Recht und Steuern

E 4 d Nr. 30

E 4 d Nr. 30  Gefälschte Dokumente im Abladegeschäft keine höhere Gewalt. Haftung für Verschulden des Abladers und seiner Erfüllungsgehilfen

1. Beim Abladegeschäft haftet der Verkäufer für das Verschulden des Abladers und dessen Erfüllungsgehilfen.

2. Kriminelle Handlungen wie Dokumentenfälschungen sind keine höhere Gewalt.
3. Eine Nachfristsetzung ist beim Abladegeschäft entbehrlich.
4. Der zu ersetzende Schaden umfasst auch die Kosten für einen gerichtlichen Beschluss, der der Bank des Käufers die Zahlung des Kaufpreises aus dem vereinbarungsgemäß gestellten unwiderruflichen Akkreditiv an den Verkäufer untersagt.
Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbandes e.V.
Schiedsspruch vom 16.3.1999 RKS E 4 d Nr. 30
Aus dem Sachverhalt:
Die Beklagte verkaufte der Klägerin gem. Kontrakt vom 19.3.1998 zu EKK-Bedingungen:
  • Menge/Quantity:  396 MT = 24 Container of 16,5 MT each
  • Qualität/Quality:  Thailand Robusta Raw Coffee FAQ, humidity max 12% / below scr 6,6 max 2,5 % / foreign matters max 0,5% / black/brokens max 2% 
  • Preis und Verkaufsbedingungen/Price and terms of sale: US$ 1.505 p/MT, C + F Hamburg net shipping weight
  • Verschiffung/Shipment period: end of April / 1st half of May, the latest 15th May 1998
  • Zahlung/Payment: against transferable and divisible Letter of Credit to be opened by end of March 98 in favour of sellers
  • Arbitrage. Hamburg.
Einen korrespondierenden Einkaufskontrakt über 396 MT Thailand Robusta-Kaffee, die von Bangkok aus verschifft werden sollten, schloss die Beklagte zeitgleich mit der Fa. H in Hongkong mit der Maßgabe, dass ein unwiderrufliches Akkreditiv zugunsten der Fa. B in Bangkok zu eröffnen sei. Über die K-Agentur erhielt die Kl. am 11.5. vier Konnossementskopien mit der Bemerkung, dass diese Kopien als offizielle Verschiffungsanzeige anzusehen seien. Die Kl. legte die Kopien der Schweizer Agentur R. zwecks Echtheitsprüfung vor und erhielt am 14.5. die Auskunft, dass die Kopien lt. Auskunft der Reederei gefälscht seien. Von der SGS Société Générale de Surveillance erhielt die Kl. die Auskunft, dass auch die ihr zugesandten Gewichts- und Qualitätszertifikate gefälscht seien. Die Kl. bat daraufhin ihre Bank, die Akkreditivzahlung zurückzuhalten und erwirkte durch einen Anwalt beim Distriktgericht Lausanne am 18.5. ein Verbot an die Bank, den Akkreditivbetrag zugunsten der Bekl. zu transferieren. Der Anwalt berechnete dafür Sfr. 10.000. Verhandlungen über eine Ersatzlieferung scheiterten. Die Kl. verlangte Schadensersatz. Die Bekl. beruft sich auf höhere Gewalt.
Aus den Gründen:
1.Grundlage für den Schadensersatzanspruch der Klägerin ist wegen des fixgeschäftlichen Charakters des Abladegeschäftes § 376 HGB i.V.m. Art. 23 a und b EKK. Der beklagte Verkäufer verletzt die Abladeklausel, wenn die kontrahierte Ware nicht innerhalb der kontraktgemäßen Frist abgeladen, d.h. verschifft wird. Als Verkäufer der 396 MT Thailand-Robustakaffee war die Bekl. verpflichtet, der Kl. kontraktgemäße Dokumente anzudienen. Dieser Verpflichtung ist die Bekl. nicht nachgekommen. Die äußerlich in Ordnung befindlichen Konnossemente sowie die Gewichts- und Qualitätszertifikate waren unstreitig gefälscht. Der gekaufte Thailand-Robustakaffee wurde unstreitig nicht verschifft. Damit wurde der Kontrakt der Parteien nicht erfüllt und die Schadensersatzpflicht der Bekl. gegenüber der Kl. ausgelöst. Die Schadensersatzpflicht der Bekl. setzt gem. § 376 Abs. 1 HGB allerdings Verzug und damit ein Verschulden ihrerseits voraus. Zwar wurde die bekl. Verkäuferin  von den Dokumentenfälschungen genauso überrascht wie wie die Kl. Sie haftet jedoch für das Verschulden des Abladers und dessen Hintermänner, die ihre Erfüllungsgehilfen waren. 
