Recht und Steuern

M4 Nr.12

M4 Nr.12
§§ 254, 284ff., 326 BGB Formstrenge im Chartergeschäft: Fristsetzung, Ablehnungsandrohung. Deckungsgeschäft, Schadensminderungspflicht. Klausel „within 24 office hours”
Die Frist „shippers approval of vessel within 24 office hours after nomination” in einem Chartervertrag schließt nur übliche Bürozeiten, nicht aber Nachtzeiten, Wochenenden oder Feiertage ein. Daher kann z.B. eine vom Reeder am Freitag um 15.35 Uhr erklärte Schiffs­nominierung vom Charterer noch am Montag um 17.03 Uhr frist­gerecht bestätigt werden.
Die gemäß § 326 Abs. 1 BGB erforderliche Nach­frist­setzung mit Ablehnungs­androhung muss die eindeutige Erklärung enthalten, dass die bestimmte Leistung, mit der der Reeder in Verzug ist, bis zum einem bestimmten, angemessenen Zeitpunkt nachgeholt werden muss. Die Forderung, die Leistung „in due time” zu erbringen, genügt nicht. Eine Nachfristsetzung vor Verzugseintritt ist unwirksam.
Die Nachfristsetzung ist nur entbehrlich, wenn der Reeder eindeutig erklärt hat oder wenn auf Grund anderer Umstände eindeutig feststeht, dass er auch innerhalb einer angemessenen Nachfrist nicht leisten wird, so dass die Nachfristsetzung eine sinn- und zwecklose Formalität wäre.
Die Kosten eines Deckungsgeschäftes sind nicht als Verzugsschaden gemäß § 286 BGB, sondern allein als Nichterfüllungsschaden gemäß § 326 BGB ersatzfähig. Unabhängig davon kann der Charterer sie nur ausnahmsweise auf Grund seiner Schadens­minderungs­pflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB verlangen, wenn der infolge der Verzögerung drohende Schaden größer wäre als die Kosten des Deckungs­geschäfts.
Schiedsgericht gemäß der Schiedsgerichtsordnung der German Maritime Arbitration Association
Schiedsspruch vom 11. 7. 2000, RKS M 4 Nr. 12 = Hamburger Seerechts-Report 2000 S. 143
Aus dem Sachverhalt:
Der Reeder und der Charterer schlossen einen Vertrag, den der Reeder am 12.11. bestätigte:
„Pleased to confirm having fixed so far as follows:
Sub stem/shippers/ receivers approval latest 26 nov cob
Sub shippers/receivers approval of performing vessel same w/i 24 office hours after nomination
Performing vessel.... to be nominated at least 6 days prior to expected loadreadiness
Charterers to give 14 days preadvice of cargo readiness when the owners have to nominate the performing vessel with a 10 days laycan spread.”
Am 25.11. wurde der stem-Vorbehalt aufgehoben und die cargo readiness für den 20.12. angekündigt. Am 3.12. einigten sich die Parteien auf ein laycan vom 5. bis 15.1. Am 7.1. um 15.53 Uhr nominierte der Reeder MS „H” ETA (= Expected To Arrive) 14.1. Am Montag, 10.1., um 17.03 Uhr bestätigte der Charterer die Nominierung. Am 12.1. erklärte der Reeder:
„Charterers to confirm vessel with 24 hours. We nominated vessel on Friday 7th 15:45 hours - which means charterers to lift subs by Monday latest hours. Unfortunately charterers confirm vessel only by 1700 hours which is clearly out of time. From the legal point we are free, but as a matter of cooperation we can offer you laycan 20 Jan/5 Feb otherwise same.”
Darauf antwortete der Charterer am 13.1.:
„Reference is made to your yesterday–s e-mail to which charterers completely disagree for reasons already explained before. Charterers insist on performance of the existing contract with a laycan 5/15 January 2000 as agreed and put the owners already now on notice that they will charter tonnage against them if they do not receive a nomination in due time.”
Am 17.1. buchte der Charterer ein anderes Schiff zu einer höheren Rate und verlangte die Differenz zu der mit dem Reeder vereinbarten Fracht als Schadensersatz. Das Schiedsgericht wies die Klage ab.
Aus den Gründen:
Zwischen den Parteien wurde ein Frachtvertrag geschlossen. Die Nominierung der MS „H” ist durch den Charterer am 10.1. um 17.03 Uhr fristgemäß angenommen worden. Der Begriff „24 office hours” ist nicht dahin zu verstehen, dass zwar Feiertage und Wochenenden aus­ge­schlossen, dazwischen liegende Nachtzeiten jedoch einzurechnen seien. Der Zusatz „office hours” kann bei verständiger Auslegung vielmehr nur im Sinne von Bürozeiten verstanden werden. Üblicherweise erstrecken sich Bürozeiten aber nicht auf die Nachtstunden. Hätte man die Nachtstunden in den Fristablauf einbeziehen wollen, so hätte man auf den Zusatz „office” verzichtet und etwa einen Hinweis auf eine Hemmung der Frist am Wochenende hinzugefügt.
