Recht und Steuern

A2 Nr.32

A 2 Nr. 32
§§ 1025 Abs. 2+ 3, 1035 Abs. 3, 1043 Abs. 1, 1062 Abs. 3 ZPO- Internationale Zuständigkeitdeutscher Gerichte: Bestellung eines Ersatzschiedsrichters für ausländischesSchiedsverfahren
Wenn die Vertragsparteien ein Schiedsverfahren in einem bestimmtenausländischen Staat vereinbart, aber nicht den Ort des Verfahrens bestimmthaben, kann das deutsche Gericht gemäß § 1035 Abs. 3 ZPO einenErsatzschiedsrichter bestellen, wenn über den Sitz oder den gewöhnlichenAufenthalt einer Partei ein Inlandsbezug besteht.
BayObLGBeschl.v. 5.10.2004 - 4Z SchH 09/04; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht2004 S. 316 = RKS A 2 Nr. 32
Aus demSachverhalt:
DieAntragstellerin hat der Antragsgegnerin mit Vertrag zum 1.6.1995 denAlleinvertrieb der Produkte der Ast. in Deutschland und Österreich übertragen.Lt. Art. 15 des Vertrages sollen alle Streitigkeiten in Zusammenhang mit diesemVertrag abschließend in einem Schiedsgerichtsverfahren in Japan nach den GesetzenJapans beigelegt werden. Die Ast. erhebt Kaufpreisforderungen in Höhe von650.039 Euro. Da die Ag. nicht zahlte, leitete die Ast. am 28.5.2004 dasSchiedsverfahren ein, bestellte A. als Schiedsrichter und forderte die Ag.vergeblich auf, binnen 30 Tagen ebenfalls einen Schiedsrichter zu bestellen.Die Ast. beantragt, für die Ag. einen Ersatzschiedsrichter zu bestellen: Dasangerufene Gericht sei gemäß §§ 1025 Abs. 3, 1062 Abs. 3 ZPO internationalzuständig, da der Ort des Schiedsverfahrens noch nicht bestimmt sei. Die Ag.wendet ein, die Bestellung des Schiedsrichters falle nicht in dieinternationale Zuständigkeit des deutschen Gerichtes, da feststehe, daß dasSchiedsverfahren in Japan durchzuführen sei.
Aus denGründen:
Der Antrag istzulässig. Die Ast.begehrt die Bestellung eines Schiedsrichters für einunstreitig in Japan nach den japanischen Gesetzen durchzuführendesSchiedsgericht, somit für ein ausländisches Schiedsverfahren. Die Frage, ob diedeutsche Gerichtsbarkeit für einen solchen Antrag international zuständig ist,ist ausschließlich anhand der deutschen Gesetze zu beurteilen. Die Mitwirkungdeutscher Gerichte bei ausländischen Schiedsverfahren regeln §§ 1025 Abs. 2 bis4 ZPO. Vorliegend ergibt sich die internationale (und zugleich auch diesachliche und örtliche) Zuständigkeit des Senats aus § 1062 Abs. 3 i.V.m. §§1025 Abs. 3, 1035 Abs. 3 S. 3 ZPO, § 6 a Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung(BayGVBl. 1998, 356). Danach kann eine Partei bei Gericht die Bestellung einesSchiedsrichters durch das Gericht beantragen, wenn die andere Partei nichtinnerhalb eines Monats nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung den vonihr zu benennenden Schiedsrichter bestimmt hat. Solange der Ort desschiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 1043 Abs. 1 S. 1 ZPO noch nichtbestimmt ist, besteht nach dem Wortlaut des § 1025 Abs. 3 ZPO für die deutschenGerichte eine internationale Zuständigkeit für die Ausübung dieser Aufgabe. Derkonkrete Schiedsort, d.h. eine einzelne Stadt oder politische Gemeinde, ist unstreitig weder von den Parteien noch von dem (noch zu konstituierenden)Schiedsgericht festgelegt worden. Die Voraussetzungen des § 1025 Abs. 3 ZPO fürdas Tätigwerden eines deutschen Gerichts sind damit erfüllt.
Weder Sinn undZweck der Regelung noch die Gesetzessystematik gebieten eine einschränkendeAuslegung des § 1025 Abs. 3 ZPO. Die Vorschrift regelt eine Ausnahme von demGrundsatz, daß daß deutsche Gerichte an ausländischen Schiedsverfahren nichtmitwirken. Der Gesetzgeber eröffnet in § 1025 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit, ineinem frühen Stadium des Schiedsverfahrens, nämlich bei der Bildung desSchiedsgerichts, den Rechtsschutz der deutschen Gerichte in Anspruch zu nehmen,sofern über den Sitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei ein Inlandsbezugbesteht. Die Regelung dient dazu, seitens der deutschen Gerichte bei derKonstituierung eines Schiedsgerichts behilflich zu sein, damit die Durchführungdes Schiedsverfahrens nicht bereits in einem frühen Stadium scheitert. DieZuständigkeit knüpft dabei nicht an die Frage an, ob das Schiedsverfahren imIn- oder Ausland stattfindet oder ob dies ungewiß ist. Ist ein konkreterausländischer Schiedsort festgelegt, besteht grundsätzlich auch kein Bedarf,ein deutsches Gericht zu bemühen. Die Festlegung eines Schiedsorts eröffnetregelmäßig die Möglichkeit, Rechtsschutz vor dem (ausländischen) Gericht zuerlangen, in dessen Bezirk der Schiedsort liegt. Dementsprechend sieht § 1025Abs. 3 ZPO eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei dieserFallkonstellation nicht vor. Bei einem ungewissen Schiedsort fehlt dagegen einmaßgeblicher Anknüpfungspunkt für die gerichtliche Zuständigkeit in dennationalen Verfahrensordnungen, was die Gefahr mangelnden effektivenRechtsschutzes bedingt. Daß der Gesetzgeber die Justizgewährung bei derKonstituierung des Schiedsgerichts auf Schiedsverfahren beschränkenwollte, bei denen zumindest die theoretische Möglichkeit besteht, daß sie imInland stattfinden, ist nicht ersichtlich.
DieAntragsgegnerin hat ihren Sitz im Freistaat Bayern. Dies begründet dieZuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts[1].Da der Schiedsvertrag keine Ausführungen zur Qualifikation des Schiedsrichtersenthält und die Ag. die Gelegenheit, Vorschläge zur Person des Schiedsrichterszu machen, nicht wahrgenommen hat, wurde ein in Tokio ansässiger, mit demjapanischen Recht vertrauter und zugleich der deutschen Sprache mächtigerRechtsanwalt als Schiedsrichter für die Ag. bestimmt. Er hat seine Bereitschafterklärt, dieses Amt anzunehmen.
DieKostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß §§ 2, 3 und4 ZPO in Höhe der geltend gemachten Hauptforderung festgelegt.
HierzuAnmerkung von Gerhard Wagner aaO. S. 317.
[1] Dieses wird - nach über 375 Jahren -voraussichtlich zum 30. Juni 2006 aufgelöst (Entwurf eines Gesetzes zurAuflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts - BayObLGAuflG -LT-Drucksache 15/1780 vom 14.10.2004).