Recht und Steuern

A2 Nr.31

A2 Nr. 31
§§ 1034ff,1054, 1059, 1066, 253 ff ZPO - Vereins- oder Verbandsgericht als„Schiedsgericht”. Anforderungen an die Satzung. Rechtsbehelf gegen seineEntscheidung
Ein Vereins- oder Verbandsgericht ist ungeachtet seiner Bezeichnung nurdann ein Schiedsgericht i.S.d. §§ 1034 ff. ZPO, wenn die SatzungRechtsstreitigkeiten unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs derEntscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterwirft.
Die Satzung muß sicherstellen, daß beide Parteien eines Schiedsverfahrensparitätisch auf die Besetzung des Schiedsgerichts Einfluß nehmen können unddieses an Gesetz und Recht gebunden ist.
Nur die Entscheidung eines Schiedsgerichts i.S.d. §§ 1034 ff. ZPO ist einSchiedsspruch i.S.d. § 1054 ff. ZPO, gegen den der Aufhebungsantrag gemäß §1059 ZPO zulässig ist. Eine andere Entscheidung ist nach den allgemeinenVorschriften, d.h. in der Regel mit der Klage gem. §§ 253 ff. ZPO, überprüfbar.
Die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedern von Vereinsorganen,insbesondere über deren Zuständigkeiten, ist keine Rechtsprechung und damitnicht Aufgabe eines Schiedsgerichts, sondern typische vereinsinterneVerwaltung.
BGH Beschl.v.27.5.2004 - III ZB 53/03; NJW 2004 S. 2226 = Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht2004 S. 206 = RKS A 2 Nr. 31
Aus denGründen:
DieEntscheidungen der sog. Vereins- oder Verbandsgerichte sind keineSchiedssprüche i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO. Diese Gerichte üben - ungeachtet dessen,daß sie vielfach als „Schiedsgericht” bezeichnet werden - nicht wie dieSchiedsgerichte (vgl. Senat 65, 59 [62] = NJW1976, 109 = RKS A 4 a Nr. 14; BGHZ51, 255 [258] = NJW 1969, 750 = RKS A 4 a Nr. 7) Rechtsprechung im weiterenSinne aus; sie sind Vereinsorgane, denen bestimmte Verwaltungs- oder Disziplinarmaßnahmen, z.B. Vereinsstrafe oder -ausschluß, übertragen sind. Die §§ 1025 ff.ZPO sind insoweit nicht anwendbar. Die Entscheidungen der Vereins- oderVerbandsgerichte sind vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften , d.h. i.d.R.mit der Klage nach §§ 253 ff. ZPO, überprüfbar (vgl. BGHZ 43, 261 [263 ff.,265] = NJW 1965, 1378 = RKS A 1 Nr. 2; BGHZ 128, 93 [108 ff.] = NJW 1995, 583;OLG Frankfurt a.M. NJW 1970, 2250; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 1365; Münch inMünchKomm §1066 Rd-Nr. 11; Stein/Jonas/Schlosser Vorb. §1025 Rd-Nr. 5;Thomas/Reichold in: Thomas/Putzo Vorb. § 1029 Rd-Nr. 2; Schwab/Walter Kap. 32Rd-Nr. 17; Schwarz in Bamberger/Roth BGB 2003 § 25 Rd-Nr. 83; RöhrichtSportgerichtsbarkeit 1997 S. 19; Reichert Hdb. Vereins- u.Verbandsrecht 9.Aufl. [2003] Rd-Nr. 1586).
