Recht und Steuern

M6 Nr.1

M6 Nr.1
§ 407 BGB,Art. 33 EGBGB, Nr. 35.3 DTV-Kaskoklauseln, Rule A, XIV (2) York-Antwerp RulesSchiffsversicherung (Hull and Machinery), Große/Besondere Haverei, Abtretungder Ersatzforderung, Kenntnis des Versicherers. Kosten für den Ersatz eines aufder Reise beschädigten Kessels. Aufrechnung mit nicht der Schiedsklauselunterliegender Gegenforderung. Loss Payable Clause
Ein Versicherer kann die Entschädigung aus dem Versicherungsvertrag nichtmit befreiender Wirkung an den Versicherungsnehmer zahlen, wenn dieser denAnspruch gegen den Versicherer an einen Darlehensgeber abgetreten und dies demVersicherer vor der Zahlung mitgeteilt hat.
Die Kosten für den Ersatz eines auf der Reise beschädigten Kessels sindnicht Große, sondern Besondere Haverei (particular average) und im Rahmen einerHull-and-Machinery-Versicherung nicht mitversichert.
In einem Schiedsverfahren ist die Aufrechnung mit einer Forderung, dienicht der diesem Verfahren zugrundeliegenden Schiedsabrede unterliegt,unzulässig.
Schiedsgerichtgemäß der Schiedsgerichtsordnung der German Maritime Arbitration Association
Schiedsspruchvom 10.7.2001; RKS M 6 Nr. 1 = Hamburger Seerechts-Report 2001 S. 194
Aus demSachverhalt:
Der Darlehensgeberschloss am 29.3.1995 mit dem Reeder der MS X einen Darlehensvertrag über US$ 4Mio. Darin hieß es u.a.:
Article 3 : As security for the repayment of the outstandingindebtedness and the proper and punctual performance by the Owner of all andeach of its obligations under the Loan Agreement and any of the other SecurityDocuments, the Owner hereby assigns to the Mortgagee the earnings, theinsurances and the requisition compensation ...
Article 5: The Owner herebycovenants with and undertakes to the Mortgagee: ...
(vi) to procure that there is duly endorsed upon all slips, cover notes,policies, certificates of entry or other instruments of insurance issued or tobe issued in connection with the insurance aforesaid the interest of theMortgagee by means of a notice of assignment (signed by the Owner) and/or aloss payable clause providing
(a) in the case of the fire and usual maritime risks insurances and war risksinsurances that unless and until any of the events specified in Article 7happen and the Mortgagee shall give notice thereof to the insurers (whereuponall insurances recoveries shall be receivable by the Mortgagee in accordancewith Article 8 C) there shall be paid to the Mortgagee any and every sumreceivable in respect of a total loss and any and every sum receivable inrespect of a major casualty (that is to say any casualty in respect whereof theclaim or the aggregate of the claims exceeds two hundred and fifty thousandDollars {US$ 250,000} inclusive of any deductible) and all other sumsreceivable in respect of such insurances shall be paid to the Owner ...
Article 8: Upon the securitycreated by this Deed becoming immediately enforceable pursuant to Article 7 theMortgagee shall become forthwith entitled as and when it may deem fit to putinto force and exercise all the powers possessed by it as the Mortgagee of theVessel and in particular: ...
C. to collect, recover, compromise, and give a good discharge for all claimsthen outstanding or thereafter arising under the insurances or any of them andto take over or institute (if necessary using the name of the Owner) all suchproceedings in connection therewith as the Mortgagee in its absolute discretionthinks fit and to permit any brokers through whom collection or recovery iseffected to charge the usual brokerage therefore.
Zuvor, am3.1.1995, hatte der Reeder der MS X mit einem Manager ein Management Agreementabgeschlossen. Darin heißt es auszugsweise:
2.5...[Manager]shall provide for insurance of the vessel in agreement with the owners,it being understood however, that ... [Manager]shall never be responsible forpayment of premiums or Protection & Indemnity calls.
... [Manager]shall administer all insurance policies for the vessel and ishereby authorized to collect and settle insurance claims for and on behalf ofthe owners.
7.4. The owners hereby irrevocably assign to ...[Manager]all its present andfuture claims arising out of the operation of the vessel as further securityfor all claims of ...[Manager]against the owners and/or the vessel which ...[Manager]has or will acquire in the performance of this agreement. It isgenerally known by ... [Manager]that insurance payments might be assigned tothe mortgagees or financiers of the vessel.
