Recht und Steuern

E6a Nr.40

E6a Nr.40
Art. 35, 38,39, 45, 74 United Nations Convention on Contracts for the International Sale ofGoods (CISG), Art. 3 Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen überVerträge über den Internationalen Warenkauf („Vertragsgesetz”), §§ 477, 478,639 Abs. 2 BGB UN-Kaufrecht: Geltung für Anlagenbauverträge. VertraglicheBestimmung der Beschaffenheit der Kaufsache. Verjährung der Mängelansprüche
1. Das UN-Kaufrecht gilt auch für Anlagengeschäfte, wenn der überwiegendeTeil der Leistungen des Verkäufers kauftypisch ist, d.h. in der Lieferung vonMaschinen und anderen Gegenständen besteht und nicht in Dienstleistungen (z.B.Planung, Montage). Die Abgrenzung erfolgt in erster Linie nach den Werten, diedie Parteien für die kauftypischen und die „kauffremden” Leistungenveranschlagt haben.
2. Die Einzelheiten der Beschaffenheit des Kaufgegenstandes müssen nichtausdrücklich im Vertrag dargestellt, sondern können auch auf andere Art,z.B. in vorvertraglichen Verhandlungen und Korrespondenzen, festgelegtwerden.
3. Hat sich der Verkäufer bereit erklärt, berechtigte Mängel abzustellen,kann er nicht mehr geltend machen, der Käufer habe die Mängel nichtordnungsmäßig gemäß Art. 38, 39 CISG gerügt.
4. Die Verjährung der Ansprüche wegen vertragswidriger Mängel ist imUN-Kaufrecht nicht geregelt. Sie richtet sich gemäß Art. 3 Vertragsgesetz nachden Bestimmungen des deutschen Rechts, §§ 477, 478 BGB. Demnach gelten auch dieGrundsätze des deutschen Rechts über die Unterbrechung der Verjährung durchAnerkenntnis sowie über die Hemmung der Verjährung, solange Verhandlungen derParteien und Bemühungen des Verkäufers um Prüfung und Beseitigung der Mängelandauern.
5. Abweichend von § 477 BGB führt nach Art. 3 Vertragsgesetz nicht erstdas arglistige Verschweigen des Mangels, sondern bereits die vorwerfbareNichtoffenbarung des Mangels zum Verlust der sechsmonatigen Verjährungsfristdes § 477 BGB: Wenn die Vertragswidrigkeit der Kaufsache auf Tatsachen beruht,die der Verkäufer kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte unddie er dem Käufer nicht offenbart hat, gilt für die Gewährleistungsansprüchedie allgemeine dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB.
Dies gilt auch dann, wenn die Parteien in ihrem Vertrag den Beginn der Verjährungabweichend von Art. 3 Vertragsgesetz vereinbart haben; damit ist nicht Art. 3Vertragsgesetz seinem gesamten Inhalte nach abbedungen.
Schiedsgerichtgemäß den Regeln für das Schiedsgerichtsinstitut der Handelskammer Stockholm
Schiedsspruchvom 17. 6. 1998 - 88/96; RKS E 6 a Nr. 40
Aus demSachverhalt:
Die Klägerinist eine im Bereich Entsorgung und Recycling von Kühlgeräten tätige schwedischeAktiengesellschaft. Die Beklagte stellt in Deutschland Anlagen zurWiederverwertung von Kühlgeräten her. Am 1.9.1994 schlossen die Parteien inKiel einen Vertrag über den Kauf und die Montage einer Entsorgungsanlage fürKühlschränke, Tiefkühltruhen etc. zum Preis von 4.000.000 DM für die Anlage und79.000 DM für die Ausbildung des Personals. Der Vertrag enthält in § 1 unterder Überschrift „Vertragsbestimmung” die Regelung: Diesem Vertrag liegenzugrunde, und zwar in der genannten Reihenfolge 1) die Bestimmungen diesesVertrages nebst Anlagen und Zeichnungen 2) Das UN-Kaufrecht (Wiener Konvention)3) Die Bestimmungen des deutschen Rechts.
