Recht und Steuern

G1 Nr.4

G1 Nr.4
§§ 249, 252,325 BGB; § 89a HGB Außerordentliche Kündigung eines Eigenhändlervertrages wegenProduktionseinstellung. Angemessene Fristen, Schadensersatzpflicht
Ein Vertragshändler/Eigenhändler hat aus dem Vertriebsvertrag gegen den Unternehmer,der seinen Betrieb einstellt, keinen Anspruch auf Fortführung des Betriebszwecks Erfüllung des Vertriebs­vertrages. Der Unternehmer kann im Rahmen seinesunternehmerischen Ermessens seinen Geschäftsbetrieb auf Grund sachlicherwirtschaftlicher Erwägungen einstellen, sobald er erkennt, dass er seinegeplante Kapitalrendite nicht erreicht, oder sobald ein wirtschaftlicherNiedergang absehbar ist.
Ob er oder die Konzernmutter in anderen Betrieben und ProduktionszweigenGewinne macht, ist gleichgültig; eine Rechtspflicht zur Quersubventionierungwäre marktwirtschaftlich verfehlt.
Diese Entscheidung des Unternehmers muss die Rechtsordnung in einerMarktwirtschaft, auch in einer sozialen Marktwirtschaft, respektieren.Unternehmer und Vertriebspartner bilden insoweit eine Schicksalsgemeinschaft,die gegenseitig zur Rücksicht verpflichtet.
Mit dieser Maßgabe kann grundsätzlich der Unternehmer denVertriebsvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen. Der Unternehmermuss ggf. diese Kündigung in einer angemessenen Frist aussprechen, sobald er inder Lage ist, eine sachlich begründete Entscheidung zu treffen; ihm muss eineangemessene Überlegungsfrist zur Sachverhalts­aufklärung und zur Abwägung derwirtschaftlichen Auswirkungen einer Kündigung verbleiben. Bezüglich derKenntnis der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen kommt es bei einemKonzernunternehmen auf dessen Organe an, nicht auf das irgendwo imKonzern vorhandene Wissen.
Bei der Kündigung muss der Unternehmer eine angemessene Beendigungsfristsetzen. Welche Frist angemessen ist, ergibt sich in jedem Einzelfall aus einerAbwägung zwischen dem Interesse des Unternehmers, seinen unrentablen Betriebmöglichst bald aufzugeben, und dem Interesse des Vertriebspartners an einer ausreichenden Auslauf- und Übergangszeit, um sich am Markt umzustellen.
Bei Beachtung dieser Grundsätze ist der Unternehmer wegen deraußerordentlichen Kündigung des Vertriebsvertrages nichtschadensersatzpflichtig.
Schiedsgerichtder Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS)
Schiedsspruchvom 17.1.1997 - DIS-SV-B 627/96; Betriebs-Berater Beilage 11 vom 23.9.1999 =RKS G 1 Nr. 4
DieSchiedsklägerin - eine deutsche Import-Export-GmbH - und die Schiedsbeklagte -eine zum nichtdeutschen A-Konzern gehörende Tochtergesellschaft - streiten umdie Berechtigung zur vorzeitigen Kündigung eines Vertriebsvertrages über Gerätewegen Produktionseinstellung und Betriebsveräußerung durch die Schiedsbeklagte.
Aus denGründen:
DieSchiedsklage ist zulässig, aber nicht begründet. Ein Schadensersatzanspruchentweder nach §§ 325, 249, 252 BGB wegen Nichterfüllung desDistributor-Vertrages oder wegen positiver Vertragsverletzung durchunberechtigte Kündigung (BGHZ 53, 150, NJW 1967, 248, BB 1979, 242, WM1991, 196; Baumbach/Hopt HGB 29. Aufl. München 1995, § 89a Rd-Nr. 40) mit derFolge der nachträglichen Unmöglichkeit zu liefern infolge Produktions­einstellungund Betriebs­veräußerung ist nicht gegeben. Auch ein Anspruch nach § 87d HGBwegen Ersatz von Aufwendungen, die infolge der unberechtigten Kündigungentstanden sein könnten, ist nicht ersichtlich; § 87d HGB trifft diesen Fallnicht und wäre auch dann, wenn er ihn träfe, aus denselben Gründen wie einSchadensersatzanspruch nicht begründet.
