Recht und Steuern

E5b Nr.102

E5b Nr. 102 § 376 HGB,Art. 21, 24 EKK Abladegeschäft = Fixgeschäft, unwiderrufliches Akkreditiv, gefälschte Dokumente, Höhere Gewalt, Usancen beim Deckungskauf auf engem Markt. Kosten für die gerichtliche Untersagung der Zahlung aus dem Akkreditiv
Gefälschte Konnossemente, Gewichts- und Qualitätszertifikate seitens eines Vorverkäufers sind keine ”force majeure–; er ist Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, der für dessen Verschulden haftet.
Der Käufer kann von abstrakter zu konkreter Schadensberechnung übergehen. Nach den Usancen im Hamburger Rohkaffeehandel für Deckungsgeschäfte muss der Käufer zwecks Schadensminderung mindestens drei Makler beauftragen, Offerten über kontraktgemäße Ware einzuholen, und dem Verkäufer die günstigste Offerte mitteilen mit der Aufforderung, eine noch günstigere Offerte vorzulegen. Diese Usancen sind nicht anwendbar, wenn Kaffee kontraktgemäßer Provenienz loco oder schwimmend nicht oder nur ausnahmsweise aufzutreiben ist; dann genügt auch ein einziges Angebot, falls der Preis marktgerecht oder angemessen ist.
Die Schadensersatzpflicht umfasst auch Anwaltskosten des Käufers zwecks Erwirkung eines Gerichtsbeschlusses, der der Bank des Käufers untersagt, aus dem unwiderruflichen Akkreditiv gegen die gefälschten Dokumente an den Verkäufer zu zahlen.
Schiedsgerichtdes Deutschen Kaffee Verbandes e.V.
Schiedsspruch vom 16.3.1999; RKS E 5 b Nr. 102
Aus demSachverhalt:
Der Beklagtein Hamburg verkaufte dem Kläger in St. Légier/Schweiz gemäß Kontrakt vom 19.3.1998 zu den z.Zt. des Kontraktabschlusses gültigen Bedingungen des Europäischen Kaffee-Kontraktes (EKK):
Quantity: 396 MT = 24 Container of 16.5 MT each
Quality: Thailand Robusta raw coffee FAQ...
Price andterms of sale: US$ 1,505.00 p/MT, C + F Hamburg net shippingweight
Shipmentperiod: end of April/1st half of May 1998, the latest 15th May 1998
Payment: against irrevocable, transferable and divisible Letter of Credit,
to be opened by end of March 98 in favour of sellers
Arbitration: Hamburg
Über die Agentur A erhielt der Käufer am 11.5.1998 vier Konnossements kopien mit der Bemerkung, dass diese Kopien als offizielle Verschiffungsanzeige anzusehen seien. Der Käufer legte die Kopien der Schweizer Agentur der China Ocean Shipping Company (COSCO) zwecks Echtheitsprüfung vor und erhielt am 14.5. die Antwort, dass diese Konnossemente gefälscht waren. Von der Société Générale de Surveillance erhielt der Käufer die Auskunft, dass die ihm zugesandten Gewichts- und Qualitätszertifikate nicht von der SGS (Thailand) Ltd. ausgestellt seien. Der Käufer bat daraufhin seine Bank, die Credit Suisse in Lausanne, die Akkreditivzahlung zurückzuhalten. Eine von ihm gleichzeitig eingeschaltete Anwaltssozietät beantragte am 15.5. beim Distriktgericht Lausanne, der Credit Suisse zu untersagen, aus dem zu Gunsten des Verkäufers eröffneten unwiderruflichen Akkreditiv an die Deutsche Bank in Hamburg zugunsten des Verkäufers zu zahlen. Das Gericht erließ am 18.5. einen entsprechenden Beschluss. Für ihre Bemühungen berechnete die Sozietät 10.000 Sfr.
Mit Schreibenvom 18.5. erklärte der Käufer dem Verkäufer unter Berufung auf Art. 27 EKK, dasser sich durch die Nichterfüllung des Kontraktes schadensersatzflichtig gemacht und als ”in default– befindlich zu betrachten habe. Nach vergeblichen Verhandlungen erhob er Klage auf Schadensersatz.