Im Rahmen dervorvertraglichen Verhandlungen am 24.6.1994 schickte die Beklagte der Klägerinein Schreiben, in dem es u.a. heißt „...wie vereinbart übersenden wir Ihnen dieGrunddaten für die Kühlgeräte-Aufbereitungsanlage” Dann folgt eine Aufstellungmit fünf Unterpunkten, u.a.:
„Rückgewinnungvon R 11 aus PUR-Schaum / Restgehalt von R 11 im entgasten PUR-Schaum kleinerals 0,5 Masseprozent, siehe Anlage TÜV-Bericht / Abluft hinter dem Kohlefiltermaximal 20 ppm FCKW (R 11) pro Formkubikmeter bei 300 cbm Abluft pro Stunde.
Wir hoffen,dass Ihnen diese Daten helfen, und würden uns freuen, in Kürze von Ihnen zuhören....”
Gegenstand desvon der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens des TÜV Norddeutschland wardie R 11 - Analyse von vier von der Beklagten aus ihrer eigenenKühlgeräte-Wiederaufbereitungsanlage in N. genommenen Materialproben. AlsErgebnis der Analyse werden im Gutachten hinsichtlich der R 11 - KonzentrationWerte zwischen 24,0 und 52,8 mg/kg angegeben. Der Vertrag vom 1.9.1994 enthältweiter auszugsweise nachstehende Regelungen:
Die Beklagteist nach § 6 des Vertrages verpflichtet, die Anlage binnen neun Monaten nachVertragsschluss, spätestens bis zum 31.5.1995, zu liefern und funktionsfähigfertig zu stellen. Fertigstellung wird vertraglich dadurch definiert, dass dieAnlage dauerhaft die in § 7 genannte Leistung erbringt und die Mitarbeiter desKäufers in der Bedienung der Anlage geschult sind.
§ 7 Ziffer 1des Vertrages ist überschrieben mit „Garantierte Leistung”....”Verkäufergarantiert folgende Leistung:
a)Zerkleinerungsanlage: 40 Haushaltskühlgeräte à 160 l bzw. 23 großeHaushaltstiefkühltruhen,
b)Entgasungsanlage: 130 kg pro Stunde PUR-Schaum
per Stunde bei8 Stunden am Tag. Zwei-Schicht-Betrieb ist möglich.” Handschriftlich ergänztheißt es: „Verfügbarkeit der Anlage muss mindestens 85 % auf das Jahr gerechnetbetragen”.
In § 10 Ziffer1 heißt es: „Die Gewährleistung des Verkäufers beträgt 12 Monate, gerechnet von der Abnahme durch den Käufer”. In Ziffer 2 werden alleLeistungen, die nicht als Gruppe 3 bezeichnet werden, einersechsmonatigen Gewährleistungsfrist unterworfen...
Gruppe 1Zerkleinerungs- und Sortierungsanlage
Gruppe 2Entgasungsanlage für PUR-Schaum
Gruppe 3Verflüssigung von FCKW
Gruppe 4Planung und Montage.
Die Klägerinhat die Anlage am 9.8.1995 als „accepted and handed over” abgenommen, und dieParteien haben über die Annahme einen „Acceptance Report” erstellt undunterzeichnet. In der Anlage zum Abnahmeprotokoll sind eine Reihe vonBeanstandungen enthalten, die jedoch nur noch zum Teil streitgegenständlichsind.
Die Parteienstreiten über die Frage, inwieweit die streitgegenständliche Anlagevertragsgemäß ist, d.h. ob bzw. inwieweit die Beklagte bezüglich der von derKlägerin geltend gemachten Mängel der Anlage - insbesondere FCKW-(R11)-Gehaltim entgasten PUR-Schaum höher als 0,5 Masseprozent - schadensersatzpflichtigist.
