Recht und Steuern

M4 Nr.11

M4 Nr.11
§§ 279, 286,326 BGB Schiffscharter auf Basis TBN. STEM-Vorbehalt. Laycan. Extensionskostenals Verzugsschaden. Angemessene Nachfrist, eindeutige Ablehnungsandrohung undErfüllungsverweigerung
Der Reeder, der ein Schiff auf Basis TBN verchartert hat, muss demCharterer termingerecht das Schiff benennen und dessen Ladebereitschaftanzeigen. Gerät er mit dieser Verpflichtung in Verzug, so muss er dem Charterergemäß § 286 BGB den dadurch verursachten Schaden ersetzen. Dieser umfasstdie sog. Extensions­kosten, d.h. die Kosten, die der Charterer dem Verkäuferseiner Ladung zahlen muss, um einen entsprechenden Aufschub für die Abnahme derWare zu erreichen, falls die Einigung über die Höhe dieser Kosten zwischenCharterer und Verkäufer erst nach Eintritt des Verzuges zustande kommt.
Die gemäß § 326 Abs. 1 BGB zu setzende Frist muss angemessen, dieAblehnungs­androhung eindeutig sein. Eine Frist von zwei Stunden ist zu kurz,wenn dem Charterer für die Abnahme noch ein Zeitraum von elf Tagen zurVerfügung steht und der Reeder sich im bisherigen Einvernehmen mit demCharterer weiter um vertragsgemäßen Schiffs­raum bemüht.
Bucht der Charterer vor Ablauf der angemessenen Frist ein anderes Schiff,so verweigert er die Erfüllung des Chartervertrages. Ein Schadens­ersatzanspruchwegen Nicht­erfüllung steht ihm dann nicht zu. Dies gilt nicht, wenn der Reederzuvor seinerseits die Erfüllung eindeutig und endgültig abgelehnt hat.
Schiedsgerichtgemäß der Schiedsgerichtsordnung der German Maritime Arbitration Association
Schiedsspruchvom 10. 11. 1999, RKS M 4 Nr. 11 = Hamburger Seerechts-Report 2000 S. 140und 2003 S. 207
Aus demSachverhalt:
Ein Chartererhatte 3.000 t griechischen Weizen fob auf der Grundlage des GAFTA-Standard­formularsNr. 64 erworben und mit einem Reeder einen Chartervertrag geschlossen, den derMakler mit Telefax vom 5.8. bestätigte:
„Confirmhaving agreed so far as follows:
Sub stem to belifted by tomorrow morning local time
Tonnage to benominated by ..... [shipowner] - singledecker, suitable for grab discharge, max20 yrs, steelfloored, gus flag tonnage allowed for 3000 mts 6 pct moloo wheatbulk Salonica/Mannheim, one good loadingberth always afloat/always accessible
laycan 20/29Aug 1997, frt-rat DM 41.50 per int mton fiot
owners to give7/5/3 days notice for loadreadiness at Salonica”.
Am folgendenTage hob der Charterer den stem-Vorbehalt auf. Am 21.8. forderte derCharterer den Reeder auf, ein Schiff zu nominieren. Einen Tag später machte derCharterer von seinem Recht unter dem Kauf­vertrag Gebrauch, hinsichtlich derVerschiffung eine Extension von 21 Tagen in Anspruch zu nehmen. Dies lehnte derVerkäufer am 25.8. zunächst ab. Hiervon machte der Charterer dem Reeder amselben Tag Mitteilung, außerdem hielt er den Reeder für eventuelle Kosten fürden Fall verant­wortlich, dass das Schiff nicht vereinbarungs­gemäß bis zum29.8. vorgelegt werden sollte. Ebenfalls noch am 25.8. erklärte der Reeder,dass er noch kein passendes Schiff zur Vorlage innerhalb des laycan gefundenhabe, und bat um Verlängerung des laycan bis zum 8.9.