2.Zu Unrecht beruft sich die Bekl. auf Force Majeure i.S.d. Art. 21 EKK. Auch wenn die Fälschung der Dokumente außerhalb ihres Einflussbereichs stand und für sie unvorhersehbar  war, geht das Argument der Bekl. fehl. Denn Force Majeure bzw. Höhere Gewalt ist ein von außen kommendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares zufälliges Ereignis, das ursächlich für die Beeinträchtigung ist (NJW 87, 1938). In Frage kommen Krieg, Kriegsgefahr, innere Unruhen, Epidemien, vor allem aber Naturkatastrophen wie Erdbeben, Blitzschlag und Überschwemmungen. Kriminelle Handlungen wie Dokumentenfälschungen, die gerade im überseeischen Abladegeschäft dann und wann vorkommen, fallen nicht unter den Begriff der Höheren Gewalt.
3.Die Bekl.übersieht auch, dass die Kl. ihr für die Lieferung des Kaffees keine Nachfrist zu setzen brauchte. Denn die Besonderheit des Fixgeschäfts liegt darin, dass bei Nichteinhaltung der Leistungszeit Unmöglichkeit eintritt. Die Leistungszeit ist für ein Fixgeschäft wesentlich. Mit ihr soll das Geschäft stehen und fallen. Zugunsten des Käufers gilt die nicht entkräftbare Vermutung, dass eine verspätete Erfüllung für ihn kein Interesse mehr hat. Eine Verpflichtung des Käufers, dem Verkäufer eine Nachfrist zur Nachholung der versäumten Handlung zu setzen, fällt deshalb beim Abladegeschäft fort (Haage, Das Abladegeschäft, 4. Aufl. S. 9).
4.Außer den sich aus der konkreten Schadensberechnung ergebenden Differenzbeträgen kann die Klägerin auch die Gebühr, die sie ihren Anwälten in Lausanne gezahlt hat, als Schaden geltend machen. Die Klägerin musste durch ihre Anwälte das Bezirksgericht in Lausanne anrufen und einen Beschluss dieses Gerichts erwirken, weil sie nur auf diesem Wege sichergehen konnte, dass ihre Bank den Akkreditivbetrag aus dem eröffneten unwiderruflichen Akkreditiv nicht an die Deutsche Bank in Hamburg zugunsten des beklagten Verkäufers transferieren würde. Für die Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin ihre Bank nur mit der Begründung, die Dokumente seien gefälscht, anzuweisen brauchte, den Akkreditivbetrag zu stoppen, hat die Bekl. keinen Beweis angetreten. Das Schiedsgericht nimmt es im Gegenteil der Kl. ab, dass ihre Bank vor unübersehbaren Schwierigkeiten gestanden hätte, wenn der Akkreditivbetrag ohne einen Gerichtsbeschluss zurückgehalten worden wäre. Aber auch wenn es dahingestellt bleibt, wie die Bank sich verhalten hätte, konnte sich die Kl. auf keine unklare Situation einlassen, zumal ihre Bank sich auch an die Dokumentenpräsentationsfrist von nur 16 Tagen nach der erfolgten Verschiffung, wie sie sich aus den Akkreditivbedingungen ergab, gebunden gefühlt hatte. Die Frist wäre am 22.5.1998 abgelaufen. An diesem Tag hätte gezahlt werden müssen. Angesichts der nur noch wenigen Tage bis zu diesem Termin blieb der Klägerin kein anderer Weg, als ihrer Bank durch das Gericht die Auszahlung des Akkreditivbetrages untersagen zu lassen. Sie war dabei auf anwaltliche Hilfe angewiesen.