Die Klägerinstützt ihre Ansprüche auf den Vertrag vom 1.9.1994 sowie auf Art. 45, 74-77CISG in Verbindung mit deutschem Recht: Die Anlage sei vertragswidrig i.S.v.Art. 35 CISG, da der Restgasgehalt von Trichlorfluormethan FCKW(R11) imentgasten PUR-Schaum über 0,5 Masseprozent liege. Sie behauptet, dass einGrenzwert von höchstens 0,5 Masseprozent vereinbart sei und dieser Wert von derAnlage nicht eingehalten werden könne.
Aus denGründen:
Nach § 1 desVertrages vom 1.9.1994 sind in erster Linie die Bestimmungen dieses Vertragesnebst Anlagen und Zeichnungen, an zweiter Stelle das UN-Kaufrecht (CISG)und an dritter Stelle die Bestimmungen des deutschen Rechts maßgeblich.
Grundlage fürden von der Klägerin geltend gemachten, auf die Vertragswidrigkeit dergelieferten Anlage gestützten Schadensersatzanspruch sind Art. 45, 35ff und74ff CISG. Das UN-Kaufrecht ist seit 1.1.1989 in Schweden und seit 1.1.1991 inder Bundesrepublik verbindliches Recht und gilt somit für denstreitgegenständlichen, aus dem Vertrag vom 1.9.1994 resultierendenSachverhalt, Art. 100 CISG. Die von Schweden zu dem Übereinkommen erklärtenVorbehalte sind für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung.
1. Die Beklagte bestreitet die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts,da der Vertrag vom 1.9.1994 eine Anlagen-Lieferung zum Gegenstand habe und dasUN-Kaufrecht für Anlagen-Geschäfte nicht gelte. Allerdings wird in derKommentarliteratur die Nichtanwendung des UN-Kaufrechts auf Anlagen-Lieferungen angesprochen (Herber in von Caemmerer/Schlechtriem,Einheitliches UN-Kaufrecht, 2. Aufl. 1995, Rd.-Nr. 9 zu Art. 3; Höß, Der gegenständlicheAnwendungsbereich des UN-Kaufrechts 1995 S. 159ff, Staudinger/MagnusUN-Kaufrecht 1994 Rd-Nr. 27 zu Art. 3), und zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2CISG, weil bei Anlagen-Geschäften typischerweise der überwiegende Teil der vondem Lieferanten zu erbringenden Pflichten in der Ausführung von Arbeiten odersonstigen Dienstleistungen besteht und der Vertrag daher in erster Linienicht-kauftypisch geprägt ist.
Nach Art. 3Abs. 2 CISG ist entscheidend, ob die kauffremden Leistungen überwiegen undfolglich das UN-Kaufrecht nicht anwendbar ist, oder ob die kauftypischenLeistungen im Vordergrund stehen mit der Folge, dass das UN-Kaufrecht -ungeachtet des Umstandes, dass der Verkäufer auch kauffremde Leistungen zuerbringen hat - anzuwenden ist. Die Abgrenzung der kauftypischen von denkauffremden Leistungen erfolgt in erster Linie nach den Werten, die von denParteien für die verschiedenen Leistungsteile veranschlagt werden (Herberin von Caemmerer/Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, 2. Aufl. 1995, Rd-Nr. 4 zu Art. 3). Nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 sind zur Ermittlungdes Wertes der kauffremden Leistungen nur die Arbeits- und Dienstleistungen desVerkäufers zu berücksichtigen (Staudinger/Magnus UN-Kaufrecht 1994 Rd-Nr. 23 zuArt. 3).