Am26.8.nominierte der Reeder „pro forma” unter dem Frachtvertrag gegenüber demCharterer MS „P” mit laycan 27.8. bis 8.9. und bat erneut um Verlängerungdes laycan. Außerdem erklärte der Reeder, dass er alles Mögliche unternehmenwerde, um bei dem bestehenden Problem Abhilfe zu schaffen. Mit Telefax vom27.8. nominierte der Reeder erneut MS „P” und wies darauf hin, dass es sich nurum eine pro-forma-Nominierung handle, die dem Charterer ermöglichen solle, sichgegenüber dem Verkäufer zu äußern. Noch am selben Tage erwiderte der Charterer,dass eine Extension entsprechend der Nominierung nur zu einem Auf­preis möglichwäre, und bat den Reeder um Zustimmung. Am 28.8. vereinbarte der Charterer mitseinem Verkäufer unter dem Kauf­vertrag eine Verlängerung des Verschiffungs­zeitraumsbis zum 21.9. zu einem Aufpreis im Hinblick auf die zusätz­lichen Kosten fürLagerung, Zinsen, Versicherung etc.
Wegen derVerschiffung kam es zwischen dem Charterer und seinem Verkäufer zu Streitigkeiten,die durch ein GAFTA-Schieds­gericht entschieden wurden. In dem Schieds­spruchwurde unter anderem die Berechtigung des Aufpreis­anspruchs des Verkäufersbestätigt, der vom Charterer erfüllt wurde.
Am 5.9. gabder Reeder die in der Charter vorgesehene 5-Tages-Notiz für die Andienung derMS „P”. Am 9.9. teilte der Charterer dem Reeder mit, dass er, der Charterer,nun­mehr erfahren habe, dass MS „P” nicht mehr verfügbar sei, und forderte denReeder auf, mit Hochdruck an der Sache zu arbeiten. Am selben Tag antworteteder Reeder, dass er bisher weder in der Lage gewesen sei, ein Schiff für denAbschluss in Position zu bringen, noch ein Schiff auf dem freien Markt zuerlangen. Er erklärte, es mangele nicht am guten Willen, doch es gebe keineLadungen mit der gewünschten Schiffsgröße. Abschließend versicherte der Reeder,alles Menschen­mögliche zu tun, um so schnell wie möglich ein Schiffvorzulegen.
Am 10.9.erklärte der Charterer, dass er MS „E” kurzfristig an der Hand habe, und bat umschnelle Bestätigung, dass er den Dampfer im Namen des Reeders und auf seineKosten chartern solle. Der Reeder machte geltend, dass bisher noch nicht alleMöglich­keiten ausgeschöpft worden seien. Außerdem sei er bereit, sich an dencharter­gebundenen Mehr­kosten zu beteiligen. Noch am 10.9., so behauptete derCharterer, habe er dem Reeder ein zweistündiges Ultimatum gesetzt, um MS „E” imeigenen Namen zu buchen. Dies geschah nicht. Später am selben Tage buchte derCharterer MS „E” im eigenen Namen. Die Andienung der „E” durch den Charterererfolgte am 18.9.
Vor demSchiedsgericht verlangt der Charterer vom Reeder Ersatz der dem Verkäufer durchden GAFTA-Schieds­spruch zugesprochenen Extensionskosten sowie der Mehrkostender Ersatz­beförderung gegenüber der mit dem Reeder vereinbarten Fracht. DasSchieds­gericht sprach die Extensionskosten zu (1.) und wies die Klagebezüglich der Mehr­kosten ab (2.).
Aus denGründen:
1. DerCharterer kann vom Reeder nach § 286 BGB die Erstattung der Extensions­kostenals Verzugs­schaden verlangen. Zwischen den Parteien ist nach Aufhebung desstem-Vorbehalts durch den Charterer ein wirksamer Frachtvertrag mit laycan20.-29.8. zustande gekommen. Der Verzugsschaden des Charterers ist am 28.8.eingetreten, als er unter dem Kaufvertrag mit seinem Verkäufer eineFristverlängerung für die Abnahme der Ware bis zum 21.9. gegen einen Aufpreisvereinbarte. Zu diesem Zeit­punkt war der Reeder mit seinen Verpflichtungenunter dem Frachtvertrag in Verzug.