... [Manager]may at any time give notice of this assignment to the debtors ofsaid claims.
Demnach hattesich der Manager verpflichtet, die Versicherungsdeckung für MS X zu besorgen.Dies geschah über einen Makler, der am 8.12.1995 eine entsprechende Hull andMachinery Deckungsnote ausstellte. Unter „Assureds” waren der Reeder und derManager aufgeführt. In den Versicherungsbedingungen hieß es:
Agreed thatpayment authority is provided hereunder in the name of ... [Manager]as managersand no other authority documents will be necessary in the event of a claimsettlement. ...
The insuranceis subject to German Law and Jurisdiction including practice and principle withGerman Language version of policy always to prevail.
Außerdem warin der Police für Streitigkeiten das Schiedsgerichtsverfahren nach deutschemRecht vorgesehen.
Am 15.4.1996kam es auf einer Reise von Hongkong nach Taiwan zu einer Beschädigung desKessels der MS X. Eine Havariekommissar wurde gemäß den Regeln derVersicherungs­police beauftragt, die Schäden zu begutachten und die Kostenfestzusetzen. Der Gesamt­schaden belief sich danach auf rund US$ 611.000. DerSchaden wurde als particular average auf US$ 120.006,55 beziffert. Der Reederforderte den Makler daher zum Ersatz dieses Schadens auf, ohne dass eineZahlung erfolgte. Für den beschädigten Kessel mietete der Darlehnsgeber einenErsatzkessel an, mit dem die Reise fortgesetzt wurde. Für die Anmietung desKessels wandte er insgesamt US$ 39.626 auf.
Zwischenzeitlichwar der Reeder der MS X in Zahlungsverzug unter dem Darlehensvertrag geraten.Am 23.12.1996 erklärte der Darlehnsgeber, dass er aufgrund des Verzuges desReeders seine Rechte aus der Hypothekenklausel geltend mache. Zahlungen dürftendaher nur noch an ihn, den Darlehensgeber, erfolgen. Weitere Schreibenenthielten den ausdrücklichen Hinweis, dass keine Zahlung mehr an den Managerdes Schiffes erfolgen dürfe.
Bereits imSommer 1996 hatte der Manager seine Bereederungs­aktivitäten eingestellt undsämtliche Rechte aus dem Management Agreement an einen neuen Manager abgetreten.In dessen Flottenpolice war MS X zuvor einbezogen worden.
DerVersicherer zahlte Ende Oktober 1996 einen Betrag von US$ 75.000 an den Makleraus. Von dort wurde Ende September 1997 diese Summe an den neuen Managerweitergeleitet. Eine weitere Zahlung in Höhe von US$ 51.000 erfolgte von demVersicherer an den Makler Ende Februar 1998. Auch diesen Betrag leitete derMakler an den neuen Manager weiter.
DerDarlehnsgeber erhob Schiedsklage gegen den Versicherer und verlangte Zahlungder Entschädigung unter dem Versicherungsvertrag sowie Ersatz der Kosten fürdie Anmietung des Kessels. Der Versicherer habe nicht befreiend an den neuenManager geleistet. Er, der Darlehnsgeber, sei Inhaber aller Rechte aus demVersicherungsvertrag. Der Versicherer wandte ein, seine Zahlungen an den neuenManager hätten befreiende Wirkung gehabt: Der Reeder der MS X habe unter demManagement Agreement alle Forderungen an den früheren Manager abgetreten.Außerdem habe der neue Manager noch bis Juli 1996 Leistungen für den Reeder derMS X erbracht. Hierfür schulde dieser eine Vergütung in Höhe von US$ 58.566.Diese Forderung habe der neue Manager an ihn, den Versicherer, abgetreten.Gegen diese Forderung erklärte der Versicherer die Aufrechnung mit dem Anspruchdes Darlehnsgebers. - Das Schiedsgericht gab der Klage überwiegend statt.