Nach § 2 desKaufvertrages vom 1.9.1994 umfasst der für die Anlage vereinbarte Preis vonDM 4 Mio. auch einen erheblichen Teil der Montagekosten zu ihrerschlüsselfertigen Errichtung. Um gestützt auf Art. 3 Abs. 2 CISG dieNichtanwendbarkeit des UN-Kaufrechts zu begründen, müssten demnach ein Teil vonmehr als DM 2 Mio. des vereinbarten Kaufpreises auf Arbeits- und sonstigeDienstleistungen der Beklagten entfallen und nur ein Betrag von unterDM 2 Mio. für die kauftypischen Leistungsteile vorgesehen sein. Einederartige Aufteilung lässt sich jedoch für den zu beurteilenden Sachverhaltnicht feststellen.
Da derAusschlusstatbestand des Art. 3 Abs. 2 nicht erfüllt ist, geht dasSchiedsgericht von der Geltung des UN-Kaufrechts aus. Es bedarf daher keinesweiteren Eingehens auf die Frage, ob durch die in § 1 des Vertrages vom1.9.1994 getroffene Vereinbarung des UN-Kaufrechts die Parteien nichtmöglicherweise dessen Geltung selbst für den Fall vorgesehen haben, dass derAusnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 2 sachlich erfüllt sein sollte.
Die Einrededer Verjährung beurteilt sich nach deutschem Recht. Das UN-Kaufrecht enthältkeine Bestimmungen zur Verjährung. Demzufolge gelten nach der in § 1 desVertrages getroffenen Rechtswahlklausel zum einen die in dem Vertragniedergelegten verjährungsrechtlichen Regelungen und im übrigen dieBestimmungen des deutschen Rechts mit der Folge, dass insoweit Art. 3 desVertragsgesetzes vom 5.7.1989 (BGBl. 1989 II 586) zur Anwendung kommt(Staudinger/Magnus UN-Kaufrecht 1994 Rd-Nr. 39 und 40 zu Art. 4).
2. Die Klägerin stützt ihre Schadensersatzansprüche in ersterLinie darauf, dass der FCKW-(R 11)-Gehalt in dem entgasten PUR-Schaumvertragswidrig größer als 0,5 Masseprozent sei.
Zwischen denParteien ist streitig, ob der Restgehalt von max. 0,5 Masseprozent einEigenschaftsmerkmal für die verkaufte Anlage darstellt oder nicht. Die Klägerinbehauptet, dass dieser Wert vereinbart und auch deshalb Vertragsbestandteilsei, weil die Beklagte um die diese Anforderung stellenden schwedischen Umweltbestimmungengewusst habe. Die Beklagte bestreitet dies, zudem enthalte der Vertrag indieser Hinsicht keine Aussage.
Zutreffend istder Vortrag der Beklagten, dass der Vertrag vom 1.9.1994 den FCKW(R11)-Restgehalt im entgasten PUR-Schaum nicht anspricht. Die näherenFestlegungen der Beschaffenheit der zu liefernden Anlage müssen jedoch nichtunbedingt ausdrücklich formuliert, sondern können auf vielfältige Art und Weisevorgenommen werden (Staudinger/Magnus UN-Kaufrecht 1984 Rd-Nr. 13ff zu Art 35,Schwenzer in von Caemmerer/Schlechtriem Einheitliches UN-Kaufrecht 2. Aufl.1985 Rd-Nr. 7 zu Art. 35 sowie Herber/Czerwenka Internationales Kaufrecht 1991Rd-Nr. 3 zu Art. 35).
Im Vorfeld desVertragsabschlusses hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 24.6.1994u.a. die Einhaltung des Grenzwertes von 0,5 Masseprozent bestätigt und durchein beigefügtes TÜV-Gutachten bekräftigt. Die Beklagte meint hierzu, daß sichdieses Schreiben nur auf ihre eigene Anlage in N., nicht jedoch auf die an dieKlägerin zu liefernde Anlage bezogen habe. Das Schreiben selbst weist einesolche Einschränkung allerdings nicht aus. Die Beklagte hat auch nicht zurÜberzeugung des Schiedsgerichts dargetan, dass die Klägerin um eine in diesemSinne einschränkende Bedeutung des Schreibens wusste oder hätte wissen müssen(vgl. Art. 8 Abs. 1 CISG).