Der Vertragist wirksam zustande gekommen. Er ist mit geänderter Kündigungsklausel von derKl. am 6.2.1996 unterschrieben und dann an die Bekl. geschickt worden. Diesehat im folgenden den Vertrag als wirksam behandelt; dass er mit dem geändertenInhalt von der Bekl. nicht noch einmal eigens unterschrieben worden ist, istrechtlich ohne Bedeutung.
Der Vertragist nach Anlage und Inhalt ein typischer Vertragshändler- bzw. Eigen­händler­vertrag(vgl. Graf von Westphalen in Hopt [Hrsg.]Vertrags- und Formularbuch zumHandels-, Gesellschafts-, Bank- und Transportrecht, München 1995, I.G.3mit Anm. 2). Er sieht vor, dass die Kl. die Vertragswaren von der Bekl. imeigenen Namen und für eigene Rechnung kauft und auch ihrerseits gegenüber ihrenKunden als „independent merchant” auftritt (§ 3.1). Er ist aus wichtigemGrund nach § 89a HGB zum 31.12.1996 aufgelöst worden. Die diesbezüglicheaußerordentliche Kündigung ist von der Bekl. am 27.6.1996 auf den 31.12.1996ausgesprochen worden, nachdem eine Vorab­information über die Betriebs­einstellungam 28.2.1996 voraus­gegangen war.
Die Betriebs-und Produktionseinstellung der Bekl. ist ein wichtiger Grund im Sinne von§ 89a HGB (h.M.: BGH VersR 1958, 243 zu § 89a HGB; NJW 1986, 1931 - imkonkreten Ergebnis ablehnend; OLG Hamm NJW-RR 1988, 550 - allerdings mit dernur von einer Minderheit vertretenen und dogmatisch problematischen, weil derspezielleren Regelung der Kündigung nachgehenden Konstruktion über Wegfall derGeschäftsgrundlage; vgl. auch BGH NJW 1959, 1964; BGHZ 49,39 = NJW 1968, 394 -jeweils zu § 89b HGB; Ulmer, Der Vertragshändler, München 1969 S. 461, 483;v.Hoyningen-Huene in MüKo HGB München 1996, § 89a Rd-Nr. 51; Baumbach/Hopt aaO.§ 89a Rd-Nr. 21, auch § 87a Rd-Nr. 28; Martinek/Semler, Handbuch desVertriebsrechts, München 1996 § 10 Rd-Nr. 20; zwar ausdrücklich ablehnend, abermit dem gleichen Ergebnis über Wegfall der GeschäftsgrundlageStumpf/Jaletzke/Schultze Der Vertragshändlervertrag 3. Aufl. 1997 Rz 656).
Dem liegt derGrundsatz des deutschen Handelsvertreter- und Vertragshändlerrechts zugrunde,dass es zur wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Unternehmers gehört, ober weiter produziert oder besser aufhört. Es gibt also keinen Anspruch desHandelsvertreters oder Vertragshändlers auf Fortsetzung der Produktion (odergleichbedeutend: positives Interesse) zwecks Erfüllung entsprechenderHandelsvertreter- oder Vertragshändlerverträge. Der Unternehmer kann vielmehrin solchen Fällen außerordentlich kündigen, ohne dass der Handelsvertreter oderVertragshändler Ersatzansprüche wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung geltendmachen könnte. Denn eine solche Beendigung liegt im gemeinsamen Risiko beiderParteien. Der Vertriebsmittler kann nicht anders, wie der BGH in einemHandelsvertreterfall ausgesprochen hat (VersR 1958, 243, 244), als „an demgeschäftlichen Niedergang teilhaben”.
