Recht und Steuern

A2 Nr.25

A2 Nr.25
§§ 1025 ff ZPO a.F./n.F, § 1036 ZPO n.F. - Ablehnung eines Schiedsrichters wegen beruflicher und geschäftlicher Kontakte zur anderen Partei. Offenlegungspflicht. Antrag beim unzuständigen Gericht
1. Auch wenn das Schiedsverfahren selbst vor dem 1.1.1998 begonnen hat, gelten für ein später eingeleitetes Ablehnungsverfahren die §§ 1036 ff. ZPO in der neuen Fassung.

2. Ein rechtzeitig beim unzuständigen Gericht (LG gemäß § 1045 ZPO a.F.) gestellter Ablehnungsantrag wahrt die in der vereinbarten Schiedsordnung vorgesehene Frist, wenn dieses an das zuständige Gericht (OLG gemäß § 1062 ZPO n.F.) verweist; dadurch ist die Verfahrenseinheit gewährleistet

3. Der Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Befangenheit eines Schiedsrichters richtet sich trotz der Abweichung des § 1036 Abs. 2 ZPO n.F. gegenüber § 1032Abs. 1 ZPO a.F. weiterhin nach den Kriterien, die zur Ablehnung eines staatlichen Richters führen. Der abweichende Wortlaut bezweckte eine Anpassung an Art. 12 II UNCITRAL Model Law, aber keine sachliche Änderung.

4. Begründet ist der Ablehnungsantrag, wenn vom Standpunkt des Ablehnenden aus genügende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Schiedsrichter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Diese liegen nicht schon deshalb vor, weil Schiedsrichter und Partei
a. Kommanditisten in einer Publikums-Bau-Gesellschaft sind,
b. in der Sachverständigenliste eines Fachverbandes aufgeführt sind und lange vor dem Schiedsverfahren mehrmals gemeinsam als Sachverständige tätig gewesen waren,
c. der Schiedsrichter diese Umstände nicht offengelegt hat (§ 1036 Abs. 1 ZPO n.F.).


OLG Naumburg Beschl.v.19.12.2001 - 10 SchH 3/01; Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht 2002, 448; SchiedsVZ 2003, 134 = RKS A 2 Nr. 25
Aus den Gründen:
1. Für das Schiedsverfahren selbst gelten noch die §§ 1025 ff. ZPO in der bis zum 31.12.1997 gültigen Fassung, weil es vor dem In-Kraft-Treten der Änderungen begonnen hat (Art. 4 § 1 II Schiedsverfahrens-NeuregelungsG vom 22.12.1997 BGBl. 1997 I, 3224). Für das seit Februar 2001 anhängige gerichtliche Verfahren über die Ablehnung des Schiedsrichters gelten indes die §§ 1025 ff. ZPO in der seit dem 1.1.1998 gültigen Neufassung (Art. 4 § 1 III aaO.).
2. Das Ablehnungsgesuch ist rechtzeitig gestellt. Nach § 11 I SGOBau hat die einen Schiedsrichter ablehnende Partei, wenn die Gegenpartei der Ablehnung nicht zustimmt, die Entscheidung durch das zuständige Amts- oder Landgericht zu beantragen, und zwar unverzüglich, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Äußerung der Gegenpartei. Erfolgt der Antrag nicht innerhalb dieser Frist, so gilt dies nach § 11 II SGOBau i.V.m. §§ 1032, 41 - 44 ZPO als Verzicht auf das Ablehnungsrecht(auch gem. § 11 II SGOBau i.d.F. November 1990).