Aus den Gründen:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Zuständigkeit des angerufenen Schiedsgerichts ergibt sich aus dem Kontrakt, der die Klausel ”Arbitration: Hamburg– enthält. Zwar ergibt sich die Zuständigkeit des Schiedsgerichts aus dieser Klausel nicht unmittelbar, jedoch ist nach Art. 24 a EKK jeder Streitfall durch die Arbitrage bzw. das Schiedsgericht an dem im Kontrakt festgelegten Ort – das ist hier Hamburg – nach den Regeln und Usancen der dortigen Kaffeehandelsorganisation zu entscheiden. Im Hamburger Rohkaffeehandel gibt es außer dem Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbandes kein Schiedsgericht, das in Streitfällen angerufen werden kann, die nicht die Qualität des gelieferten Kaffees betreffen.
Das Schiedsgericht hat außer den Konditionen des EKK deutsches Recht anzuwenden: Nach Art. 25 a EKK ist der Kontrakt nach dem Recht des Landes auszulegen, indem das Verfahren durchgeführt wird.
Die am 10.8. eingegangene Schadensersatzklage ist rechtzeitig gemäß Art. 24 b EKK erhoben. Auch die Frist gemäß Art. 22 a ii EKK für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist gewahrt (wird ausgeführt).
Grundlage für den Schadensersatzanspruch des Käufers ist wegen des fixgeschäftsähnlichen Charakters des Abladegeschäfts § 376 HGB i.V.m. Art. 23 a + b EKK. Der Verkäufer verletzt die Abladeklausel, wenn die kontrahierte Ware nicht innerhalb der kontraktgemäßen Frist abgeladen, d.h. verschifft wird. Der Verkäufer ist seiner Pflicht, dem Käufer kontraktgemäße Dokumente anzudienen, nicht nachgekommen. Die äußerlich in Ordnung befindlichen Konnossemente und auch die Gewichts- und Qualitätszertifikate waren gefälscht. Die 396 M/TThailand Robustas wurden nicht verschifft. Damit wurde der Kontrakt nicht erfüllt und die Schadensersatzpflicht des Verkäufers gegenüber dem Käufer ausgelöst. Diese setzt allerdings gemäß § 376 Abs. 1 HGB Verzug und damit ein Verschulden des Verkäufers voraus. Zwar wurde der Verkäufer von den Dokumentenfälschungen genau so überrascht wie der Käufer. Er haftet jedoch für das Verschulden des Abladers und dessen Hintermänner, die seine Erfüllungsgehilfen waren. Force Majeure i.S.d. Art. 21 EKK liegt nicht vor, auch wenn die Fälschung der Dokumente außerhalb seines Einflussbereichs stand und für ihn unvorhersehbar war. Force Majeure bzw. Höhere Gewalt ist ein von außen kommendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares, zufälliges Ereignis, das ursächlich für die Beeinträchtigung ist (NJW 1987, 1938), z.B. Krieg, Kriegsgefahr, innere Unruhen, Epidemien, vor allem aber Naturkatastrophen wie Erdbeben, Blitzschlag und Überschwemmungen, nicht aber kriminelle Handlungen wie Dokumentenfälschungen, die gerade im überseeischen Abladegeschäft dann und wann vorkommen. Der Käufer brauchte dem Verkäufer auch keine Nachfrist zu setzen. Denn die Besonderheiten des Fixgeschäfts liegen darin, dass bei Nichteinhaltung der Leistungszeit keine Unmöglichkeit eintritt. Die Leistungszeit ist für ein Fixgeschäft wesentlich. Mit ihr soll das Geschäft stehen und fallen. Zugunsten des Käufers gilt die nicht entkräftbare Vermutung, dass eine verspätete Erfüllung für ihn kein Interesse mehr hat. Eine Verpflichtung des Käufers, dem Verkäufer eine Nachfrist zur Nachholung der versäumten Handlung zu setzen, fällt deshalb beim Abladegeschäft fort (Haage, Das Abladegeschäft, 4. AuflageS. 9).