DurchVereinssatzung können aber auf das Mitgliedschaftsverhältnis bezogeneStreitigkeiten zwischen einem Vereinsmitglied und dem Verein oder zwischenVereinsmitgliedern einem wirklichen Schiedsgericht zugewiesen werden, dabeihandelt es sich nach h.M. um ein außervertragliches Schiedsgericht, für dasgem.§ 1066 ZPO die §§ 1025 ff. ZPO entsprechend gelten (vgl. Begr. d. BReg.zumEntwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des SchiedsverfahrensR, BT-Dr 13/5274,S. 66; BGHZ 48, 35 [43] = RKS A 1 Nr. 7; BGHZ 144, 146 [148] = NJW 2000, 1713 =RKS A 1 Nr. 102 = NZG 2000, 897; s. auch Senat NJW 1980, 1049 = RKS A 1 Nr. 29;Münch in MünchKomm § 1066 Rd-Nr. 4; Zöller/Geimer
§ 1066 Rd-Nr.2; Thomas/Reichold in Thomas/Putzo § 1066 Rd-Nr. 1; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann§ 1066 Rd-Nrn. 3, 5; Musielak/Voit § 1066 Rd-Nr. 7; Sauter/Schweyer/Waldner Dereingetragene Verein 17. Aufl. [2001] Rd-Nr. 316; ähnl.i.E. wohl auchStein/Jonas/Schlosser §1066 Rd-Nr. 10; abw.z.B. Schwab/Walter Kap. 32 Rd-Nrn. 3ff.).
In Anlehnungan §1029 Abs.1 ZPO ist das satzungsmäßig berufene „Schiedsgericht” aber nurdann als Schiedsgericht i.S.d. §§ 1025 ff. (i.V.m. § 1066 ZPO) anzuerkennen,wenn Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs derEntscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterworfenwerden (vgl. Münch in MünchKomm § 1066 Rd-Nr. 11; Stein/Jonas/Schlosser Vorb. §1025 Rd-Nr. 5, § 1066 Rd-Nr. 15; Musielak/Voit § 1029 Rd-Nr. 19; Schwab/WalterKap. 32 Rd-Nr. 17; Schlosser, Vereins- und Verbandsschiedsgerichtsbarkeit 1972S. 176 f.; Reichert Rd-Nr. 2531; Staudinger/Weick BGB 13. Bearb. [1995], Vorb.§§ 21 ff. Rd-Nr. 53; Reuter in MünchKomm 4. Aufl. [2001] § 25 Rd-Nr. 58 a.E.;Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. [2004] § 25 Rd-Nr. 20; Fenn in Festschrift fürHenckel 1985 S. 173 [187 ff.]). Schiedsgerichtsbarkeit ist Rechtsprechung imweiteren Sinn, bedeutet also Streitentscheidung durch einen neutralen Dritten.Dementsprechend muß das Vereins- oder Verbandsgericht, um „echtes” Schiedsgerichtzu sein, - satzungsmäßig - als unabhängige und und unparteiliche Stelleorganisiert sein (BGHZ 51, 255 [258, 262 f.] = NJW 1969, 750 = RKS A 4 a Nr. 7;BGHZ 88, 314 [316] = NJW 1984, 1355 = RKS A 1 Nr. 49; Schwarz in Baumbach/Roth§ 25 Rd-Nr. 86; Palandt/Heinrichs § 25 Rd-Nr. 20; Reichert Rd-Nr. 2533).
Sind hingegenin der Satzung Abhängigkeiten angelegt oder läuft das „Schiedsverfahren” garauf ein Richten des Vereins oder Verbandes in eigener Sache hinaus, so liegtschon begrifflich nicht Schiedsgerichtsbarkeit, sondern Organhandeln vor (vgl.Fenn in Festschr.f.Henckel S. 173 [188 f.]). Es geht nicht an, diebenachteiligte Partei in einem solchen Fall auf Rechtsbehelfe zu denstaatlichen Gerichten entsprechend §§ 1034 ff. ZPO zu verweisen (so aber wohlHaas/Gedeon SpuRt 2000, 228 [230, 231]; Ebbing NZG 1999, 754 [757]). BeimAblehnungsrecht (§§ 1036 f. ZPO) ist an einzelne Schiedsrichter gedacht, dieaus Gründen, die gerade in ihrer Person liegen, als befangen erscheinen (BGHZ51, 255 [261] = NJW 1969, 750 = RKS A 4 a Nr. 7). Die Bestellung desSchiedsrichters durch das staatliche Gericht ist ausnahmsweise zulässig, wenninsoweit eine Parteivereinbarung fehlt (§ 1035) oder dieSchiedsvereinbarung einer Partei das Übergewicht bei der Zusammensetzungdes Schiedsgerichts gibt (§ 1034 ZPO); dabei wird aber naturgemäß eineSchiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) vorausgesetzt, die grundsätzlich auf eineStreitentscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Schiedsgerichtausgerichtet ist. Ist satzungsmäßig von vornherein nichtStreitentscheidung durch ein (wirkliches) Schiedsgericht, sondern bloßeVereins- oder Verbandsgerichtsbarkeit vorgezeichnet, scheidet die Anwendung der§§ 1025 ff. ZPO insgesamt aus (vgl. BGHZ 128, 93 [110] = NJW 1995, 583; Fenn inFestschrift f. Henckel S. 173 [189]).