Der von der Ast. an das LG Dessau gerichtete Antrag wahrte diese Frist, obwohl das LG für diese Entscheidung nicht zuständig war. Seit der Neufassung der ZPO-Vorschriften über das Schiedsverfahren (1.1.1998) ist gemäß §1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO das OLG zuständig, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt. Das OLG sieht sich auf Grund des gem. § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO bindenden Verweisungsbeschlusses als das für die Ablehnung sachlich und örtlich zuständige Gericht. Der am 9.2.2001 beim LG Dessau eingegangene Antrag wahrte die Zwei-Wochen-Frist des § 11 I SGOBau. Denn die Verweisung an das OLG gewährleistet die Verfahrenseinheit: frühere Prozeßhandlungen wirken fort (Zöller/Greger § 281 Rd-Nr. 15a). Daher ist allgemein anerkannt, daß die Erhebung der Klage bei einem vom Rechtsweg her oder örtlich bzw. sachlich unzuständigen Gericht eine materiellrechtliche Ausschlußfrist selbst dann wahrt, wenn die Zuständigkeit ausschließlich ist (BGHZ 139, 305 [ 307 ] = NJW 1998, 3648; BGHZ 97, 155 [ 161 ] = NJW 1986, 2255; BGHZ 35, 374 [ 377 ] = NJW 1961, 2259). Der Gedanke, daß die Wirkungen der Rechtshängigkeit einer Klage bei der Verweisung an ein anderes Gericht bestehen bleiben, ist inzwischen ausdrücklich in § 17 b Abs. 1 GVG geregelt. Auf diese Norm beziehen sich die entsprechenden Vorschriften der Fachgerichtsbarkeiten, § 48 Abs. 1 ArbGG, § 83 VwGO, § 98 SGG und § 70 FGO. Diese Wirkung der Fristenwahrung durch den Verweisungsbeschluß des angerufenen, unzuständigen LG Dessau erfaßt wie alle ihre materiellrechtlichen Folgen auch die von den Parteien gem. § 11 II 1 SGOBau an die Versäumung der Frist zur gerichtlichen Geltendmachung geknüpfte Fiktion des Verzichts auf das Ablehnungsrecht.
3. Nach den inhaltlich identischen Vorschriften des §1036 Abs. 2 S. 1 ZPO und des §10 I SGOBau kann ein Schiedsrichter nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Befangenheit des Schiedsrichters richtet sich weiter nach den Kriterien, die für die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit gelten. Zwar weicht § 1036 Abs. 2 ZPO in der seit dem 1.1.1998 geltenden Fassung von der bisherigen Fassung des § 1032 Abs. 1 ZPO a.F. ab, nach dem für die Ablehnung eines Schiedsrichters die den staatlichen Richter betreffenden Ablehnungsgründe heranzuziehen waren. Eine sachliche Änderung war damit jedoch nicht beabsichtigt. Der Gesetzgeber wollte sich damit vielmehr bewußt an Art. 12 II des UNCITRAL Model Law anlehnen und damit eine für ausländische Parteien nur schwer nachvollziehbare Verweisung auf nationale Verfahrensvorschriften vermeiden (BT-Dr 13/5274 S. 40; Lachmann Hdb. für die Schiedsgerichtspraxis [ 1998 ] Rd-Nr. 308). Die Berechtigung der Ablehnung bestimmt sich demnach danach, ob nach den Umständen des konkreten Falls ein Grund vorliegt, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Schiedsrichters zu rechtfertigen. Maßgebend hierfür ist nicht, ob der abgelehnte Schiedsrichter wirklich befangen ist oder sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus genügende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der betreffende Schiedsrichter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BVerfGE 83, 30 [ 38 ] = NJW 1990, 2457; BGHZ 77, 70 [ 72 ] = NJW 1980, 2530; KG OLGZ 1994, 86 [ 87 ] ; Zöller/Vollkommer ZPO 21. Aufl. [ 1999 ] § 42 Rd-Nr. 9; Smid in Musielak ZPO [ 1999 ] § 42 Rd-Nr. 4; Bork in Stein/Jonas ZPO 21. Aufl. [ 1993 ] § 42 Rd-Nr. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 58. Aufl. [ 2000 ] § 42 Rd-Nr. 10; Feiber in MüKo ZPO § 42 Rd-Nr. 4; Wais in Schütze/Tscherning/Wais Hdb. des Schiedsverfahrens 2. Aufl. [ 1990 ] Rd-Nr. 274 m.w.Nachw.) Durch die Ablehnung wegen Befangenheit soll der Gefahr unsachlicher Beweggründe bei der Bildung oder Beibehaltung einer bestimmten Meinung in der Rechtsprechung begegnet werden (Bork aaO. Rd-Nr. 2). Gleichzeitig ist im vorliegenden Fall jedoch zu berücksichtigen, daß eine zu weitgehende Bejahung der Besorgnis der Befangenheit unzulässig in die Rechte der Schiedsparteien eingreift und, soweit es sich um eine Reaktion auf das Verhalten des Schiedsrichters handelt, u.U. auch dessen Unabhängigkeit beeinträchtigen kann. Auf die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes der gemeinsamen Mitgliedschaft des Schiedsrichters und des Geschäftsführers der Ag. - Y. - im Vorstand des Instituts für Deutsches und Internationales Baurecht e.V. hat die Ast. nach der Fiktion des §10 II SGOBau verzichtet. Sie hat diesen Ablehnungsgrund nämlich nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung geltend gemacht (§ 1 II 1 SGOBau). Die Kenntnis ihres Prozeßbevollmächtigten wirkt nach § 166 Abs. 1 BGB für und gegen die Ast.