Der Schadensersatzanspruch ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Denn die Eindeckungen, die der Käufer vorgenommen hat, um seine Abnehmer in Italien und Polen mit Ersatzpartien zu beliefern, sind nicht zu beanstanden. Zwar hat der Käufer gegenüber dem Verkäufer am 27.7. zunächst einen Betrag als Schaden geltend gemacht, der abstrakt berechnet wurde, d.h. nach der Differenz zwischen dem Kontraktpreis und dem Börsen- oder Marktpreis zur Zeit und am Ort der geschuldeten Leistung. Der Käufer hatte aber auch die Möglichkeit, seinen Schaden konkret auf Grund von Deckungskäufen zu berechnen und damit von der abstrakten zur konkreten Schadensberechnung überzugehen. Das hat er mit seinem Klageantrag getan. Nach den im Hamburger Rohkaffeehandel für Deckungskäufe und Deckungsverkäufe bestehenden Usancen, die der Käufer nach Art. 24 a EKK hätte beachten müssen, hätte er mindestens drei Makler beauftragen müssen, Offerten über Thailand-Robustakaffees für die Belieferung seiner Käufer in Italien und Polen einzuholen. Über die günstigste Offerte wäre der Verkäufer mit der Aufforderung zu unterrichten gewesen, eine noch günstigere Offerte vorzulegen. Verbunden mit diesem Procedere ist die Absicht, den Schaden so niedrig wie möglich zu halten. Wenn jedoch Kaffees der gesuchten Provenienz loco oder schwimmend nicht oder nur ausnahmsweise aufzutreiben sind, lassen sich die Usancen nicht anwenden. Die Mitglieder des sachverständig besetzten Schiedsgerichts können bestätigen, daß Robustakaffees, nicht zuletzt solche mit Ursprung in Thailand, am europäischen Markt so gut wie nicht erhältlich waren. Es ist dem Käufer deshalb auch abzunehmen, daß die Offerte der Londoner Firma D. über eine Partie Thai Robusta FAQ, lagernd in Triest, von der der beklagte Verkäufer am 20.5.1998 durch den Käufer Kenntnis erhielt, in jenen Tagen das einzige erhältliche Angebot über sofort lieferbare Thai Robustas war, die für die italienischen Abnehmer des Käufers in Betracht kamen. Der Preis für diese 180 M/T lag zwar mit US$ 1.885/MT ab Lager Triest über dem Kontraktpreis vom 19.3.1998, wird aber vom Schiedsgericht als marktgerecht beurteilt. Denn der Rohkaffeehandel befand sich seit dem Datum des Kontraktabschlusses in einer Phase steigender Robusta-Preise in einem sich verknappenden Markt. Der Käufer hatte angesichts seiner Lieferverpflichtungen gegenüber den italienischen Kaffeeverarbeitern C. und L. nach Überzeugung des Schiedsgerichts keine andere Möglichkeit, als von dieser Offerte der Fa. D. Gebrauch zu machen.
Um seinen polnischen Käufer kontraktmäßig zu beliefern musste sich der Käufer ebenfalls rechtzeitig mit einer Ersatzpartie eindecken .... Auch deren Preis ist angesichts der bereits dargelegten Entwicklung auf dem Markt für Robustakaffees angemessen....
Außerdem kannder Käufer seine Anwaltskosten in Lausanne geltend machen. Der Umrechnungskurs ist – gemessen an der Entwicklung der Devisenkurse seit Klageerhebung – moderat. Der Käufer musste durch seine Anwälte einen Beschluss des Bezirksgerichts Lausanne erwirken, weil er nur auf diesem Wege sichergehen konnte, dass seine Bank den Akkredditivbetrag aus dem eröffneten unwiderruflichen Akkreditiv nicht an die deutsche Bank in Hamburg zugunsten des Verkäufers transferieren würde. Für die Behauptung des Verkäufers, dass der Käufer seine Bank nur mit der Begründung, die Dokumente sind gefälscht, anzuweisen brauchte, den Akkreditivbetrag zu stoppen, hat der Verkäufer keinen Beweis angetreten. Das Schiedsgericht nimmt es vielmehr dem Käufer ab, dass seine Bank vor unübersehbaren Schwierigkeiten gestanden hätte, wenn der Akkreditivbetrag ohne Gerichtsbeschluss zurückgehalten worden wäre. Aber auch wenn es dahingestellt bleibt, wie die Bank sich verhalten hätte,konnte sich der Käufer auf keine unklare Situation einlassen, zumal seine Bank sich auch an die Dokumentenpräsentationsfrist von nur 16 Tagen nach der erfolgten Verschiffung, wie sie sich aus den Akkreditivbedingungen ergab, gebunden fühlte. Diese Frist wäre am 22.5. abgelaufen. An diesem Tag hätte gezahlt werden müssen. Angesichts der nur noch wenigen Tage blieb dem Käufer kein anderer Weg als der Gerichtsbeschluss.