Es bestehtauch für den Unternehmer keine Pflicht, den tatsächlichen Niedergangabzuwarten. Die außerordentliche Kündigung ist vielmehr schon vorher möglich(BGH VersR 1958, 243, 244). Es kann insoweit keinesfalls Sache eines(staatlichen oder Schieds-)Gerichts sein, von Rechts wegen den Zeitpunkt derzulässigen Betriebs- oder Produktionseinstellung zu bestimmen; das ist eineunternehmerische Entscheidung, die die Rechtsordnung in einer Marktwirtschaft,auch einer sozialen, respektieren muss (BGH NJW 1959, 1964 - zu § 89b HGB; NJW1968, 394), jedenfalls sofern der Unternehmer im Rahmen der kaufmännischenEntschließungsfreiheit auf Grund sachlicher wirtschaftlicher Erwägungenhandelt.
Es kommt auchnicht darauf an, ob tatsächlich dauerhaft rote Zahlen geschrieben werden odernicht. Die Betriebs- und Produktionseinstellung mit der Konsequenz dervorzeitigen Lösung aus dem Vertriebsvertrag muss vielmehr schon dann rechtlichzulässig sein, wenn der Unternehmer seine geplanten Kapitalrenditen nichterreicht. Entscheidend ist nur, dass dieser sich mangels Rentabilität von demBetrieb bzw. der Produktion endgültig löst, sei es durch Einstellung, sei esdurch Veräußerung. Dass dies hinsichtlich der Bekl. so war, steht nach derZeugenvernehmung für das Schiedsgericht fest. Eine Bilanzvorlage seitens derKonzern­mutter in diesem Schieds­verfahren war dazu nicht nötig. Keinesfallskann es darauf ankommen, ob die Konzern­mutter selbst oder über andere Töchterin anderen Branchen und Produktions­zweigen Gewinne macht. Das zuberücksichtigen, liefe auf einen markt­wirtschaftlich völlig verfehltenRechtszwang zur Quersubventionierung im Unternehmen bzw. Konzern hinaus, fürden es in Rechtsprechung und Literatur keine Grundlage gibt. Auch BGH NJW 1986,1931 gibt dafür keinen Anhaltspunkt, war es dort doch so, dass die Vertriebs­tätigkeitim Konzern gerade nicht eingestellt, sondern nur auf ein Konzern­schwester­unternehmenverlagert wurde.
Ausnahmefällevon diesem Grundsatz sind zwar denkbar, im Fall hier aber nicht gegeben. Eskann hier weder die Rede davon sein, dass die Bekl. durch den Abschluß desDistributor-Vertrags noch kurz vor Betriebs- und Produktionseinstellung ein vonihr zu tragendes Risiko übernommen habe, wie das vereinzelt fürAusnahmesituationen für möglich gehalten wird, wenn der Unternehmer in vollerKenntnis seiner eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten einen Vertriebsvertragmit einer langen ordentlichen Kündigungsfrist abschließt (vgl. BGH VersR 1958,243, 244). Ebenso wenig liegt hier ein Verstoß des Unternehmers gegen eine Rück­sicht­nahme­pflichtvor, die möglicherweise anzunehmen wäre, wenn die Betriebseinstellung wegenwirtschaftlicher Verluste schon länger vorhersehbar war, mit der Rechtsfolge,dass dann die fristlose Kündigung ausgeschlossen wäre (vgl. BGH NJW 1986,1931).
Allerdings istder Zeitraum zwischen dem Abschluss des Distributor-Vertrages und derAnkündigung der Betriebseinstellung außergewöhnlich kurz. Dabei kommt es nichtauf die Vertragsunterzeichnung seitens der Bekl. am 11.12.1995, sondern auf dietatsächliche Akzeptanz der Änderung hinsichtlich der Vertragsdauer an, alsoeinen Zeitpunkt, der am oder um den 16.1.1996 liegt. Die Ankündigung derBetriebseinstellung erfolgt bereits am 28.2.1996, also nur etwa 1 ½ Monatespäter.
