Recht und Steuern

A2 Nr.24 und Nr.27

A2 Nr.24 und Nr.27
§ 1035 Abs. 4 ZPO - Schiedsvertrag: Bestimmung des Obmanns durch einen Dritten; bei Weigerung Bestellung durch das Gericht?
Haben die Parteien vereinbart, daß mangels Einigung der Parteien ein Dritter den Vorsitzenden des Schiedsgerichts bindend benennen soll, und verweigert der Dritte die Benennung nur deshalb, weil eine Partei seine Kompetenz zur Benennung bestreitet, so hat - wegen des noch möglichen Erfolgs des Benennungsverfahrens - das ordentliche Gericht noch keinen Vorsitzenden zu bestimmen, sondern anzuordnen, daß die bestreitende Partei verpflichtet ist, der Benennung eines Vorsitzenden durch den Dritten zuzustimmen.
Für die Bestimmung eines Vorsitzenden durch das Gericht gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, denn der Dritte hat die Bestimmung noch nicht grundsätzlich und endgültig abgelehnt, sondern scheint noch zur Bestimmung bereit, falls der Antragsgegner pflichtgemäß zustimmt.
BayObLG Beschluß vom 13.5.2002 - 4 Z SchH 4/02; Betriebs-Berater 2002 S. 1392, NJW-RR 2002, 1437 = RKS A 2 Nr. 24 und A 2 Nr. 27
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin erhebt vertragliche Ansprüche aus einer in der Form einer GbR betriebenen ärztlichen Gemeinschaftspraxis. Lt. Schiedsvertrag vom 30.10.1993 besteht das Schiedsgericht aus drei Personen: je einem von jeder Partei zu benennenden Beisitzer und einem Vorsitzenden, hinsichtlich dessen der Schiedsvertrag besagt:
„§ 3 (1) Der Vorsitzende muß die Befähigung zum Richteramt haben und ist möglichst im Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien und den von ihnen benannten Beisitzern zu benennen. Er soll sowohl über prozessuale als auch arztrechtliche Kenntnisse verfügen.
(2) Kommt keine Einigung zu Stande, so soll der Vorsitzende des Schiedsgerichts auf Antrag einer Vertragspartei oder eines Beisitzers von einem ärztlichen Berufsverband wie z.B. dem Verband zur Förderung ärztlicher Kooperationsformen e.V. (VFK) oder vom Präsidenten des für den Sitz der Arztpraxis zuständigen LG benannt werden. Der Vorschlag des LG-Präsidenten bindet die Parteien unanfechtbar, wenn der Schiedsrichter die Berufung annimmt.”
Die Parteien haben je einen Beisitzer für das Schiedsgericht benannt. Eine einvernehmliche Benennung des Vorsitzenden ist gescheitert. Auf Bitte der Ag. benannte der VFK Herrn R. Die Ast. lehnte ihn ab. Die Ag. hielt die Benennung für bindend. Die Ast. erwiderte, nach § 3 (2) sei nur der Vorschlag des LG-Präsidenten bindend, und bat diesen mit Schreiben vom 29.1.2001 um Benennung des Vorsitzenden. Mit Schreiben vom 25.2. wiederholte die Ag. ihre Auffassung. Der LG-Präsident äußerte sich mit Schreiben vom 4.3. wie folgt:
„Aus dem Schreiben vom 25.2. nebst Anlagen ergibt sich, daß zwischen den Parteien offensichtlich keine Einigkeit darüber besteht, ob die Voraussetzungen für die Bestellung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts gem. § 3 (2) Schiedsvertrag vom 30.10.1993 durch den LG-Präsidenten vorliegen.... Ich bin in keiner Weise zu einer Bestellung rechtlich verpflichtet, weshalb ich auch in keine Prüfung eintreten werde, ob nach dem Schiedsvertrag die Voraussetzungen für die Bestellung des Vorsitzenden durch den LG-Präsidenten erfüllt sind. Ich werde mich mit der Angelegenheit erst wieder befassen, wenn beide Parteien die Voraussetzungen für die Bestellung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts durch mich als gegeben ansehen.”