4.a. Aus der Kommanditbeteiligung des Schiedsrichters können bei vernünftiger Betrachtung keine Zweifel an seiner Unbefangenheit und Unparteilichkeit entstehen. Daraus kann weder auf eine persönliche noch auf eine enge wirtschaftliche Verflechtung des Schiedsrichters und Y. geschlossen werden. Der Schiedsrichter hat seinen Kommanditanteil neben drei anderen Interessenten von Y. im Wege der notariellen Abtretung erhalten.Auf eine persönliche Verbindung oder gar die Zuwendung einer Vergünstigung deutet nichts hin. Lt. Handelsregisterauszug hat Y. regelmäßig Kommanditanteile an neu eintretende Kommanditisten abgetreten. Bis zum 26.8.1999, an dem der Auszug endet, fand ein reger Wechsel im Kommanditistenbestand dieser Gesellschaft statt. Insgesamt verzeichnet der Auszug 183 ehemalige und gegenwärtige Kommanditisten. Das läßt nur den Schluß zu, daß es sich hierbei um eine Publikumsgesellschaft handelt, eine auf den Beitritt zahlreicher Kapitalanleger angelegte, rein kapitalistisch geprägte Personengesellschaft, an der der Schiedsrichter wie viele andere Gesellschafter nur teilnahm, um die für diese Art Beteiligung typischen Steuer- und Beteiligungsvorteile zu erlangen. Eine persönliche Verbindung liegt hierin nicht. Zwar stehen die Kommanditisten untereinander in einem Gesellschaftsverhältnis, doch ist diese Verbindung hier so unpersönlich, daß die typisch personengesellschaftliche Beziehung der Gesellschafter untereinander von der typisch kapitalgesellschaftlichen Beziehung der Gesellschafter als Anteilsinhaber dieser Gesellschaft überlagert wird (K. Schmidt, GesellschaftsR § 57 I 1a). Nun liegt in der Kommanditbeteiligung solcher Art immer auch ein wirtschaftliches Interesse an der Erhaltung des Anlagevermögens, das über die steuerlich lukrative reine Verlustbeteiligung hinausgeht. Diese verbindet zwar die wirtschaftlichen Interessen des Schiedsrichters mit denen des Y. insofern, als beide als Gesellschafter ihren Beteiligungszweck erfüllt sehen wollen. Daraus ist jedoch nicht ersichtlich, daß von dem unternehmerischen Handeln des Y. das landwirtschaftliche Wohl [ sic! ] des Schiedsrichters abhängen und dieser deshalb bestrebt sein könnte, Y. im Rahmen seiner Schiedsrichtertätigkeit zu begünstigen. Denn unternehmerische Befugnisse des Y. bei dem Leitungsorgan der KG hat die Ast. nicht glaubhaft gemacht. Die bloße Vermutung, das wirtschaftliche Wohl des Y. als Hauptgesellschafter könne dem Schiedsrichter „am Herzen liegen”, begründet bei vernünftiger Betrachtung keine Zweifel an der Unbefangenheit des Schiedsrichters.
