Recht und Steuern

A 2 Nr. 61

A 2 Nr. 61 § 1038 Abs. 1 ZPO - Gerichtliche Beendigung des Schiedsrichteramtes nach „unangemessener“ Verzögerung
Wenn der Schiedsrichter einen konkreten, nachvollziehbaren, bei Amtsübernahme so noch nicht absehbaren Grund für das zeitweilige Nichtbetreiben seines Amtes nennt, und wenn dieser Zeitraum im Vergleich zu den in der Vergangenheit aufgetretenen, auch von den Parteien oder jedenfalls nicht vom Schiedsrichter verursachten Verzögerungen nicht unverhältnismäßig ist, erscheint die angemessene Frist i.S.d. § 1038 Abs.1 ZPO noch nicht überschritten.
OLG Dresden Beschl. v. 3.11.2010 – 23 UF 500/10 MDR 2011, 566 = RKS A 2 Nr. 61
Aus den Gründen:
Der Antrag ist unbegründet. Die Beendigung des Schiedsrichteramtes kann gem. § 1038 Abs. 1 ZPO ausgesprochen werden, wenn der Schiedsrichter entweder rechtlich oder tatsächlich außer Stande ist, seine Aufgaben zu erfüllen, oder er aus anderen Gründen seinen Aufgaben in angemessener Frist nicht nachkommt. Für eine rechtliche oder tatsächliche Unfähigkeit, das Schiedsverfahren durchzuführen, gibt es keine Anhaltspunkte. Der Schiedsrichter hat das Verfahren unverzüglich aufgenommen. Voraussetzung für den Ausspruch der Beendigung des Schiedsrichteramtes ist somit, dass der Schiedsrichter das Verfahren ungebührlich verzögert hat.
Die Frage, ob der Schiedsrichter seinen Aufgaben binnen angemessener Zeit nachkommt, ist nach der Zumutbarkeit weiteren Abwartens zu beurteilen, Das Schiedsgerichtsverfahren soll den Parteien dienen. Wird es derart verzögert, dass ihnen Nachteile entstehen, die bei der Verhandlung vor den staatlichen Gerichten fehlen würden, greift § 1038 Abs. 1 ZPO ein (OLG Düsseldorf 8.7.2008 – 4 Sch 4/08 juris; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap.10 Rz. 32). Es stehen aber nur offensichtlicher Missbrauch und Ausreißer einer Zumutbarkeit weiteren Abwartens entgegen (OLG  Düsseldorf aaO.).Allerdings verbinden die Parteien mit der Vereinbarung eines Schiedsgerichts meist die Erwartung eines zügigeren Prozessierens als beim staatlichen Gericht. Andererseits können beim Verfahren vor dem staatlichen Gericht mehrere Instanzen mit der Sache befasst sein (vgl. OLG Düsseldorf aaO.; Münch in MünchKomm/ZPO 3. Aufl. § 38 Rz. 19). Entsprechend stehen im Schiedsverfahren grundsätzlich auch keine Korrekturmöglichkeiten durch eine höhere Instanz zur Verfügung. Staatlichen Gerichten wird aber durch § 1038 Abs. 1 ZPO nicht die Möglichkeit eröffnet den Struktur- und Zeitplan eines Schiedsgerichts mit eigenen Vorstellungen auszufüllen. Der Anwendungsbereich der gerichtlichen Entscheidung ist deshalb auf  Ausnahmefälle beschränkt (Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rz. 1128).
Eine Frist zur Stellung des Antrags ist nicht vorgesehen. Es ist auch selten möglich, einen genauen Zeitpunkt für den Fristbeginn zu fixieren. Wird aber mit dem Antrag zu lange zugewartet, kann er unbegründet werden, wenn der Hinderungsgrund oder die Pflichtvergessenheit inzwischen behoben ist, der Schiedsrichter also wieder ordentlich  gearbeitet hat (Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. $ 1038 Rz. 5; Lachmann Rz. 1135). In Korrelation zu setzen ist auch die gesamte Verfahrensdauer und die Schwierigkeit des Falles mit einer während des Verfahrens aufgetretenen Verzögerung. Das bisherige procedere enthält bis zum November 2009 (Ablauf einer Frist zur Stellungnahme) keine größeren, durch bloßes Nichthandeln des Schiedsrichters verursachten Unterbrechungen oder Stillstände. Für die Leitung der Sachverständigentätigkeit gemäß der insoweit (mit-)vereinbarten Bestimmung des § 404a ZPO hat das (Schieds-)Gericht einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum, namentlich dazu, wann, in welcher Form und mit welchen Maßnahmen der Sachverständige zur Erstellung des Gutachtens anzuhalten ist. Eine Bewertung, ob die jeweils ergriffenen schiedsrichterlichen Maßnahmen zur Beschleunigung geeignet und ausreichend waren, kann an dieser Stelle vom staatlichen Gericht nicht getroffen werden. Dabei wird die erhebliche Zeitdauer für die Gutachtenerstellung vom Mai 2003 bis Januar 2008 zwar nicht außer Betracht gelassen; es sind aber auch die (objektiven) Verzögerungen zu berücksichtigen, die aus der Sphäre der Parteien stammen, so insbesondere auf Schiedsklägerseite die lange Dauer für eine Stellungnahme zu einer (excel-)Tabelle der Gegenseite (Nov. 2004 bis Juni 2006) und auf Schiedsbeklagtenseite der Umstand, dass erst am 13.6.2007 eine Besichtigung der Kanzleiräume stattfinden konnte. Die Schiedskl. hat in dieser Phase auch keinen Anlass gesehen, die Beendigung des Schiedsrichteramtes anzutragen, sondern hat jeweils Stellungnahmen abgegeben, Anträge gestellt und sich am Verfahren beteiligt, auch selbst – wie genannt – erhebliche Fristverlängerungen erwirkt.
Eine größere – und durchaus deutliche, aus den objektiven Verfahrensumständen nicht erklärbare – Lücke in der schiedsrichterlichen Bearbeitung hat sich schwerpunktmäßig in der ersten Hälfte des Jahres 2010 ergeben. Soweit der Schiedsrichter nunmehr – nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gem. § 1038 ZPO – Anstalten zur Fortsetzung des Schiedsverfahrens getroffen und eine Entscheidung angekündigt hat, ist zwar die  Ernsthaftigkeit dieser Ankündigung zu prüfen. Allein die Behauptung des Schiedsrichters, Verzögerungen seien künftig ausgeschlossen, sind im Regelfall unerheblich (vgl.z.B. Musielak/Voit ZPO 7.Aufl. § 1038 Rz. 6). Indessen hat der Schiedsrichter einen konkreten und nachvollziehbaren, in der Kanzleiumstrukturierung liegenden Grund für das zeitweilige Nichtbetreiben genannt, der bei Übernahme des Amtes so noch nicht absehbar war. Der in Frage stehende Zeitraum ist in Relation zu setzen zu den in der Vergangenheit aufgetretenen, teils auch von den Parteien und jedenfalls nicht vom Schiedsrichter verursachten Verzögerungen. Unter diesem Blickwinkel erscheint die angemessene Frist, die § 1038 Abs. 1 ZPO zum Maßstab nimmt, noch nicht überschritten.