Die Bekl.wurde aber von der Entscheidung der Konzernmutter, sich bei Fehlschlag andererVarianten aus dem Gerätegeschäft zurückzuziehen, überrascht. Dem deutschenManagement wurde das erst am 27.2.1996 abends vom damaligen Präsidenten von Amitgeteilt.
EineZurechnung des Wissens der Konzern­mutter bei den Konzern­töchtern scheidethier aus. Es ist schon aus rechtlichen Gründen höchst fraglich, ob die von derRechtsprechung entwickelte, in ihrer Reichweite problematische und umstritteneWissens­zurechnung im Unternehmen (dazu BGHZ 109, 327; 117, 104; NJW 1989, 2879und 2881; 1995, 2159; 1996, 2105; Grunewald, Festschrift für Beusch 1993 S.301; Waltermann AcP 192 [1992] 181 und zuletzt Nobbe in Bankrechts-Handbuch § 61Rd-Nr. 151 für das Scheckinkasso) konzern­dimensional gesehen werden kann.Recht­sprechung gibt es dazu bisher, soweit ersichtlich, nicht, und in derLiteratur wird auch von denen, die besonders weit gehen (z.B. Canaris, Bank­vertrags­recht3. Aufl. 1988 Rd-Nr. 106), nicht behauptet, „dass ein Unternehmen nunhinsichtlich sämtlicher Informationen immer als Einheit zu behandeln ist”, und- aus guten Gründen - erst recht nicht, dass der Konzern insoweit als Einheitzu behandeln sei. Selbst wenn man das aber im Grundsatz nicht ausschließenwürde, kommt eine solche Zurechnung des Wissens der Konzern­mutter der Bekl.von ihren Rückzugs­plänen an die Bekl. selbst jedenfalls im vorliegenden Fallder Betriebsaufgabe nicht in Betracht. Das liefe nämlich darauf hinaus, dasseine Konzern­mutter alle ihre über die Welt verstreuten Konzern­töchter auf demlaufenden darüber halten müsste, ob und wann sie derartige Umstrukturierungs­maßnahmenim Konzern trifft. Dann wäre die Neuorientierung im Konzern und die Veräußerungvon Konzern­teilen in hohem Maße erschwert. Eine diesbezügliche Wissens­zurechnungim Konzern wäre - auch bei 100%igen Töchtern - wirtschaftlich dysfunktional undrechtlich praxisfremd, zumal grenzüberschreitend. Für die Kenntnis desUnternehmers im Sinne des oben erwähnten Urteils kommt es vielmehr auf diejuristische Person bzw. ihre Organe an, nicht auf ein irgendwo im Konzernvorhandenes Wissen. Ein „Konzern­durchgriff” scheidet aus, alles andere wäreein Novum ohne Präjudizien und handfeste Gründe.
Die danachzulässige außer­ordentliche Kündigung war auch nicht verspätet oder wegenVerwirkung unwirksam, wie aus der Vorgeschichte der Kündigung vom 28.2 bis27.6.1996 ersichtlich.