Es muss nicht abschließend entschieden werden, welcher Zeitraum mit „office hours” gemeint sein könnte. Auch eine sehr weite Fassung dieses Begriffs etwa auf einen Zeitraum von 8.00 bis 18.00 Uhr würde im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch bei einer sehr weiten Ausdehnung der Bürozeiten ist die Annahme der Nominierung der MS „H” durch den Charterer am 10.1. um 17.03 Uhr noch fristgemäß erfolgt.
Es fehlt allerdings an der für einen Schadensersatzanspruch aus § 326 BGB erforderlichen Nach­frist­setzung. Eine solche ist nicht durch das Schreiben des Charterers vom 13.1. erfolgt. Diesem ist eine Frist­setzung nicht zu entnehmen. Zwar wird der Reeder mit Nach­druck an seine Leistungs­pflicht erinnert. Ein bestimmter Zeitpunkt, nach dem der Charterer die Leistung durch den Reeder ablehnen werde, ergibt sich aus der Forderung, die Leistung „in due time” zu erbringen, gleichwohl nicht.
Außerdem kann die Ankündigung, der Charterer werde Tonnage gegen den Reeder chartern, sofern der Charterer nicht „in due time” eine Nominierung des Schiffes erhalte, eine Nach­frist­setzung hinsichtlich der Pflicht des Reeders, spätestens zum 15.1. ein Schiff zur Verladung zur Verfügung zu stellen, nicht ersetzen. Zum einen war die Nominierung der MS ”H” durch den Charterer bereits wirksam akzeptiert, zum anderen bezog sich die Leistungs­anforderung des Charterers auf die Nominierung und nicht auf die davon zu unterscheidende Hauptpflicht, die faktische Andienung des Schiffes bis spätestens 15.1.
Darüber hinaus fehlt es an der nach § 326 Abs. 1 BGB erforderlichen Nachfristsetzung nach Eintritt des Verzuges. Das Schreiben des Charterers vom 13.1.datiert zwei Tage vor dem 15.1., der als cancelling date vereinbart war. Die Andienung eines Schiffes durch den Reeder musste spätestens zu diesem kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt erfolgen, aber nicht vorher. Aus diesem Grunde konnte die Fälligkeit vor dem 15.1. auch durch eine etwa mit der Nach­frist­setzung verbundene Mahnung nicht herbeigeführt werden.
Eine Nachfristsetzung vor Verzugseintritt ist aber unwirksam. Zwar kann die verzugs­begründende Mahnung mit einer Nach­frist­setzung verbunden werden. Da hier der Eintritt der Fälligkeit durch die laycan-Vereinbarung aber vertraglich bestimmt war, konnte sie durch eine vorher an den Reeder gerichtete Mahnung nicht zu einem früheren Zeitpunkt herbeigeführt werden.
Einer Nachfristsetzung war auch nicht entbehrlich. Dies wäre der Fall gewesen, wenn von vorn­herein festgestanden hätte, dass der Reeder auch während einer angemessenen Nachfrist nicht mehr freiwillig erfüllen würde oder könnte, so dass eine gleichwohl verlangte Nach­frist­setzung als sinnlose, weil zwecklose Formalität erscheinen müsste. Entsprechende Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Die Entbehrlichkeit einer Nachfristsetzung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichts­punkt einer ernst­lichen und end­gültigen Verweigerung jeder Erfüllung durch den Reeder. Vielmehr hat er mit Schreiben vom 12.1. seine Leistungsbereitschaft zum laycan 20.1. bis 5.2. angekündigt. Auch wenn man für eine Leistungs­verweigerung genügen lässt, dass eine Leistung unbedingt erst zu einem Zeitpunkt lange nach Ablauf einer angemessenen Nachfrist angekündigt wird, so liegt im Verhältnis zwischen dem 15.1. und dem 5.2. eine derartige Verzögerung nicht vor, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Reeder unter dem Druck einer § 326 BGB entsprechenden Nachfristsetzung bereits am 20.1. oder kurz danach das Schiff vorgelegt hätte.
Ein Schadensersatzanspruch des Charterers ergibt sich schließlich auch nicht unter dem Gesichts­punkt des Verzuges (§ 286 BGB). Auch wenn Verzug auf Grund der kalender­mäßigen Bestimmung der Leistungs­zeit zum 15.1. eingetreten ist, ist der geltendgemachte Schaden nicht gemäß § 286 BGB ersatz­fähig. Grundsätzlich sind die Kosten eines Deckungs­geschäftes ein Nicht­erfüllungs­schaden, der allein gemäß § 326 BGB ersatz­fähig ist. Nur ausnahms­weise kann der Gläubiger im Hinblick auf seine sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebende Schadens­minderungs­pflicht nach § 286 Abs. 1 BGB die Kosten eines Deckungs­geschäftes unabhängig von § 286 Abs. 2 und § 326 Abs. 1 BGB verlangen, wenn der drohende Verzögerungs­schaden größer wäre als die Kosten des Deckungs­geschäfts. Hierzu wurde allerdings nichts vorgetragen.