nicht davon auszugehen, daß die Sekretärin des GeschäftsführersKenntnis davon hatte, daß der Schiedsrichter zugleich Prozeßvertreter derSchiedsklägerin ist. Hierzu hätte die Sekretärin zum einen überhaupt bemerkenmüssen, daß der Prozeßvertreter der Schiedsklägerin Rechtsanwalt N. ist. Zumanderen müßte man bei ihr die Kenntnis voraussetzen, daß dieser Rechtsanwalt N.auch Schiedsrichter des schiedsgerichtlichen Verfahrens zwischen den Parteienist. Die Kenntnis des Ablehnungsgrundes verlangt insoweit die gedanklicheZusammenfügung beider Informationen und ein nicht unerheblichesHintergrundwissen, dessen Vorhandensein bei der Sekretärin nicht ohne weiteresvorausgesetzt werden kann.