Recht und Steuern

M4 Nr.14

M4 Nr.14
Charter. Schadensersatz wegen angeblicher Seeuntüchtigkeit. Schiffsaufgabe durch Besatzung bei Sturm
Wenn ein Schiff bei Sturm und schwerer See von seiner Besatzung aufgegeben und später von einem Bergungsunternehmen mit eigener Kraft zum Bestimmungshafen gefahren wird, so lässt das nicht auf Seeuntüchtigkeit des Schiffes schließen.
Hamburger Schiedsspruch vom 21.6.2001
Hamburger Seerechts-Report 2001 S. 94 = RKS M 4 Nr. 14
Aus dem Sachverhalt:
Ein Reeder hatte es übernommen, Ammoniumnitrat zu befördern. Am 17.12. übernahm des Schiff ungefähr 2.025 Tonnen für Berwick/Großbritannien. Die Abfahrt des Schiffes von Gdingen verzögerte sich wegen schlechten Wetters bis zum Abend des 18.12. Nach Beginn der Reise traf das Schiff auf Windstärken von 8 bis 9 Beaufort. In den folgenden Tagen wurde das Wetter etwas besser. Am 20.12. passierte das Schiff Kopenhagen und umrundete am folgenden Tage Skagen. Am Abend des 22.12. nahm der Wind auf 9 bis 10, im Laufe des 24.12. auf 10, abends 11 bis 12 Beaufort zu. Das Schiff rollte und stampfte heftig in der schweren See. Am frühen Morgen des 25.12. hatte der Kapitän den Eindruck, dass sich das Wetter verschlimmerte. Auf Anfrage bestätigte ihm die Küstenwache in Aberdeen, dass vor 18 Uhr desselben Tages keine Besserung zu erwarten sei. Um 5.45 Uhr holte ein britischer SAR-Hubschrauber die Besatzung von Bord. Später wurde ein englischer Bergungs­unternehmer beauftragt, das Schiff zu bergen. Dieser fand das Schiff am 26.12. um 9.30 Uhr. Das Wetter hatte sich erheblich verbessert. Um 12.20 Uhr gingen Besatzungsmitglieder des Bergungs­schleppers an Bord und fuhren das Schiff nach Berwick. Als das Schiff auf der Reede eintraf, ging auch die eigene Besatzung wieder an Bord. Später wurde festgestellt, dass das Bug­strahl­ruder beschädigt worden war. Der Reeder erklärte Große Haverei. Der Bergungs­unternehmer erhielt 165,000 GB£ Bergelohn. Auf den Charterer, der gleichzeitig Ladungs­eigentümer war, entfiel ein Betrag von 20,740 GB£.
Diesen Betrag verlangt der Charterer vom Reeder vor dem vereinbarten Schiedsgericht als Schadens­ersatz: Es sei nicht notwendig gewesen, das Schiff zu verlassen und den Bergungs­unternehmer zu beauftragen. Das Schiff habe die Steuerfähigkeit verloren, weil es zu Beginn der Reise seeuntüchtig gewesen sei. Das Schiedsgericht wies die Klage ab.
Aus den Gründen:
Die Entscheidung, das Schiff zu verlassen, hat das Schiff weder zu Beginn der Reise noch zu irgendeinem späteren Zeitpunkt seeuntüchtig gemacht. Es hat Gdynia aus eigener Kraft verlassen und die Reise bis zu dem Tag, an dem es von der Besatzung verlassen wurde, aus eigener Kraft zurückgelegt. Der Bergungs­unternehmer und später die eigene Besatzung haben es aus eigener Kraft bis zum Liegeplatz in Berwick gefahren. Dass das Bug­strahl­ruder beschädigt wurde, hat für die Seereise keine Bedeutung. Das Wetter war im Laufe des 25.12. so schlecht, dass ein Verlassen des Schiffes gerechtfertigt war. Lt. Gutachten herrschte im Laufe des 25.12. im fraglichen Seegebiet südwestlicher Wind von 9 und westsüdwestlicher Wind von 8 Beaufort sowie sehr rauhe und rauhe See. Unter diesen Umständen hätte der Charterer näher erläutern müssen, aus welchen Gesichtspunkten sich die Seeuntüchtigkeit des Schiffes ergebe.