B3 Nr. 38
B 3 Nr. 38 - ZPO § 1049 Abs. 3, § 1036, § 42 Abs. 2. Befangenheitsantrag gegen Sachverständigen. Zur Unparteilichkeit eines Sachverständigen bei Vorbefassung in einem Gerichts-, Schlichtungs- oder Verwaltungsverfahren.
1. Die Zweiwochenfrist für die Ablehnung eines schiedsgerichtlich bestellten Sachverständigen wegen geltend gemachter Befangenheit aufgrund von Ausführungen in einem von dritter Seite bzw. einer Behörde beauftragten Gutachten beginnt mit Email-Eingang des nach Bestellung des Sachverständigen übersandten Gutachtens beim Prozessbevollmächtigten der ablehnenden Schiedspartei.
2. Nach Vorbefassung in einem geregelten Gerichts-, Schlichtungs- oder Verwaltungsverfahren berechtigt eine bloß daraus abgeleitete Erwartung einer Voreingenommenheit oder eines ungünstigen Gutachtenergebnisses nicht zur Ablehnung wegen mangelnder Unparteilichkeit; dem Gutachter ist grundsätzlich die Fähigkeit zuzusprechen, eine frühere Äußerung oder Meinung zu revidieren; anders als bei persönlichen Befürchtungen, die Begutachtung könne den Boden der Sachlichkeit, Neutralität oder Unvoreingenommenheit verlassen.
3. Ungeachtet der Zurückweisung des Befangenheitsantrags können die im Zusammenhang mit seiner Begründung vorgetragenen inhaltlichen Bewertungs-Gesichtspunkte weiter im schiedsgerichtlichen Verfahren einschließlich der Beweisaufnahme zu prüfen sein.
Schiedsgericht Uelzen, Beschl.v. 28.9.2015 = RKS B 3 Nr. 38
In der Schiedsgerichtssache ... gegen ... hat das Schiedsgericht in Uelzen am
28. September 2015
durch
den Vorsitzenden Schiedsrichter ...
den Schiedsrichter ... und
den Schiedsrichter ...
den Vorsitzenden Schiedsrichter ...
den Schiedsrichter ... und
den Schiedsrichter ...
beschlossen:
Der Befangenheitsantrag des Schiedsklägers vom 18. September 2015 gegen den mit Beweisbeschluss des Schiedsgerichts vom 31. Juli 2015 beauftragten Sachverständigen wird zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
I.
Der Befangenheitsantrag des Schiedsklägers vom 18. September 2015 gegen den mit Beweisbeschluss vom 31. Juli 2015 beauftragten Sachverständigen betrifft die Beweis-Teilfrage der Bewertung des ...
II.
Dieser Befangenheitsantrag ist unzulässig wegen Versäumung der Zweiwochenfrist gemäß § 1049 Abs. 3 i.V.m. § 1037 Abs. 1 und 2 ZPO.
1. Gemäß § 1049 Abs. 3 ZPO sind auf die Ablehnung eines vom Schiedsgericht bestellten Sachverständigen die eine Ablehnung eines Schiedsrichters regelnden Vorschriften §§ 1036, 1037 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden.
Nach § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat eine Schiedspartei, die einen Ablehnungsantrag gestützt auf einen Befangenheits-Umstand im Sinne von § 1036 Abs. 2 ZPO stellen will, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe (wenn wie hier keine andere Regelung vereinbart ist) binnen zwei Wochen darzulegen, nachdem ihr der die Befangenheit begründende Umstand bekannt geworden ist.
2. Der Schiedskläger stützt das Ablehnungsgesuch vom 18. September 2015 auf Äußerungen des Sachverständigen in einem von diesem für die Landesbehörde ... erstatteten Gutachten vom ... April 2014.
Abgesehen von der durch den Sachverständigen von vornherein mitgeteilten Erstattung des Gutachtens für die Behörde ist dieses mit seinem gesamten Inhalt dem Schiedskläger zumindest als Anlage zum Schiedsbeklagten-Schriftsatz vom 24. August 2015 bekannt geworden ...
a) Dieser Schriftsatz mit dem Gutachten ist zunächst bei dem in der Prozess-vollmacht des Schiedsklägers ... erstgenannten Prozessbevollmächtigten ... per Email des Schiedsbeklagten-Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2015, ... eingegangen.
Auf Nachfrage des in der Prozessvollmacht des Schiedsklägers ... zweitgenannten Prozessbevollmächtigten per Email vom 2. September 2015, 18:18h, ist zusätzlich an diesen während des schiedsgerichtlichen Rückrufs per schiedsgerichtlicher Email von 18:54h der Schriftsatz mit dem Gutachten weitergeleitet worden. Noch während desselben Telefonats sind die Eingänge beider Emails durch den zweitgenannten Prozessbevollmächtigten bestätigt worden.
b) Da bereits seit dem 24. August ebenso wie seit dem 2. September die Zweiwochenfrist bis zum Befangenheitsantrag vom 18. September nicht gewahrt worden ist, bedarf es nicht mehr der Aufklärung des Eingangszeitpunkts der postalischen nochmaligen Gutachten-Übersendung durch den Prozessbevollmächtigten des Schiedsbeklagten vom 3. September 2015 an die Prozessbevollmächtigten des Schiedsklägers.