Wie nichtzuletzt das Schreiben vom 24.6.1994 belegt, ist im Vorfeld desVertragsabschlusses über den Grenzwert 0,5 Masseprozent gesprochen worden. DerZeuge Z. hat einerseits zwar deutlich gemacht, dass es sich hierbei nicht umeinen allgemein gültigen Wert handele, andererseits jedoch hervorgehoben, dassdie Anlagen der Beklagten „mit Stolz” vorgeführt wurden, eben weil sie diesenGrenzwert erreichen. Der Zeuge L. hat darauf verwiesen, dass die Beklagte nichtnur bei den anderen von ihr gelieferten Anlagen, sondern auch bei der zuvor andie Firma S. in Schweden ausgelieferten Anlage die Erfahrung gemacht habe, dassdieser Wert erreichbar sei. Zudem hat der Zeuge L. herausgestellt, dass die Beklagtesich „eben auf diese 0,5 Volumenprozent eingestellt” habe, weil damit imVergleich zu den Wettbewerbern der „höchste Level” erreicht werde. DasSchreiben vom 24.6.1994 schließt zudem mit der Formulierung „Wir hoffen, dassIhnen diese Daten helfen...” und ist demzufolge auch von der Beklagten für diebei der Klägerin anstehende Entscheidungsfindung hinsichtlich des Erwerbs derAnlage gedacht gewesen.
Vor diesemHintergrund ist das Schiedsgericht überzeugt, dass die Aussage in dem Schreibenvom 24.6.1994 zu den 0,5 Masseprozent eine Aussage weiterreichender Art ist,die für die von der Beklagten hergestellten Anlagen und insbesondere auch fürdie Anlage gelten sollte, die die Klägerin zu erwerben beabsichtigte (vgl. Art.8 Abs. 2 und 3 CISG).
Aber selbstwenn man die Aussage zu den 0,5 Masseprozent im Schreiben vom 24.6.1994lediglich auf die Anlage in N. beziehen würde, wäre das Ergebnis nicht anders.Der Zeuge Z. hat erklärt, dass die Angaben in dem Schreiben vom 24.6.1994,insbesondere auch die Angabe zu dem Restgehalt „praktisch die Standardangabenunserer Anlage in N.” seien und auf weitere Frage bestätigt, dass dieseStandards genauso für die an die Klägerin gelieferte Anlage zuträfen: „Da esdie gleiche Anlage ist, passt sie auch darein”.
Nach dem Ergebnisder Beweisaufnahme ist das Schiedsgericht daher überzeugt, dass die Einhaltungdes FCKW(R 11)-Restwertes von max. 0,5 Masseprozent eine für die Anlagezwischen den Parteien vertraglich vereinbarte Qualitätsanforderung darstellt.
Die Beklagtekann dem nicht die Schriftformklausel (§ 15 des Vertrages vom 1.9.1994)entgegenhalten, da das Schreiben vom 24.6.1994 das Schriftlichkeitserfordernisgem. § 13 CISG erfüllt, so dass auf die Überwindbarkeit dieses Erfordernissesnach Art. 29 Abs. 2 CISG nicht weiter einzugehen ist
Nach demErgebnis der Beweisaufnahme ist das Schiedsgericht überzeugt, dass dervertraglich zugesagte Restgehalt von max. 0,5 Masseprozent in erheblichemUmfang nicht eingehalten wird und die Anlage damit vertragswidrig i.S.v. Art.35 Abs. 1 CISG ist (wird ausgeführt).
3. Grundsätzlich verliert der Käufer das Recht, Rechtsbehelfewegen vertragswidriger Lieferung geltend zu machen, wenn er dieVertragswidrigkeit nicht gemäß Art. 38, 39 CISG rügt. Auf eine nichtordnungsmäßige Rüge kann sich ein Verkäufer allerdings nicht berufen, wenn dieVertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, die er kannte oder über die er nichtin Unkenntnis sein konnte und die er dem Käufer nicht offenbart hat (Art. 40CISG).