Aus denGründen:
DerDarlehnsgeber kann aus abgetretenem Recht vom Versicherer die Zahlung vonVersicherungs­leistungen in Höhe von US$ 120.006.55 für die an MS Xeingetretenen Schäden beanspruchen. Ursprünglich ist ein Anspruch des Reedersgegen den Versicherer entstanden. Diesen Anspruch aus demVersicherungsverhältnis hat der Reeder wirksam an den Darlehnsgeber abgetreten.Die Abtretung richtet sich gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB nach deutschem Recht, dadie abgetretene Forderung nach Klausel 5 der Versicherungspolice deutschemRecht unterliegt. Der Versicherer hat im Zeitpunkt seiner Leistungen auf Grundeiner wirksamen Anzeige auch Kenntnis von dieser Abtretung. Er konnte schondeshalb nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Makler bzw. den neuenManager des Schiffes leisten.
Der Reeder derMS X hat seinen Anspruch gegen den Versicherer eindeutig und unbedingt an denDarlehnsgeber abgetreten. Dies ergibt sich aus Art. 3 des Darlehens­vertrages.Diese Bestimmung enthält zweifelsfrei eine Abtretung auch der Ansprüche aus demVersicherungs­verhältnis an den Darlehns­geber zur Sicherung seines Darlehnsund der Verpflichtungen des Reeders aus dem Darlehens­vertrag. Die Formulierungin Art. 3 „... the owner hereby assigns to the mortgagee ... the insurances...” lässt keine andere Deutung zu.
Der Abtretungder in Rede stehenden Ansprüche durch den Reeder der MS X an den Darlehnsgebersteht auch nicht eine zuvor erfolgte Abtretung der Ansprüche an den früherenManager des Schiffs entgegen. Eine solche Abtretung findet sich zum einen nichtin Klausel 2.5 des Management Agreement. Laut dieser Klausel wird der frühereManager lediglich bevollmächtigt, im Namen des Reeders der MS X alleVersicherungs­ansprüche einzuziehen. Zum anderen ergibt sich die Abtretung auchnicht aus Klausel 7.4 Satz 1 des Agreement. Danach wurden allegegenwärtigen und künftigen Ansprüche abgetreten, die sich aus dem Betrieb desSchiffes ergeben. Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis werden dagegen vondieser Abtretung nicht erfasst. So enthält Klausel 7.4 Satz 2 den Hinweis, dassVersicherungs­ansprüche „...might be assigned to the mortgagees”. DieserHinweis wäre überflüssig und ergäbe keinen Sinn, wenn die Abtretung unter demManagement Agreement auch die Versicherungsansprüche mitumfasste, dieAnsprüche, auf die sich dieser Satz bezieht, also bereits durch Satz 1derselben Klausel abgetreten würden. Aus der Formulierung lässt sich auch nichtschließen, dass sie sich lediglich auf Versicherungsansprüche beziehe, diebereits vor Abschluss des Management Agreement abgetreten worden seien.Vielmehr werden von der Formulierung „... might be assigned” auch solcheAnsprüche erfasst, die zukünftig abgetreten werden. Dies entspricht auch dergrammatikalisch korrekten Über­setzung der Formulierung ins Deutsche. Hinzukommt, dass der frühere Manager gemäß Klausel 2.5 Abs. 2 des ManagementAgreement bevollmächtigt wird, im Namen des Reeders Versicherungsforderungeneinzuziehen. Diese Vollmacht wäre überflüssig und daher nicht erteilt worden,wenn die entsprechenden Ansprüche nach Klausel 7.4 Satz 1 ohnehin an denfrüheren Manager abgetreten worden wären.
Die Abtretungist auch nicht auf Grund einer loss-payable-Klausel unzulässig. Art. 5 des Darlehens­vertragesenthält keine solche Klausel, derzufolge eine Abtretung von Ansprüchen unterUS$ 250.000 nicht in Betracht käme. In Art. 5 wurde nur die Verpflichtungaufgenommen, ein „Notice of Assignment ... and/or a Loss Payable Clause” zuerstellen. Unter (a) dieses Artikels werden die Anforderungen an eine solcheKlausel näher erläutert. Aus dem Wortlaut ergibt sich aber eindeutig, dass Art.5 nicht selbst bereits eine solche loss-payable-Klausel darstellt.
Der an denDarlehnsgeber abgetretene Anspruch ist auch nicht durch Erfüllung unter­gegangen.Der Versicherer konnte nicht mehr gemäß § 407 Abs. 1 BGB mit befreienderWirkung an den Makler bzw. den neuen Manager leisten. Nach den Feststellungendes Schiedsgerichts ist dem Versicherer die Abtretung derVersicherungsansprüche an den Darlehnsgeber bereits vor der Zahlung angezeigtworden. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Versicherer die Abtretungbekannt war, als er Zahlung an den Makler leistete.