DieAnkündigung des Rückzugs von A aus dem Gerätegeschäft erfolgte am 28.2.1996.Bereits in diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass die für 1996eingegangenen Liefer­verpflichtungen erfüllt würden. Die Kl. war damit gewarnt,dass Lieferungen über 1996 hinaus und auch Mehr­lieferungen in 1996 über diebereits vereinbarten Mengen hinaus nicht ins Auge gefasst waren. Am 4.3.1996wurde die Warnung wiederholt. Auch wenn es dort hieß, eine Schließung desGeräte­geschäfts stehe nicht zur Diskussion, war doch klar vorbehalten: „Mitdem endgültigen Entscheid rechnen wir in einigen Wochen.” Die Kl. war sich derunsicheren Lage auch sehr wohl bewusst, wie etwa ihr Schreiben vom 23.4.1996zeigt, wo es heißt, „dass die Entwicklung bei A für uns besorgnis­erregend ist”und „hoffe, dass Ihre Firmen­leitung eine Lösung für die Weiterführung unsererZusammenarbeit findet”. Am 7.5.1996 schrieb die Bekl. an die Kl. in Antwort aufderen Brief vom 23.4.1996, dass A sich nach jahre­langen Verlusten tatsächlichbis Ende 1996 aus der Geräte-Branche zurück­ziehen werde. Die Kündigungerfolgte dann am 27.6.1996, also ungefähr vier Monate nach der erstenAnkündigung. Das war nicht zu spät.
Unzweifelhaftist zunächst, dass § 626 Abs. 2 BGB auf Handels­vertreter und Vertrags­händlerunanwendbar ist, BGH NJW 1982, 2432; BB 1994, 815 (816). Vielmehr gilt hier derSatz, dass die außer­ordentliche Kündigung innerhalb einer angemessenen Fristerfolgen muss. Dazu gibt es zunächst höchst­richterliche Rechtsprechung, dassdiese Frist auch über zwei Monate dauern kann (BGH NJW 1982, 2432, 2433).Spätere Entscheidungen, zuletzt eine des für das Handels­vertreter­rechtzuständigen VIII. Senats, haben diesen Zeitraum auf zwei Monate eingegrenzt(BGH BB 1983, 1629; BB 1992, 1662; BB 1994, 815 [816: nicht daranfestgehalten]; Baumbach/Hopt aaO. § 89a Rd-Nr. 30). Allerdings spricht auchBGH BB 1994, 815 [816]sehr vorsichtig von „im Regelfall”, vom Verbot derSammlung von Kündigungs­gründen gleichsam „auf Vorrat” und anderen denEinzelfall betreffenden Umständen.
Dabei ist aberzu berücksichtigen, dass diese Entscheidungen zu einer anderen Fallgruppe vonwichtigen Gründen ergangen sind. So war in der Entscheidung BGH 1983, 1629 eineKündigung durch den Unternehmer wegen pflicht­widrigen Verhaltens des Handels­vertreterszu beurteilen, zwei Monate wurden als zu spät angesehen. In BGH 1994, 815 ginges um die Kündigung eines Bierlieferungs-Vertragshändlervertrags wegen Nicht­einhaltungder vertraglichen Mindest­abnahme­pflicht, auch dazu wurden zwei MonateZuwarten als in der Regel zu lang angesehen. Dahinter steht als gemeinsameLeitlinie, dass dem Kündigenden eine angemessene Überlegungs­frist zurSachverhalts­aufklärung und Abwägung der wirtschaftlichen Auswirkungen einerKündigung verbleiben muss (Baumbach/Hopt aaO. § 89a Rd-Nr. 30 m.w.N.).Bei Vertrags­verletzungen muss sich also der Betroffene überlegen, ob er vonseinem Recht, sich daraufhin vorzeitig vom Vertrag zu lösen, wirtschaftlichGebrauch machen kann und will. Er kann den anderen Teil, auch wenn dieserAnlass zur außer­ordentlichen Kündigung gegeben hat, nicht unangemessen langehinhalten, sondern muss sich entscheiden.