II.
Dieser Befangenheitsantrag ist unzulässig wegen Versäumung der Zweiwochenfrist gemäß § 1049 Abs. 3 i.V.m. § 1037 Abs. 1 und 2 ZPO.
1. Gemäß § 1049 Abs. 3 ZPO sind auf die Ablehnung eines vom Schiedsgericht bestellten Sachverständigen die eine Ablehnung eines Schiedsrichters regelnden Vorschriften §§ 1036, 1037 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden.
Nach § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat eine Schiedspartei, die einen Ablehnungsantrag gestützt auf einen Befangenheits-Umstand im Sinne von § 1036 Abs. 2 ZPO stellen will, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe (wenn wie hier keine andere Regelung vereinbart ist) binnen zwei Wochen darzulegen, nachdem ihr der die Befangenheit begründende Umstand bekannt geworden ist.
2. Der Schiedskläger stützt das Ablehnungsgesuch vom 18. September 2015 auf Äußerungen des Sachverständigen in einem von diesem für die Landesbehörde ... erstatteten Gutachten vom ... April 2014.
Abgesehen von der durch den Sachverständigen von vornherein mitgeteilten Erstattung des Gutachtens für die Behörde ist dieses mit seinem gesamten Inhalt dem Schiedskläger zumindest als Anlage zum Schiedsbeklagten-Schriftsatz vom 24. August 2015 bekannt geworden ...
a) Dieser Schriftsatz mit dem Gutachten ist zunächst bei dem in der Prozess-vollmacht des Schiedsklägers ... erstgenannten Prozessbevollmächtigten ... per Email des Schiedsbeklagten-Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2015, ... eingegangen.
Auf Nachfrage des in der Prozessvollmacht des Schiedsklägers ... zweitgenannten Prozessbevollmächtigten per Email vom 2. September 2015, 18:18h, ist zusätzlich an diesen während des schiedsgerichtlichen Rückrufs per schiedsgerichtlicher Email von 18:54h der Schriftsatz mit dem Gutachten weitergeleitet worden. Noch während desselben Telefonats sind die Eingänge beider Emails durch den zweitgenannten Prozessbevollmächtigten bestätigt worden.
b) Da bereits seit dem 24. August ebenso wie seit dem 2. September die Zweiwochenfrist bis zum Befangenheitsantrag vom 18. September nicht gewahrt worden ist, bedarf es nicht mehr der Aufklärung des Eingangszeitpunkts der postalischen nochmaligen Gutachten-Übersendung durch den Prozessbevollmächtigten des Schiedsbeklagten vom 3. September 2015 an die Prozessbevollmächtigten des Schiedsklägers.
III.
Unabhängig von der Unzulässigkeit ist der Befangenheitsantrag auch unbegründet.
1. Befangenheitszweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen gemäß § 1049 Abs. 3 i.V.m. § 1036 ZPO ergeben sich gemäß ständiger Rechtsprechung nicht ohne weiteres aus seiner von vornherein mitgeteilten Vorbefassung mit einer von ihm zu begutachtenden Frage (vgl. AG Bergheim, Beschluss vom 23. 10. 2014, 26 H 3/14, WuM 2014, 747; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. 3. 2014, I-26 W 16/13, AG 2015, 439; Urteil vom 5. 2. 2013, I-U 185/11, BauR 2013, 1283; Bay. LSG, Beschluss vom 4. 11. 2013, L 2 SF 124/13 B, Juris; OLG München, Beschlüsse vom 11. 8. 2011 31 Wx 294/11, ZIP 2011, 1983; vom 19. 8. 2005 1 W 2072/05, OLG-Report München 2006, 135; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30. 12. 2004 11 W 93/04, BauR 2005, 1208; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. 8. 2000, 9 W 57/00, NJW-RR 2001, 1434).
a) Nach Vorbefassung in einem geregelten Gerichts-, Schlichtungs- oder - wie hier - Verwaltungsverfahren berechtigt insbesondere eine bloß daraus abgeleitete Erwartung einer Voreingenommenheit oder eines ungünstigen Gutachtenergebnisses nicht zur Ablehnung wegen mangelnder Unparteilichkeit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. 10. 2011 L 13 SF 359/11 B, Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. 6. 2011, L 6 bU 22/11 B, UV-Recht Aktuell 2011, 1138; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. 7. 2010 8 Wv 28/10, MDR 2011, 126; Brandenbur-gisches OLG, Urteil vom 5. 2. 2009, 12 U 33/07, Juris).
Denn - entgegen dem Ablehnungsgesuch mit dem bloßen Hinweis auf das Glaub-würdigkeitsrisiko des Gutachters - ist diesem grundsätzlich die Fähigkeit zuzusprechen, eine frühere Äußerung oder Meinung zu revidieren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. 5. 2006 I-26 W 9/06 AktE, DB 2006, 1670, Juris Rz. 19 m.w.N.); anders als bei - hier nicht spezifizierten - persönlichen Befürchtungen, die Begutachtung könne den Boden der Sachlichkeit, Neutralität oder Unvoreingenommenheit verlassen (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 9. 10. 2012 L 15 VJ 2/08, Breith 2013, 168).