Eines weiterenEingehens auf diese Fragen bedarf es hier jedoch nicht. Mit Schreiben vom6.4.1996 teilte der Vertreter der Beklagten der Klägerin mit: „Unsere Mandantinwar und ist jederzeit bereit, berechtigte Mängel abzustellen, diese müssen nurdetailliert benannt werden.” Mit dieser Äußerung hat die Beklagte ihregrundsätzliche Bereitschaft zu erkennen gegeben, ungeachtet der zu diesemZeitpunkt bekannten, nach Ansicht der Beklagten nicht ordnungsgemäßen Rüge, fürAbhilfe zu sorgen. Unter diesen Umständen wäre es ein widersprüchliches Verhaltender Beklagten, wenn sie sich nunmehr darauf berufen würde, dass die Rüge nichtordnungsmäßig erfolgt sei (vgl. BGH 25.6.1997 NJW 1997, 3311, 3312;Staudinger/Magnus UN-Kaufrecht 1994 Rd-Nr. 18 zu Art. 39; Schwenzer in vonCaemmerer/Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, 2. Auflage 1995 Rd-Nr. 33zu Art. 39).
Die Beklagtekann sich folglich nicht darauf berufen, dass die Vertragswidrigkeit nichtordnungsmäßig gerügt worden sei.
4. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. DieKlägerin meint dagegen, die gemeinsame Besprechung der Parteien am 19.4.1996sei als ein die Verjährung unterbrechendes, mindestens stillschweigendesAnerkenntnis zu berücksichtigen.
Nach § 10 Abs.2 des Vertrages vom 1.9.1994 gilt für die Entgasung des PUR-Schaums eineGewährleistungsfrist von sechs Monaten. Da die Verjährung im UN-Kaufrecht nichtgeregelt ist und nach § 1 des Vertrages vom 1.9.1994 neben den vertraglichenAbsprachen insoweit die Bestimmungen des deutschen Rechts zur Anwendung kommen,ist eine Unterbrechung der Verjährung durch ein Anerkenntnis im Sinne des § 208BGB nicht ausgeschlossen (Schlechtriem in von Caemmerer/S. EinheitlichesUN-Kaufrecht 2. Aufl. 1995 Rd-Nr. 11 zu Art. 3 Vertragsgesetz). Nach demErgebnis der Beweisaufnahme ist das Schiedsgericht jedoch überzeugt, dass einverjährungsunterbrechendes Anerkenntnis anlässlich der Verhandlung am 19.4.1996nicht erfolgte. Insbesondere die Zeugin B. hat dargelegt, dass die Rügen derKlägerin „nicht greifbar” waren, keine Mängelliste vorlag und auch auf weiteresNachfragen keine Präzisierungen erfolgten. Unter diesen Umständen fehlt jedeBasis für ein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis.
Auch kann sichdie Klägerin nicht auf die Verjährungshemmung nach § 639 Abs. 2 BGB berufen.Zwar ist § 639 Abs. 2 auf dem UN-Kaufrecht unterliegende Kaufverträge anwendbar(Schlechtriem aaO. Rd-Nr. 11 zu Art. 3 Vertragsgesetz). Die durch § 639 Abs. 2BGB ausgelöste Verjährungshemmung hat jedoch nicht zur Folge, dass nachBeendigung von Mangel­beseitigungs­maßnahmen die Verjährung jeweils von neuemanfängt, sondern dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist,in die Verjährung nicht eingerechnet wird (§ 205 BGB).