4.b. Auch die gemeinsame schiedsrichterliche Tätigkeit des Y. und des Schiedsrichters beründet keine Besorgnis der Befangenheit. Der Deutsche Bau- und Betontechnik-Verein e.V. gibt in regelmäßigen Abständen Sachverständigenlisten verschiedener Fachgebiete heraus. Die Liste aus dem Jahre 1992 enthielt als juristische Sachverständige für den Raum D. neben dem Schiedsrichter weitere neun Personen, die für 1996 sieben Personen, die jeweils nichts mit dem Schiedsverfahren zu tun haben. Auf Anfrage der Ast. benannte der Verein mit Schreiben vom 2.2.2001 als juristische Sachverständige für den Raum D. neben dem Schiedsrichter und Y. weitere drei Personen. In der Ausgabe Februar 2001 dieser Liste ist neben Y. und dem Schiedsrichter auch Prof. S. genannt Der Schiedsrichter hat bekundet, in den Jahren 1974, 1976 und 1982 drei gemeinsame Schiedsverfahren durchgeführt zu haben; in allen Fällen sei er Vorsitzender des Schiedsgerichts und Y. jeweils Beisitzer gewesen. Aus der Aufführung des Schiedsrichters mit Y. auf einer gemeinsamen Sachverständigenliste läßt sich nicht auf eine irgendwie geartete Verbindung des Schiedsrichters mit Y. schließen, auch aus der gemeinsamen Sachverständigentätigkeit kann eine vernünftige Partei nicht ernsthaft Zweifel an der Unbefangenheit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters ableiten. Y. und der Schiedsrichter sind anerkannte und fachkundige juristische Persönlichkeiten auf dem Gebiet des Baurechts. Solche Personen sind als Schiedsrichter begehrt und werden von Parteien bevorzugt als Schiedsrichter ausgewählt. Bei der langjährigen Tätigkeit beider im Raum D. bleibt gelegentliche gemeinsame Schiedsrichtertätigkeit nicht aus. In der nur dreimaligen gemeinsamen Schiedsrichtertätigkeit, zuletzt 1982, liegt kein Anhaltspunkt für die Besorgnis der Befangenheit.
4.c. Auch wegen der Nichtoffenbarung der genannten Befangenheitsgründe kann der Schiedsrichter nicht abgelehnt werden. Nach § 9 SchGOBau ist ein Schiedsrichter verpflichtet abzulehnen, wenn er zu einer Partei in einem der in § 41 ZPO bezeichneten Verhältnis steht oder die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 ZPO (Besorgnis der Befangenheit) gegeben sind. Das schließt die Pflicht des Schiedsrichters ein, bei seiner Ernennung auf solche Verhältnisse oder Umstände, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken können, von sich aus hinzuweisen. Er bleibt auch nach seiner Ernennung bis zum Ende des Verfahrens verpflichtet, solche Umstände unverzüglich offenzulegen. Das ist seit dem 1.1.1998 in § 1036 Abs. 1 ZPO ausdrücklich geregelt, gilt aber als allgemeine Verhaltensanforderung an den Schiedsrichter (§ 9 SGOBau) auch schon vorher. Der Verstoß gegen diese Pflicht bildet regelmäßig einen Ablehnungsgrund, weil er die betroffene Partei gerade daran hindert, ihr berechtigtes Ablehnungsverlangen geltend zu machen. Wenn ein Schiedsrichter in dieser Weise das Ablehnungsrecht der Parteien beschneidet, setzt er sich dem Verdacht aus, er stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unbefangen gegenüber. In dem unterlassenen Hinweis liegt aber hier keine Pflichtverletzung, weil diese Umstände von vornherein nicht geeignet waren, bei einer vernünftigen Prozeßpartei Zweifel an seiner Unbefangenheit und Unparteilichkeit zu wecken. Der Schiedsrichter muß nicht auf alles Mögliche hinweisen, sondern nur auf Umstände, von denen er annehmen mußte, sie könnten bei vernünftiger Betrachtung Zweifel wecken. Diese Bewertung muß der Schiedsrichter aus der Sicht der Parteien möglichst objektiv vornehmen und sich im Zweifel für die Offenbarung entscheiden. Zwar sind die Anforderungen an die zu offenbarenden Umstände nicht mit denen gleichzusetzen, die bei der Prüfung der Besorgnis der Befangenheit wegen dieser Umstände gelten. Sie sind geringer und können auch Umstände erfassen, die die Ablehnung später in den Augen des Gerichts an sich noch nicht rechtfertigen. Solche Umstände können nämlich trotzdem Zweifel an der Unparteilichkeit und Unbefangenheit wecken. Hierfür müssen jedoch ausreichende Anhaltspunkte vorliegen. Allein die Behauptung einer Partei, bei ihr hätten die Umstände Zweifel an der Unbefangenheit oder Unparteilichkeit geweckt, würde die Aushöhlung der Anforderungen an die Ablehnung bewirken. Denn ein Umstand, der schon an sich die Ablehnung eindeutig nicht begründet, darf nicht auf dem Umweg über die Ablehnung wegen unterlassener Offenbarung doch noch zur Ablehnung des Schiedsrichters führen.