Im Übrigen fällt einem nunmehr (schieds-)gerichtlich bestellten Sachverständigen eine unvoreingenommene Beurteilung erfahrungsgemäß leichter als eine andere Begutachtung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. 3. 2015, 5 W 4/15, Juris; zur privatgutachterlichen Vorbefassung vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. 3. 2015, 5 W 15/15 Gesundheitsrecht 2015, 428; BGH, Beschluss vom 23. 10. 2012 X ZR, MDR 2012, 1487; OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. 7. 2012 2 W 38/12, IBR 2012, 616).
b) Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob oder dass die vorherige Bewertung möglicherweise auftragsgemäß auf einer seinerzeit weniger umfassenden oder weniger aktuellen Grundlage beruhte (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 19. 6. 2014, FamRZ 2015, 68; VG Leipzig, Urteil vom 21. 5. 2014, 4 K n528/11, Juris).
2. Ungeachtet der Zurückweisung des Befangenheitsantrags werden die im Zusammenhang mit seiner Begründung vorgetragenen inhaltlichen Bewertungs-Gesichtspunkte weiter im schiedsgerichtlichen Verfahren einschließlich der Beweisaufnahme zu prüfen sein.
Unabhängig von der Unzulässigkeit ist der Befangenheitsantrag auch unbegründet.
1. Befangenheitszweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen gemäß § 1049 Abs. 3 i.V.m. § 1036 ZPO ergeben sich gemäß ständiger Rechtsprechung nicht ohne weiteres aus seiner von vornherein mitgeteilten Vorbefassung mit einer von ihm zu begutachtenden Frage (vgl. AG Bergheim, Beschluss vom 23. 10. 2014, 26 H 3/14, WuM 2014, 747; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. 3. 2014, I-26 W 16/13, AG 2015, 439; Urteil vom 5. 2. 2013, I-U 185/11, BauR 2013, 1283; Bay. LSG, Beschluss vom 4. 11. 2013, L 2 SF 124/13 B, Juris; OLG München, Beschlüsse vom 11. 8. 2011 31 Wx 294/11, ZIP 2011, 1983; vom 19. 8. 2005 1 W 2072/05, OLG-Report München 2006, 135; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30. 12. 2004 11 W 93/04, BauR 2005, 1208; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. 8. 2000, 9 W 57/00, NJW-RR 2001, 1434).
a) Nach Vorbefassung in einem geregelten Gerichts-, Schlichtungs- oder - wie hier - Verwaltungsverfahren berechtigt insbesondere eine bloß daraus abgeleitete Erwartung einer Voreingenommenheit oder eines ungünstigen Gutachtenergebnisses nicht zur Ablehnung wegen mangelnder Unparteilichkeit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. 10. 2011 L 13 SF 359/11 B, Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. 6. 2011, L 6 bU 22/11 B, UV-Recht Aktuell 2011, 1138; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. 7. 2010 8 Wv 28/10, MDR 2011, 126; Brandenbur-gisches OLG, Urteil vom 5. 2. 2009, 12 U 33/07, Juris).
Denn - entgegen dem Ablehnungsgesuch mit dem bloßen Hinweis auf das Glaub-würdigkeitsrisiko des Gutachters - ist diesem grundsätzlich die Fähigkeit zuzusprechen, eine frühere Äußerung oder Meinung zu revidieren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. 5. 2006 I-26 W 9/06 AktE, DB 2006, 1670, Juris Rz. 19 m.w.N.); anders als bei - hier nicht spezifizierten - persönlichen Befürchtungen, die Begutachtung könne den Boden der Sachlichkeit, Neutralität oder Unvoreingenommenheit verlassen (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 9. 10. 2012 L 15 VJ 2/08, Breith 2013, 168).
Im Übrigen fällt einem nunmehr (schieds-)gerichtlich bestellten Sachverständigen eine unvoreingenommene Beurteilung erfahrungsgemäß leichter als eine andere Begutachtung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. 3. 2015, 5 W 4/15, Juris; zur privatgutachterlichen Vorbefassung vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. 3. 2015, 5 W 15/15 Gesundheitsrecht 2015, 428; BGH, Beschluss vom 23. 10. 2012 X ZR, MDR 2012, 1487; OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. 7. 2012 2 W 38/12, IBR 2012, 616).
b) Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob oder dass die vorherige Bewertung möglicherweise auftragsgemäß auf einer seinerzeit weniger umfassenden oder weniger aktuellen Grundlage beruhte (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 19. 6. 2014, FamRZ 2015, 68; VG Leipzig, Urteil vom 21. 5. 2014, 4 K n528/11, Juris).
2. Ungeachtet der Zurückweisung des Befangenheitsantrags werden die im Zusammenhang mit seiner Begründung vorgetragenen inhaltlichen Bewertungs-Gesichtspunkte weiter im schiedsgerichtlichen Verfahren einschließlich der Beweisaufnahme zu prüfen sein.
18.11.2016