Recht und Steuern

M 4 Nr. 16

M4 Nr. 16
§§ 570, 585 HGB - Chartervertrag, Ladebereitschaft:Feststellung durch Sachverständigen, Kosten; vorzeitige Abfahrt des Schiffes,Fehlfracht
Der Charterer hateinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Reeder, wenn dessen Schiff denLadehafen verläßt, bevor die nach ungenutztem Ablauf der Ladefrist von ihmgemäß § 570 Abs. 2 HGB zu setzende dreitägige Nachfrist abgelaufen ist. Ausdemselben Grund hat der Reeder keinen Anspruch auf Fehlfracht.
Der Schaden desCharterers ist die Differenz zwischen der mit dem Reeder vereinbarten und derfür das Ersatzschiff aufgewendeten Fracht.
Der Charterer hatkeinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die zwecks Feststellung der Ladebereitschaft durchgeführte Besichtigung desLaderaums, wenn der Surveyor sich angesichts einer konkreten diesbezüglichenMeinungsverschiedenheit mit dem Reeder (hier: über die Abriebfestigkeit derLaderaumfarbe und deren mögliche gesundheitsschädliche Wirkung auf das zuladende Getreide) auf die allgemeine Aussage beschränkt, das Schiff sei nichtladebereit.
Die unzureichendeKooperation des Charterers und seines Surveyors mit dem Reeder hinsichtlich derFeststellung der Ladebereitschaft entbindet diesen nicht von seinerObliegenheit zur Fristsetzung und ordnungsmäßigen Kündigung desChartervertrags.
Schiedsgericht der German Maritime Arbitration Association(GMAA)
Schiedsspruch vom 19.5.2005; Hamburger Seerechts-Report 2005S. 139 = RKS M 4 Nr. 16
Aus dem Sachverhalt:
MS „A” war auf der Grundlage einesSynacomex-90-Standardformulars für eine Reise von Wolgast nach Portugal(voraussichtlich Lissabon) mit 4.000 t Getreide - 10% mehr oder weniger in derWahl des Charterers - zu 17,75 Euro/tverchartert worden. Der Charterer hatte unter der Voraussetzung, daß MS „A” am29.8.2003 um 6 Uhr ladebereit sei, garantiert, daß das Schiff bis spätestens 24Uhr am 30.8. beladen sein werde. In Klausel 8 der Charter hieß es u.a.:
Atloading port Shippers/Charterers ortheir Agents have the privilege to inspect the
vessel–s holds and reject the noticewhen holds are not clean, dry and odourless
and in all respects ready to receivethe cargo.
In case of dispute, an independentsurveyor shall decide about vessels–s readiness to load,
Owners bearing the costs. If therejection of notice of readiness is undisputed or confirmed
by the surveyor the laytime willonly start to count after the vessel has validity tendered
again when ready.
MS „A” traf am 28.8.2003 gegen 13 Uhr im Hafen Wolgast ein.Die Schiffsleitung zeigte über den Klarierungsmakler des Schiffes um 13.10 Uhrdie Ladebereitschaft an. Die im Frachtvertrag vorgesehene Ladungskontrolle fandin der Zeit von 13.15 bis 13.45 Uhr statt. Der Surveyor stellte fest, daß derLaderaum ca. 10 Tage vorher gestrichen worden war. Der Laderaum sei zwartrocken und geruchsfrei, die Farbe aber nicht abriebfest. Auf Grund dieserTatsache wurde das Schiff nicht zur Beladung akzeptiert und dieLadebereitschaftsnotiz zurückgewiesen. Im Auftrage des Reeders erfolgte eineeine weitere Besichtigung. Dessen Surveyor stellte fest, daß der Farbabriebunerheblich sei und nach seiner Auffassung zu keinem Ladungsschaden führenwerde. Nach einer weiteren Reinigung des Laderaums kontrollierte der Surveyordes Charterers den Laderaum erneut. Er verweigerte weiterhin die Anerkennungder
GMAA 19.5.2005 S. 2
Ladebereitschaft des Schiffes. Am 31.8. wurde für den Reedereine weitere Besichtigung durchgeführt mit dem Ergebnis, daß das Schiffladebereit sei. Bei dieser Gelegenheit wurde eine Probe der Laderaumfarbegezogen. Nach einer weiteren Besichtigung am 1.9. durch den Charterer wurde dieLadebereitschaft wiederum abgelehnt. Der Reeder verlangte nunmehr eineumgehende Beladung des Schiffes und drohte anderenfalls mit Versegeln der MS”A”.Dagegen verlangte der Charterer eine uneingeschränkte Garantie für irgendwelcheLadungsschäden. Beide Forderungen wurden von der jeweils anderen Parteiabgelehnt. Noch am 1.9. um 18.50 Uhr ordnete der Reeder den Abgang der MS„A”für 23.30 Uhr an. In der Folge charterte der Charterer MS”L” zu 20,50 Euro/t.Diese übernahm 3.789,269 t.