Nach derCharter musste der Reeder Notizen für die voraussichtliche Ladebereitschaft desSchiffes jeweils 7, 5 oder 3 Tage vor der tatsächlichen Ladebereitschaftabgeben. Das laycan endete am 29.8. Die Verpflichtungen zur Abgabe der Notizenwaren spätestens mit Ablauf des 22., 24. und 27.8. fällig. Der Charterer mahntemit Schreiben vom 25.8. die Erfüllung der Verpflichtung zur Abgabe der Notizenan. Die im beider­seitigen Einver­ständnis nur pro forma abgegebene Nominierungder „P” erfolgte für ein laycan 27.8. bis 8.9., das außerhalb des in derCharter vereinbarten laycan 20. bis 29.8. lag. Eine Einigung über dieVerschiebung des laycan kam nicht zustande; der Charterer war dazu nur beiÜbernahme der ihm seitens seines Verkäufers entstehenden Extensions­kostenbereit. Eine Zustimmung zu dieser Bedingung hat der Reeder nicht gegeben.
Der Fracht­abschlusserfolgte auf Basis TBN. Es oblag daher dem Reeder, die vereinbarte Gattungs­schulddurch Nominierung eines bestimmten Schiffes auf dieses Schiff zukonkretisieren. Keine der Parteien hat behauptet, dass während des fraglichenZeit­raums im Mittel­meer überhaupt keine Schiffstonnage für die imFrachtvertrag bezeichnete Ladung zur Verfügung gestanden habe. Der Reeder hatdaher das Ausbleiben der Nominierung und der vertraglich bestimmten Notizen fürdie voraussichtliche Ladebereitschaft zu vertreten (§ 279 BGB).
Die Entstehungder Extensionskosten zu Lasten des Charterers unter dem Kaufvertrag wurde auchdurch die Verzögerung bei der Nominierung eines Schiffes unter demFrachtvertrag verursacht. Zwar hat der Charterer von seiner Befugnis zurVerlängerung des Verschiffungszeitraums unter dem Kaufvertrag möglicherweisevor Fälligkeit Gebrauch gemacht. Jedenfalls über die Höhe der Extensionskostenunter dem Kauf­vertrag aber ist zwischen dem Charterer und seinem Verkäufererst am 28.8., also nach Eintritt von Fälligkeit und Verzug, eine Einigungerzielt worden.
2. DieMehrkosten für die Beförderung der Ersatz­lieferung stehen dem Charterer nichtzu. Er hat MS „E” am 10.9. gebucht. Zu diesem Zeitpunkt war der Reeder mitseinen Verpflichtungen zur Schiffsnominierung und Ladebereitschaftsanzeige inVerzug. Auf Leistungs­störungen im Frachtrecht sind die allgemeinenVorschriften des BGB über Verzug und Unmöglichkeit anzuwenden. Dementsprechendberuft sich der Reeder auf § 326 BGB. Es fehlt indes an einer Frist­setzung mitAblehnungs­androhung. Diese war nach Sachlage auch nicht ausnahmsweiseentbehrlich.
Dievorgelegten Schriftstücke, insbesondere die am 10.9. gewechselte Korrespondenz,enthalten eine ausdrückliche Fristsetzung mit Ablehnungs­androhung i.S.d. § 326BGB hinsichtlich der damals fälligen Leistungspflichten des Reeders – Schiffs­nominierungund Anzeige der voraus­sichtlichen Lade­bereitschaft - nicht. Insbesondereenthält das Telefax des Charterers eine solche nicht: der dort enthaltenenAufforderung, „bitten um schnelle Bestätigung, dass wir den Dampfer in IhremNamen und auf Ihre Kosten chartern sollen” sind die Wesensmerkmale der nach §326 BGB geforderten Fristsetzung mit Ablehnungs­androhung nicht zu entnehmen.Eine Frist ist nicht genannt; ebenso wenig wird dem Reeder alsErklärungsempfänger unmiss­verständlich bedeutet, dass der Charterer für denFall, dass der Reeder der genannten Aufforderung nicht nachkomme, diezukünftige Erfüllung des Frachtvertrages durch den Reeder endgültig ablehnenwerde.
