B1 Nr.74

B1 Nr.74
Kaufmännisches Bestätigungsschreiben mit Aufforderung „please confirm”.
Schweigen auf Zusendung einer Charter.
Bedeutung einer „working copy”, vereinbarte Beurkundung der Charter.
Stillschweigende Zustimmung zur Vertragsänderung
Sendet ein Charterer einem Reeder nach abschließenden telefonischen Verhandlungen über den Seetransport einer bestimmten Ware eine nicht unterschriebene Charter und reagiert der Reeder nicht darauf, so kommt ein Chartervertrag mit den vereinbarten Bedingungen und mit dem Inhalt der Charter zustande, einschließlich der darin enthaltenen Schiedsklausel. Dies gilt allenfalls dann nicht, wenn der Charterer nachweist, dass die Charter die Aufforderung „please confirm OK” enthielt.
An diesem Chartervertrag ändert sich nichts, wenn der Charterer später dem Reeder eine andere Charter mit abweichendem Inhalt, insbesondere einer abweichenden Schiedsklausel, sendet und der Reeder auch darauf nicht reagiert.
Ernennt der Charterer unter Bezug auf die zweite Charter einen Schiedsrichter, um Ersatzansprüche wegen der auf dem Transport beschädigten Ware geltend zu machen, so kann das daraufhin konstituierte Schiedsgericht über seine Zuständigkeit entscheiden und diese verneinen mit der Begründung, dass die Ernennung nicht auf Ansprüche aus einem bestimmten Dokument beschränkt ist, sondern die dem Transport zugrundeliegende (erste) Charter Grundlage des Schiedsverfahrens ist und in dieser ein anderes Schiedsgericht vereinbart ist.
Schiedsgericht der German Maritime Arbitration Association
Schiedsspruch vom 30.11.2000; Hamburger Seerechts-Report 2001 S. 51 = RKS B 1 Nr. 74
Aus dem Sachverhalt:
Ein Reeder und ein Charterer verhandelten über die Beförderung einer Partie Stahl im Juli 1998 von Bremen nach Bilbao. Am 1.7. führten die Vertreter beider Parteien mehrere Telefongespräche. Am 2.7. sandte der Vertreter des Charterers dem Vertreter des Reeders per Telefax eine nicht unterschriebene Charter, die eine Schiedsklausel zugunsten eines Londoner Schiedsgerichts enthielt. Zwischen den Parteien war streitig, ob das Telefax mit dem handschriftlichen Zusatz „Pls. Confirm OK” versehen war. Der Vertreter des Reeders reagierte nicht. Am 3.7. sandte der Vertreter des Charterers dem Vertreter des Reeders ein weiteres Telefax, in dem auf die Bedingungen einer anderen Charter vom 1.9.1997 Bezug genommen wurde, und bat um eine Bestätigung der Bedingungen. Die Charter vom 1.9.wich erheblich von der zuvor übersandten Charter ab, insbesondere enthielt sie eine GMAA-Schiedsklausel.
Die Partie Stahl wurde am 7.7. verladen. Die Ladung wurde beschädigt. Der Ladungsversicherer erhob vor dem GMAA-Schiedsgericht aus übergegangenem Recht des Charterers Schadensersatzansprüche gegen den Reeder. Bei der Ernennung des Schiedsrichters bezog er sich auf die Charter vom 1.9.1997. Der Reeder berief sich auf die in der zunächst übersandten Charter enthaltene Vereinbarung der Arbitrage in London. Das Schiedsgericht folgte dem und wies die Schiedsklage ab.
Aus den Gründen:
Die Parteien haben bestätigt, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über seine eigene Zuständigkeit befugt ist. Keine Rolle spielt für das Schiedsgericht, dass sich der Versicherer bei der Ernennung seines Schiedsrichters auf die Charter vom 1.9. bezogen hatte, die nicht Rechtsgrundlage des im Streit stehenden Transports war. Das Schiedsgericht versteht die Ernennung vielmehr so, dass sie nicht auf Ansprüche aus einem bestimmten Dokument beschränkt, sondern der dem Transport tatsächlich zugrundeliegende Transportvertrag die Grundlage des Schiedsverfahrens sein sollte.
Auf den Fall ist deutsches Recht anwendbar; § 12 Abs. 2 Satz 2 der GMAA-Schiedsgerichtsordnung.