Der Charterer leitete gegen den Reeder der MS”A” einSchiedsverfahren ein und verlangte 11.000,47 Euro wegen der für dieVerschiffung der Ladung mit MS”L” aufgewendeten Mehrfracht sowie der für denLaderaumbesichtiger angefallenen Mehrkosten. Der Reeder der MS”A” erhobWiderklage in Höhe von 45.916,67 Euro Fehlfracht wegen Nichterfüllung desFrachtvertrages sowie Überliegegeld für die vergebliche Wartezeit von derAnkunft bis zum Abgang des Schiffes in Wolgast. Das Schiedsgericht sprtach demCharterer die Mehrfracht in vollem Umfang zu, ebenso den vom Reeder erhobenenAnspruch auf Überliegegeld in Höhe von 6.333,33 Euro. Im übrigen wies dasSchiedsgericht die Schiedsklage und die Widerklage ab.
Das Schiedsgericht ließ die Probe der Laderaumfarbe voneinem Sachverständigen untersuchen. Dabei ergab sich, daß ein eventuellerAbrieb der Laderaumfarbe zu keiner Zeit die Ladung beschädigt hätte. Die Farbeselbst sei für den Anstrich des Laderaums geeignet gewesen. Sie sei beiordnungsgemäßer Durchhärtung nicht gesundheitsschädlich für Mensch und Tier.
Aus den Gründen:
Der Anspruch des Charterers auf Schadensersatz fürFrachtmehraufwendungen ist berechtigt. Der Charterer hat den Frachtvertrag zukeinem Zeitpunkt gekündigt, sondern immer wieder deutlich gemacht, daß er trotzRüge mangelnder Ladebereitschaft an der Erfüllung des Frachtvertragesfesthalte.
Der Reeder hätte dem Schiff keine Segelorder erteilendürfen. Der Frachtvertrag sah keine bestimmte Überliegezeit vor. Der Reederhätte gemäß § 570 Abs. 2 HGB nach Ablauf der Ladezeit gegenüber dem Charterererklären müssen, daß er sich nach Ablauf von drei Tagen nicht mehr an den Frachtvertrag gebunden fühle. Einederartige Erklärung wurde seitens des Reeders erstmals am 1.9. um 18.50 Uhrabgegeben. Die dann beginnende Wartefrist nach § 570 Abs. 2 HGB hat der Reedernicht eingehalten. Etwaige Schäden bzw. Zeitverluste hätte er späterreklamieren können.
Der Charterer hat keinen Anspruch auf Ersatz derBesichtigungskosten. Dieser Mehraufwand ist letztlich darauf zurückzuführen,daß der Laderaumbesichtiger des Charterers offensichtlich mit der Situationüberfordert war und seine Vorgesetzten ihm nicht die in diesem Fall notwendigeUnterstützung zuteil werden ließen. Die mehr oder weniger stereotypeFeststellung, daß das Schiff nicht ladebereit sei, konnte das Problem nichtlösen, obgleich der Reeder sich alle Mühe gegeben hat, um den nichtausgesprochenen Wünschen des Laderauminspektors zu entsprechen.
GMAA 19.5.2005 S. 3
Dem Reeder steht ein Schadensersatzanspruch für nutzlosaufgewendete Wartezeit zu, welche anhand des im Frachtvertrag festgesetztenÜberliegegeldes zu errechnen ist. Die abschließende Besichtigung fand am 31.8.zwischen 9 und 10 Uhr statt mit dem Ergebnis, daß das Schiff ladebereit war.Die im Frachtvertrag vereinbarte Ladezeit endete am 30.8.um 24 Uhr. Das Schiffist von Wolgast am 1.9. um 23.30 Uhr versegelt. Mithin ergibt sich einVerzögerungsschaden (detention) für 1 Tag, 23 Stunden und 30 Minuten. Auf Basisdes vereinbarten Überliegegeldes errechnet sich ein Gesamtbetrag von 6.333,33Euro.
Ein Anspruch auf Fehlfracht nach § 585 HGB besteht nicht.Der Reeder hat dem Charterer keine ausreichende Frist für die Beladung desSchiffes gestellt, d.h. gemäß § 570 Abs. 2 HGB eine Frist von drei Tagen.Dieses Versäumnis muß er sich zurechnen lassen. Der Fehlfrachtanspruch istdamit verwirkt.
Es ist zwar durchaus verständlich, wenn der Reeder für sicherheblichen wirtschaftlichen Schaden befürchtete, weil sich der Charterer sehrunkooperativ verhielt. Es entbindet den Reeder jedoch nicht von der Pflicht zurFristsetzung und ordnungsmäßigen Kündigung des Frachtvertrages. Allein dieEnttäuschung über die bisherige Haltung des Charterers, die Annahme, daß sichan seiner Einstellung bezüglich der Ladebereitschaft der MS”A” auch in derFolgezeit nichts ändern werde, und die Befürchtung weiterer wirtschaftlicherSchäden begründen keinen Fehlfrachtanspruch nach § 585 HGB. Der Reeder war nochsehr weit von der sog. „Opfergrenze” entfernt, zumal er auch, wenn sich dieSituation bis zum Ablauf der Drei-Tage-Frist nicht geändert hätte, seineAnsprüche gegen den Charterer durchaus hätte geltend machen können.