Auch das vomCharterer behauptete mündlich gestellte Ultimatum für die Buchung der „E” durchden Reeder erfüllt nicht die Voraus­setzungen des § 326 BGB. Die Frist von zweiStunden war unangemessen kurz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass demCharterer, nachdem er seinem Verkäufer gegenüber die 21-Tage-Extension inAnspruch genommen hatte, für die Vorlage des Schiffes zur Abnahme der Ware einneues laycan unter dem Kaufvertrag vom 17. bis 21. 9 zur Verfügung stand. Auchwenn der Reeder in Verzug war, war angesichts des dem Charterer noch zurVerfügung stehenden Zeitraums von 11 Tagen eine Verkürzung der gesetzlichenFrist nach § 326 BGB auf nur zwei Stunden unangemessen. Dies gilt umso mehr,als der Reeder mehrfach, zuletzt am 9. und 10.9., erklärt hatte, sich intensivum Schiffsraum zu bemühen. Zwar ist die Setzung einer zu kurzen Frist nichtrechtlich unwirksam, sondern setzt eine angemessene Frist in Gang. Angemessen wäre ein Zeitraum von einem Werktag gewesen. Diesen hat derCharterer indes nicht abgewartet und statt dessen noch am 10.9. MS „E” selbstgebucht. Damit hat er seinerseits die Erfüllung des mit dem Reederabgeschlossenen Frachtvertrages endgültig verweigert.
Außerdem hatder Charterer in der vorausgegangenen Korrespondenz an keiner Stelleangedeutet, dass sein Interesse an der Erfüllung des Frachtvertrages durch denReeder trotz fruchtlosen Verstreichens des ursprünglichen laycan vom 20. bis29.8. weggefallen sei (§ 326 Abs. 2 BGB). Im Gegenteil hat der Charterer denReeder mehrfach und nachdrücklich zur Erfüllung des Vertrages gemahnt.
Der Chartererhat auch nach Ablauf des unter dem Frachtvertrag vereinbarten und nichteinvernehmlich verlängerten laycan vom 20. bis 29.8. die Vertragserfüllung eingefordertund damit sein fortdauerndes Interesse an der Vertragserfüllung durch denReeder bekundet. Damit kann der Charterer heute nicht mehr mit dem Einwandgehört werden, sein Interesse an der Erfüllung des Frachtvertrages durch denReeder sei bereits mit Ablauf jenes laycan erloschen (§ 326 Abs. 2 BGB). Biszum 10.9. hat der Charterer den Reeder mehrfach zur Erfüllung desFrachtvertrages angehalten. Von dieser Haltung wollte der Charterer erst am10.9. abrücken. Diesen Sinneswandel hat er nicht mit der vom Gesetz gefordertenDeutlichkeit und Fristsetzung gegenüber dem Reeder erklärt. Aus seiner Sichtwurde dies erst offenkundig, als der Charterer am 10.9. definitiv erklärte,dass er nunmehr MS „E” für die beabsichtigte Reise buchen werde, so dass eine zukünftigeErfüllung des Frachtvertrages durch den Reeder überflüssig und unmöglichgeworden sei.
Die nach § 326Abs. 1 BGB erforderliche Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist auch nicht deshalbentbehrlich geworden, weil der Reeder die Erfüllung des Fracht­vertragesabgelehnt habe. Eine solche Ablehnung lässt sich der Korrespondenz nichtentnehmen. So hat der Reeder noch am 10.9. erklärt, dass „... noch nicht alleMöglichkeiten ausgeschöpft wurden”. Der Charterer hat auch nicht behauptet,dass der Reeder am 10.9. mündlich die Erfüllung des Frachtvertrages abgelehnthabe. Vielmehr hat sich der Reeder nach Kräften um ein Schiff bemüht und - etwadurch die pro-forma-Nominierung der MS „P” - mit dem Charterer gemeinsam an derLösung des Problems gearbeitet. Sein Verhalten lässt nicht den Schluss zu, derReeder habe die Erfüllung des Frachtvertrages von sich aus abgelehnt.