Das imStreitfall zu beurteilende „Schiedsgericht” ist nicht als Schiedsgericht i.S.d.§§ 1025 ff. ZPO zu qualifizieren. Zwar hat es Streitigkeiten unter Ausschlußdes Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten zu entscheiden (§ 22 Nr. 1 derSatzung). Bereits seine dort an erster Stelle genannte Aufgabe, Streitigkeitenzwischen Mitgliedern von Vereinsorganen, „insbesondere über derenZuständigkeit” (§ 22 Nr. 1.1), zu entscheiden, spricht aber gegen ein „echtes”,rechtsprechend tätiges Schiedsgericht; solche Streitigkeiten zu erledigen isteine typische vereinsinterne Verwaltungsmaßnahme. Dem „Schiedsgericht”gibt die Satzung auch nicht ein allen Streitparteien gegenüber unparteiischesVerfahren auf, sondern sagt nur, daß der Obmann den Fortgang des Verfahrensnach pflichtgemäßem Ermessen bestimme (§ 22 Nr. 5) und „im Einzelfall” dieBeteiligten zu hören seien (§ 22 Nr. 7). In der Satzung ist ferner nichtniedergelegt, daß sich die Entscheidung des Schiedsgerichts an Recht und Gesetzoder zu-mindest am Grundsatz der Billigkeit (Schwab/Walter Kap. 19 Rd-Nr. 14f.)auszurichten habe.
Satzungsmäßigist nicht gewährleistet, daß das „Schiedsgericht” den Beteiligten als neutralerDritter gegenübersteht. Zwar ist die Mitgliedschaft im Vorstand mit der im„Schiedsgericht” unvereinbar (§ 22 Nr. 3). Die Streitbeteiligten können abernicht, was die Überparteilichkeit des „Schiedsgerichts” sicherte, paritätischEinfluß auf dessen Besetzung nehmen (vgl. BGHZ 128, 93 [109] = NJW 1995, 583; OLGFrankfurt a.M. NJW 1970, 2250 [2251]; Hilpert BayVBl. 1988, 161 [169]).Vielmehr geht die Bestellung des (durchweg aus Vereinsmitgliedern bestehenden)„Schiedsgerichts” einseitig von dem „beklagten” Verein aus. Die Mitglieder des„Schiedsgerichts” werden von der Mitgliederversammlung gewählt. Das einzelneVereinsmitglied hat demnach bei einer Streitigkeit mit dem Verein keinerechtlich gesicherte Möglichkeit, in gleichem Umfang wie dieser an derZusammensetzung des Schiedsgerichts mitzuwirken. Das Stimmrecht in derMitgliederversammlung bietet insoweit keinen gleichwertigen Ersatz. DieEntscheidung des „Schiedsgerichts” ist nicht zur Vollstreckung durch staatlicheInstanzen (BGH 128, 93 [109] a.a.O.), sondern durch den Vorstand bestimmt:Mitglieder, die sich nicht fügen, werden von der Mitgliederliste gestrichen (§22 Nr. 11, 12 der Satzung).