Aus der Würdigung der erhobenen Beweise ergibt sich, dass die Bedingungen der Charter am 1.7. abschließend ausgehandelt wurden. Der Versicherer hat nicht konkret erläutert, was die Parteien im Rahmen des streitigen Telefonats offen gelassen hätten mit der Folge, dass es weiterer Verhandlungen bedurft hätte. Im übrigen hat keine Partei vorgetragen, dass im nachhinein weiter verhandelt worden sei. Der Wille zu weiterem Verhandeln ergibt sich auch nicht aus der Übersendung der working copy der Charter. Keine Partei hat behauptet, dass in der working copy das Ergebnis der vorangegangenen Verhandlungen nicht korrekt zusammengefasst worden sei. Damit spricht die Übersendung der nicht unterzeichneten Charter keineswegs dagegen, dass die Parteien zuvor bereits vollständige Einigkeit erzielt haben.
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Vertreter des Reeders die working copy mit dem handschriftlichen Zusatz „Pls. confirm OK” oder ohne einen solchen erhalten hat. Sollte der Zusatz gefehlt haben, so war das Telefax aus der Sicht des Vertreters des Reeders ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Hätte er das Telefax mit dem Zusatz erhalten, so würde sein Schweigen nichts daran ändern, dass die Parteien bereits zuvor über alle Vertragsbestandteile Einigung erzielt hatten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ohne die vom Charterer geforderte Bestätigung ein Vertrag nicht zustande gekommen wäre, so wäre es Sache des Versicherers gewesen zu beweisen, dass die dem Reeder übersandte working copy der Charter den Zusatz enthielt. Ein solcher Beweis wurde nicht erbracht.
Es ist auch nicht vereinbart worden, dass die Charter beurkundet werden sollte, so dass die Charter erst mit der Beurkundung geschlossen worden wäre. Charterverträge werden häufig durch Ausstellung entsprechender Originale beurkundet. Die Übersendung der working copy durch den Vertreter des Charterers hätte ein Indiz dafür sein können, dass auch im vorliegenden Fall eine spätere Beurkundung beabsichtigt war. Andererseits ist die Beurkundung von Charterverträgen nicht zwingend und die sonstigen Umstände des Falles sprechen deutlich gegen die Vereinbarung der Beurkundung. Keiner der Vertreter der Parteien hat im Anschluss an die Übersendung der working copy irgendwelche Bemühungen unternommen, von dem konkret abgeschlossenen Vertrag tatsächlich eine verbindliche schriftliche Fassung zu erstellen.
Ein Vertrag auf der Grundlage der im Telefax vom 3.7. geforderten anderen Bedingungen könnte nur angenommen werden, wenn das Schweigen des Vertreters des Reeders auf dieses Telefax als Zustimmung zu einer entsprechenden Vertragsänderung anzusehen wäre. Das ist nicht der Fall. Grundsätzlich gilt auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr Schweigen nicht als Annahme des Angebots. Schweigen ist grundsätzlich keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer solchen. Das muss insbesondere gelten, wenn unmittelbar vor einem Änderungsantrag eine anderslautende detaillierte Vereinbarung zustande gekommen ist. Ebenfalls spricht gegen eine Annahme des Angebots zur Vertragsänderung durch Schweigen des Vertreters des Reeders, dass der Vertreter des Charterers am Ende des Telefax vom 3.7. ausdrücklich um Bestätigung der Bedingungen, also der Bedingungsänderungen, gebeten hat.
In Ausnahmefällen kann Schweigen die Wirkung einer Willenserklärung beigelegt werden, wenn der Schweigende verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Entsprechend der Rechtsprechung zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben kann das jedoch nicht gelten, wenn das Angebot ausdrücklich mit der Aufforderung versehen war, die Annahme zu bestätigen.
Der Vertreter des Charterers konnte auch deshalb nicht von einer stillschweigenden Vertragsänderung ausgehen, weil sein Angebot zur Vertragsänderung weit über die bloße Änderung der Schiedsvereinbarung hinausging. Er forderte die Einbeziehung von Bedingungen, die mit denen des Chartervertrages vom 1.9.1997 im wesentlichen identisch waren und von dem zuvor ausgehandelten Ergebnis zahlreiche Abweichungen enthielten. Er konnte nicht annehmen, dass sich der Vertreter des Reeders derart weitgehenden Angeboten zur Vertragsänderung stillschweigend anschließen würde. Vielmehr hätte er auf der von ihm selbst gewünschten Bestätigung bestehen müssen.
Auch die Vorlage des Schiffes ist nicht als Annahme des Antrags auf Vertragsänderung anzusehen, sondern die Erfüllung des bereits am 1. bzw. 2. 7. vereinbarten Vertrages.
Diesen Schiedsspruch finden Sie auch auf der Homepage der GMAA.