Die Verjährungbegann mit der Abnahme der Anlage im August 1995. Bis zur Einreichung desAntrags auf Einleitung des Schiedsverfahrens im November 1996 sind alsoinsgesamt ca. 15 Monate verstrichen. Da die Gewährleistungsfrist nur sechsMonate beträgt, hätte die Klägerin, um sich auf die Hemmung berufen zu können,nachweisen müssen, dass die Beklagte insgesamt über die Dauer von mindestens 9Monaten mit der Prüfung oder Beseitigung der Vertragswidrigkeit befasst war.Diese Aussage lässt sich dem klägerischen Vorbringen nicht substantiiertentnehmen.
5. Die vertraglich vereinbarte bzw. nach Art. 3 Vertragsgesetzgeltende sechsmonatige Verjährungsfrist kommt jedoch nicht zurAnwendung, wenn „die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, dieder Verkäufer kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte und dieer dem Käufer nicht offenbart hat” (Art. 3 Vertragsgesetz). Die Beklagte hältArt. 3 nicht für anwendbar, da die Parteien in § 10 des Vertrages vom 1.9.1994eine der gesetzlichen Regelung vorgehende, individuelle Absprache über dieVerjährung getroffen hätten. Diese Ansicht trifft nicht zu.
InUN-Kaufverträgen beurteilt sich die Verjährung von Gewährleistungsansprüchendann, wenn - wie vorliegend - deutsches Recht gilt, nach Art. 3 Vertragsgesetzund im übrigen nach den Verjährungsregeln des BGB. Zwar sind diedeutsch-rechtlichen Regelungen des Vertragsrechts überwiegend dispositiv.Insofern stand es den Parteien frei, die nach Art. 3 Vertragsgesetz i.V.m. §477 BGB geltende gesetzliche 6-Monats-Frist durch die vertragliche6-Monats-Frist gemäß § 10 Abs. 2 des Vertrages vom 1.9.1994 zu ersetzen undabweichend von der Regelung des Art. 3 Vertragsgesetz als Beginn für dieGewährleistung den Zeitpunkt der Abnahme vorzusehen. Aus § 10 des Vertrageskann jedoch nicht geschlossen werden, dass damit Art. 3 Vertragsgesetzinsgesamt abbedungen werden sollte. Eine derart weitgehende Regelung hätte etwazur Konsequenz gehabt, dass auch § 478 BGB sowie Art. 3 Satz 2 Vertragsgesetznicht anwendbar wären. Der Vertrag vom 1.9.1994 lässt nicht erkennen, dass dieParteien eine derart weitgehende vertragliche Regelung wollten. Auch sind keineUmstände ersichtlich, aus denen gefolgert werden könnte, dass mit derVerjährungsregelung in § 10 lediglich der Verweis auf § 477 BGB und derVorbehalt für den Fall der vorwerfbaren Nichtoffenbarung von Vertragswidrigkeitenabgeändert werden, es im übrigen jedoch bei Art. 3 Vertragsgesetz bleibensollte.
Im Gegenteilspricht vielmehr die Systematik der in § 1 des Vertrages vom 1.9.1994getroffenen Vereinbarung der Rechtsgrundlagen eher dafür, dass nur insoweit,als der Vertrag eine ausdrückliche Regelung enthält, diese vorgeht, im übrigen aber das in diesem Zusammenhang nicht interessierendeUN-Kaufrecht und das deutsche Recht gelten sollen. Diese Beurteilung ist umsomehr berechtigt, als § 10 des Vertrages vom 1.9.1994 die gesetzlicheGewährleistungsfrist des Art. 3 Vertragsgesetz nicht einmal ändert, sondernlediglich wiederholt und bestätigt. Die einzige Abweichung in § 10 desVertrages gegenüber der gesetzlichen Regelung liegt in der Vereinbarung einesanderen Beginns der Gewährleistungsfrist. Dieser Umstand rechtfertigt jedochnicht den weiterreichenden Schluss, dass damit auch der in Art. 3Vertragsgesetz niedergelegte Vorbehalt für den Fall der vorwerfbarenNichtoffenbarung von Vertragswidrigkeiten abbedungen werden sollte.