Der Fall liegthier anders. Es geht um eine außer­ordentliche Kündigung wegen Betriebs- bzw.Produktionseinstellung. Die Besonderheit dieses außerordentlichenKündigungsgrundes ist, dass dieser gerade nicht ein Verhalten des anderen Teilsbetrifft, das zurückliegt und in angemessener Zeit „beantwortet” werden muss,sondern eine fortdauernde Situation, nämlich laufende Verluste bzw. eineandauernde Geschäftslage, die vom Unternehmer als verlustbringend oderjedenfalls als nicht hinreichend rentabel, um sie fortzusetzen, eingeschätztwird. Eine zweimonatige Überlegungsfrist wie in den Vertragsverletzungsfällenmacht hier keinen Sinn. Vielmehr „entsteht” das außerordentlicheKündigungsrecht hier in gewisser Weise immer wieder neu, nämlich wenn derUnternehmer bestimmte Verluste zunächst noch hinnimmt, dann vielleicht nocheinmal abwartet, um eine Lösung, z.B. durch Suche eines Partners, zu finden,und schließlich „die Notbremse zieht”. Ihn vorzeitig zur definitivenaußerordentlichen Kündigung zu zwingen, ist nicht nur mit dem oben erörtertenGrundsatz der unternehmerischen Entscheidungs­freiheit und gemeinsamen Risiko­tragungvon Unternehmer und Vertriebs­mittler unvereinbar, sondern auch gar nicht imInteresse des Handels­vertreters oder Vertrags­händlers selbst. Wenn noch eineChance zur Fortsetzung bleibt, soll der Unternehmer sie auch im Interesse desVertriebs­mittlers nutzen können.
Das heißt nicht,dass es für die Ausübung dieses außer­ordentlichen Kündigungs­rechts keineFristen und Grenzen gebe. So ist es sicher anders zu beurteilen, wenn derUnternehmer z.B. den Vertriebs­mittler täuscht oder treuwidrig zu weiterenInvestitionen veranlasst, obwohl er selbst die Entscheidung aufzugeben bereitsgetroffen hat. Auch kommt wie immer Verwirkung in Betracht (vgl. Baumbach/HoptaaO. § 89a Rd-Nr. 31 f). Im vorliegenden Fall war es aber gerade nicht so: DieBereitschaft zur Vertrags­erfüllung bis Ende 1996 war angekündigt, darüberhinaus musste die Kl. mit unternehmerischen Maßnahmen rechnen, die sieunmittelbar betrafen. Zu keinem Zeitpunkt zwischen 28.2.1996 und 27.6.1996konnte die Kl. davon ausgehen, dass sie nunmehr fest mit der normalen Abwicklungdes Vertrages bis hin zum normalen Vertrags­ende durch ordentliche Kündigungrechnen konnte. Von einer Willkür­entscheidung des Unternehmers oder gar einerVerwirkung, für die das bloße Zeitelement nach einhelliger Ansicht gerade nichtausreicht (Baumbach/Hopt aaO. § 89a Rd-Nr. 31 f, § 88 Rd-Nr. 6; auchv.Hoyningen-Huene in MüKo HGB aaO. § 89a Rd-Nr. 66) , kann hier keine Redesein.
Schließlichhat die Bekl. bei ihrer außer­ordentlichen Kündigung wegen Betriebs- bzw.Produktions­einstellung auch einen angemessenen Beendigungs­termin eingehalten.Die Frage, welche Zeit der Unternehmer bei einer solchen außer­ordentlichenKündigung mit Rücksicht auf den Handelsvertreter bzw. Vertrags­händlereinhalten muss, ist eine Sache der richtigen Interessen­abwägung zwischen demInteresse des Unternehmers, eine unrentable Produktion aufzugeben, und demInteresse des Vertriebs­mittlers - nicht am Fortbestand der Beziehung, dieseist nach dem Ausgangs­grundsatz gerade nicht geschützt - sondern an einerAuslaufs- und Übergangs­zeit, um sich am Markt umzustellen. Diese Zeit kann nurkurz sein, weil der eine Teil ja mit jeder Verlängerung rechtlich weiter zurunrentablen Produktion bzw. entsprechendem Schadensersatz gezwungen wird, wasim Grundsatz gerade nicht verlangt werden kann.