DerDarlehnsgeber hat keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm aufgewendeten Kostenfür die Miete des Ersatz-Kessels aus Nr. 35.3 DTV-Kaskoklausel i.V.m. Regel XIVAbs. 2 York-Antwerp-Rules. Nr. 35 DTV-Kaskoklauseln gilt nur für den Fall derGroßen Haverei, während hier eine Besondere Haverei vorliegt. DieErstattungsfähigkeit folgt auch nicht aus § 32 Abs. 1 der „AllgemeinenDeutschen Seeversicherungsbedingungen” (ADS). Erstattungs­fähig sind danach nursolche Aufwendungen, die zur Verminderung des dem Versicherer zur Lastfallenden Schadens gemacht werden. Die Anmietung eines Ersatzkessels hätte zwareinen Fracht­ausfall unter einem Chartervertrag wegen mangelnderLadungstüchtigkeit des Schiffes verhindern können. Hier waren aber nur Hull andMachinery versichert. Die Fracht ist in einer solchen Kaskoversicherung nichtmitversichert.
Für die vomVersicherer erklärte Aufrechnung ist das Schiedsgericht unzuständig. DieForderung, mit der der Versicherer die Aufrechnung erklärt hat, unterliegtnicht dem Schieds­verfahren. Aus diesem Grunde darf die Aufrechnung gegen eineder Schieds­vereinbarung unterfallende Forderung im Rahmen eines Schieds­verfahrensnicht beachtet werden.
Hinweis:Die Entscheidung steht ungekürzt auf der Homepage der GMAA zur Verfügung.
Anhang:
35 DTV-Kaskoklauseln - Große Haverei - 3. Fährt das Schiff ohne Ladungoder sind ausschließlich Güter des Reeders verladen, gelten diePolicenbestimmungen für Große Haverei sowie die York- Antwerp -Regeln mitAusnahme der Regeln XX und XXI sinngemäß.
Regel 14 York-Antwerp-Regeln
(1) Wenn vorläufige Reparaturen an einem Schiff in einem Lade-, Order- oderNothafen für die gemeinsame Sicherheit oder für einen durch einHavarie-Grosse-Opfer verursachten Schaden ausgeführt werden, dann sollen dieKosten solcher Reparaturen in Havarie-Grosse vergütet werden.
(2) Wenn vorläufige Reparaturen eines zufälligen Schadens ausgeführt werden,damit das Unternehmen beendet werden kann, dann sollen die Kosten solcherReparaturen in Havarie-Grosse vergütet werden ohne Rücksicht auf Einsparungenfür andere Interessen, wenn überhaupt entstanden, jedoch nur bis zur Höhederjenigen Kosten, die entstanden und in Havarie-Grosse vergütet worden wären,wenn solche Reparaturen dort nicht durchgeführt worden wären.
(3) Vorläufige Reparaturkosten, die in Havarie-Grosse vergütungsberechtigtsind, unterliegen keinem Abzug „neu für alt”.
§ 32 ADS - Aufwendungen - (1) Dem Versicherer fallen zur Last:
1. die Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer bei dem Eintritt desVersicherungsfalles zur Abwendung oder Minderung des Schadens macht und denUmständen nach für geboten halten durfte; ...
§ 700 HGB, Rule A York Antwerp Rules
Große Haverei:
Schäden, die dem Schiff und/oder der Ladung durch den Kapitän oder auf dessenWeisung vorsätzlich zwecks Rettung aus einer gemeinsamen Gefahr zugefügtwerden, sowie Folgeschäden dieser Maßregeln und die zum selben Zweckaufgewendeten Kosten.
Besondere Haverei: Schäden undKosten aus Unfällen, die nicht zur Großen Haverei gehören und auch nicht unterdie Kleine Haverei fallen.
(siehe Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl. München 2000 Vor § 700 HGBRand-Nrn. 1, 4, 7)
Kleine Haverei: die ungewöhnlichenKosten der Schiffahrt, die heute mit den gewöhnlichen Kosten in der Frachteinkalkuliert sind (Rabe aaO. § 621 HGB Rand-Nr. 4)