Zudem ist zuberücksichtigen, dass Sinn und Zweck der Regelung des Art. 3 Vertragsgesetzdarin besteht, §§ 477 und 478 BGB an die Besonderheiten des UN-Kaufrechtsanzupassen. In diesem Sinne ist den Gedanken des Art. 40 CISG aufgreifend in Art. 3 Vertragsgesetz - insoweit abweichend von § 477 BGB - vorgesehen, dassnicht erst das arglistige Verschweigen des Mangels, sondern bereits dievorwerfbare Nichtoffenbarung zu einem Verlust der kurzen Gewährleistungsfristführt (Rudolph Kaufrecht der Export- und Importverträge 1996 Rd-Nr. 5 zu Art. 3Vertragsgesetz). Nach Ansicht des Schiedsgerichts hat eine vertraglicheVerlängerung oder Verkürzung der 6-Monats-Frist des § 477 nicht ohne weitereszur Folge, dass damit der Arglistvorbehalt des § 477 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatzentfällt. Da es Funktion des Art. 3 Vertragsgesetz ist, die Verjährungs­bestimmungender §§ 477, 478 BGB an die Struktur des UN-Kaufrechts anzupassen, ist nichtersichtlich, dass für den Vorbehalt der vorwerfbaren Nichtoffenbarung gem. Art.3 Vertragsgesetz etwas anderes gelten soll, jedenfalls dann nicht, wenn dievertraglich vereinbarte Gewährleistungsfrist die gesetzliche nur bestätigt.
DieVoraussetzungen dieses Vorbehalts sind vorliegend erfüllt. Das Schiedsgerichtist nach Anhörung der Zeugen zu der Überzeugung gekommen, dass die Anlage in N.entgegen den Angaben im Schreiben vom 24.6.1994 jedenfalls in dem fraglichenZeitraum nicht durchgängig den vereinbarten Restgehalt von max. 0,5Masseprozent erreicht hat und die Beklagte wusste oder wissen musste, dassgleiches für die an die Klägerin zu liefernde Anlage zutraf. Der Zeuge Z.,gezielt zu der „Referenzanlage” in N. befragt, erklärt: „Also ich kann nichtsagen, dass jeden Tag diese 0,5 erreicht wurden. Ich kann nur sagen, dassPrüfungen ergeben haben, die in unregelmäßigen Abständen vorgenommen wurden,dass dort die Werte erreicht wurden.” Auf die weitere Frage: „Hat es auchPrüfungen gegeben, die den Wert nicht bestätigt haben?” hat der Zeuge Z.geantwortet: „Ja, hat es auch mal gegeben”.
Unter diesenUmständen wusste die Beklagte daher oder musste zumindest damit rechnen, dassdie an die Klägerin zu liefernde Anlage nicht durchgängig den Grenzwert von 0,5Masseprozent einhalten würde. Auf Grund der Beweisaufnahme steht für dasGericht zudem auch fest, dass dieser Umstand der Klägerin anlässlich desVertragsabschlusses nicht mitgeteilt wurde. Damit sind die Voraussetzungen fürdas Eingreifen des in Art. 3 Vertragsgesetz vorgesehenen Vorbehalts für denFall vorwerfbarer Nichtoffenbarung von Vertragswidrigkeiten erfüllt. Konsequenzdieses Vorbehalts ist, dass die allgemeine Verjährungsfrist des BGB zurAnwendung kommt und die Ansprüche der Klägerin demzufolge insoweit erst nach 30Jahren verjähren, § 195 BGB (Rudolph aaO. Rd-Nr. 5, Siehr in Honsell, Kommentarzum UN-Kaufrecht 1997 Rd-Nr. 5 und Herber/Czerwenka aaO. Rd-Nr. 12, jeweils zuArt. 3 Vertragsgesetz). Die Rechtsbehelfe der Klägerin wegen der unzureichendenEntgasung des PUR-Schaums sind demzufolge nicht verjährt.