OLG Stuttgart(NJW-RR 1990, 491) hat entschieden, dass in dem dortigen Fall der Kündigungeines Kfz-Vertragshändlers wegen geänderter geschäftlicher Dispositionenseitens des Unternehmens als angemessen lange Kündigungsfrist ein Jahranzusehen sei. Zu beachten ist dazu allerdings, dass dies nur für dieordentliche Kündigungsfrist und nur im Wege der AGB-Kontrolle einer Klauselausgesprochen wurde, die eine nur dreimonatige Kündigungs­frist zum Jahresendevorgesehen hatte. Es ging also dabei gerade nicht um eine außer­ordentlicheKündigung wegen Verlust­vermeidung durch Produktions­einstellung oder Betriebs­veräußerung.Für eine solche außer­ordentliche Kündigung kann als angemessene Frist nur einekürzere als für eine ordentliche angenommen werden, sonst macht ein Recht zuraußer­ordentlichen Kündigung schon logisch keinen Sinn.
Direkteinschlägig ist hier dagegen die Entscheidung des OLG Hamm (NJW-RR 1988, 550,551), in der sechs Monate als angemessen für eine außerordentliche, aberfristgebundene Kündigung angesehen wurden. Diese Entscheidung wird, soweit siein der Literatur ausdrücklich angesprochen wird, zustimmend zitiert, z.B.Stumpf/Jaletzke/Schultze, aaO. Rz. 656. Diese Fristbestimmung erscheint in derTat als angemessene Interessenabwägung.
DieseEinschätzung wird durch folgende Hilfs­überlegung unterstützt. § 89 Abs. 1 HGBsieht bei auf unbestimmte Zeit eingegangenen Handels­vertreterverträgen imersten Jahr eine ordentliche Kündigung mit einer Frist von einem Monat, imzweiten eine solche mit einer Frist von zwei Monaten, im dritten bis fünftenJahr eine Frist von sechs Monaten, und zwar zum Schluss eines Kalender­monatsvor. Das heißt: Sechs Monate zum Schluss eines Kalenderjahres gelten demGesetzgeber - sogar für eine ordentliche Kündigung - als ein Interessen­ausgleich,der angemessen ist. Das muss erst recht für eine außer­ordentliche Kündigungaus den hier in Frage stehenden besonderen wichtigen Gründen gelten.
Imvorliegenden Fall hat die Bekl. nicht nur die Sechs­monats­frist zum Jahres­ende1996 eingehalten. Vielmehr war dieser Kündigung die Ankündigung des Rückzugsvon A aus dem Gerätegeschäft schon am 28.2.1996 zugegangen. Gewiss gab eszwischendurch noch Hoffnung, wie bereits das erwähnte Schreiben von A vom4.3. 1996 zeigte. Aber eine verlässliche Entwarnung war das nicht, vielmehr warsich die Kl. der „für uns besorgnis­erregend(en)” Entwicklung bei A sehr wohlbewusst (ihr Schreiben vom 23.4.1996). Wirtschaftlich gesehen hatte die Kl. imvorliegenden Fall also nicht nur sechs, sondern etwa zehn Monate Zeit, sich aufdie Unsicherheiten einzustellen, auch wenn natürlich in diesem ZeitraumVerhandlungen zwischen den Schiedsvertragsparteien geführt wurden.
Ein längererZeitraum als sechs Monate - auf jeden Fall aber als zehn Monate - ist in einermodernen, globalisierten, schnelllebigen Wirtschaft weder dem Unternehmer, dernicht mehr rentabel arbeitet, zumutbar, noch von einem Vertriebsmittler(Handelsvertreter ebenso wie Vertragshändler), der nach der Grundwertung desdeutschen Rechts „im gleichen Boot sitzt” wie sein Unternehmer und Lieferant,als Auslaufs- und Übergangszeit als notwendig und angemessen reklamierbar.
DasSchiedsgericht konnte auch nicht feststellen, dass die Bekl. ihre vertraglichenLieferpflichten bis zur vorzeitigen Beendigung der Verträge zum 31.12.1996verletzt hätte...(wird ausgeführt).