Die Ast. beantragt die gerichtliche Bestellung eines Vorsitzenden gem. § 1035 Abs. 4 ZPO, hilfsweise die Anordnung, daß die Ag. gegenüber dem LG-Präsidenten zu erklären hat, daß sie die Voraussetzungen für die Bestellung des Schiedsgerichts-Vorsitzenden durch den LG-Präsidenten als erfüllt ansieht. Der Hilfsantrag hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
Der Hauptantrag der Ast., einen Vorsitzenden zu benennen, ist unbegründet, weil die Parteien in § 3 (2) des Schiedsvertrages bei fehlender Einigung eine die Parteien bindende Benennung des Vorsitzenden durch den LG-Präsidenten vorgesehen haben, die Ast. beim Präsidenten um diese Benennung nachgesucht hat und ein entsprechender Vorschlag des Präsidenten, der ein Tätigwerden in dieser Angelegenheit noch nicht endgültig abgelehnt hat, bei der gebotenen Zustimmung der Ag. zu dem von der Ast. eingeleiteten Bestellungsverfahren noch erwartet werden kann. Aus dem Schreiben des LG-Präsidenten vom 4.3.2002 ist ersichtlich, daß er gegenwärtig von der Benennung des Obmanns nur deshalb abgesehen hat, weil die Ag. im Hinblick auf die vermeintliche Bindungswirkung des Vorschlags des VFK nicht bereit war, eine bindende Vorschlagskompetenz des LG-Präsidenten anzuerkennen.
Die Ag. ist auf Grund der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen verpflichtet, einen Vorschlag des LG-Präsidenten zu akzeptieren. Nach der von den Parteien in § 3 (2) getroffenen Regelung soll bei fehlender Einigung der Vorsitzende des Schiedsgerichts auf Antrag einer Vertragspartei oder eines Beisitzers von einem auf diese Dinge spezialisierten ärztlichen Berufsverband oder vom Präsidenten des für den Sitz der Arztpraxis zuständigen LG benannt werden. Da das Antragsrecht auf Benennung des Obmanns durch einen Dritten jeder Vertragspartei zusteht, ist es möglich, daß von den Parteien unterschiedliche Berufsverbände - der VFK ist nur beispielhaft aufgeführt - oder, wie hier geschehen, neben einem Berufsverband auch der zuständige LG-Präsident um eine Benennung gebeten werden. Für diesen Fall macht es Sinn, daß lt. § 3 (2) nur der Vorschlag des LG-Präsidenten, wenn der vorgeschlagene Schiedsrichter die Berufung annimmt, die Parteien unanfechtbar bindet. Denn die Parteien können unterschiedliche ärztliche Berufsverbände anrufen, bei denen offen ist, welchem Vorschlag dann auf Grund welcher Kriterien ein Vorzug einzuräumen ist, und weil der an arztberuflichen Konfliktsituationen in aller Regel nicht beteiligte LG-Präsident eine besonders neutrale Stellung innehat.
Der Hilfsantrag ist begründet. Nach § 3 (2) Schiedsvertrag ist die Ag. verpflichtet, das von der Ast. beim LG-Präsidenten beantragte Bestellungsverfahren zu akzeptieren und sich dessen Vorschlag zu unterwerfen. Ein weiteres Bestreiten der Vorschlagskompetenz des LG-Präsidenten durch die Ag. hätte zur Folge, daß dieser eine Mitwirkung weiterhin ablehnt. Die Ag. würde damit vertragswidrig den Erfolg des vereinbarten Bestellungsverfahrens vereiteln. Als „erforderliche Maßnahme” i.S.d.§ 1035 Abs. 4 ZPO war daher anzuordnen, daß die Ag. verpflichtet ist, der Benennung eines Vorsitzenden durch den LG-Präsidenten zuzustimmen.