Berufliche Bildung

Nachteilsausgleich bei Prüfungen der beruflichen Bildung

Viele Menschen mit Behinderungen haben in Prüfungen besondere Probleme.
Beispiel: Ein Auszubildender hat eine starke Seh-Behinderung. Der Auszubildende kann die schriftlichen Prüfungsaufgaben nicht lesen.

Nachteilsausgleich

Die Hilfe: Menschen mit Behinderungen können für ihre Prüfungen "Nachteilsausgleich" beantragen. "Nachteilsausgleich" bedeutet: Die Prüfung wird so verändert, dass die Behinderung den Prüfungsteilnehmer möglichst wenig einschränkt/behindert.
Beispiele für Nachteilsausgleiche:
  • Änderungen bei der Prüfungs-Zeit,
    z. B. Zeit-Verlängerung, mehr Pausen, längere Pausen
  • Änderungen der Prüfungs-Form,
    z.B. schriftliche Prüfung statt mündlicher Prüfung
  • Hilfen bei der Prüfungs-Sprache (z. B. Hilfsperson, die Aufgaben erklärt)
  • technische Hilfen
    z. B. Seh-Hilfen oder besondere Apparaturen für Prüfungsteilnehmer mit Körperbehinderung
  • Hilfen durch Personen
    z.B. eine Vertrauensperson oder ein Gebärdensprach-Dolmetscher
Nachteilsausgleich kann man für Ausbildungs-Prüfungen und Fortbildungs-Prüfungen beantragen.
Wieder das Beispiel:
Für den Auszubildenden mit Seh-Behinderung muss man die Prüfungs-Aufgaben viel größer machen. Wenn die Buchstaben sehr groß sind, dann kann der Auszubildende immer ein Wort oder Wort-Teil ohne fremde Hilfe lesen.
Der Auszubildende beantragt bei der Handelskammer als Nachteilsausgleich:
  • Prüfung am Computer bearbeiten. Der Computer soll ein Vergrößerungs-Programm haben.
    Grund: Aufgaben ohne fremde Hilfe lesen
  • Zeitverlängerung.
    Grund: Zum Lesen der vergrößerten Aufgaben braucht man viel mehr Zeit.
  • Mehr Pausen pro Prüfungsfach.
    Grund: Beim Lesen der vergrößerten Aufgaben muss man sich besonders anstrengen.

Die Handelskammer entscheidet

Die Handelskammer muss den Antrag auf Nachteilsausgleich prüfen: Haben alle Prüfungsteilnehmer gleich gute Prüfungs-Bedingungen ("Grundsatz der Chancengleichheit")? Die Prüfungs-Bedingungen für einen Menschen mit Behinderung dürfen nicht schlechter und nicht besser sein, als die Prüfungs-Bedingungen der anderen Prüfungsteilnehmer.
Die Handelskammer prüft:
  • Hat die Prüfung mit Nachteilsausgleich die gleichen Prüfungs-Inhalte wie die Prüfung ohne Nachteilsausgleich? Man darf nur die Prüfungs-Form verändern. Die Prüfungs-Inhalte darf man nicht verändern.
  • Wird die Prüfungs-Leistung bei allen Prüfungsteilnehmern gleich streng bewertet? Wenn die Prüfungs-Leistung gleich ist, dann müssen auch die Noten gleich sein.
  • Hat der behinderte Mensch mit den beantragten Nachteilsausgleichs-Maßnahmen weniger / keine Nachteile mehr in der Prüfung?

Antrag auf Nachteilsausgleich stellen

Regeln für die Anträge auf Nachteilsausgleich:
  • Jeder Antrag auf Nachteilsausgleich wird einzeln geprüft (Einzelfall-Entscheidung).
  • Man kann Nachteilsausgleich nur für einzelne Personen beantragen, nicht für eine Personen-Gruppe.
  • Bei kürzeren Krankheiten (z.B. Arm gebrochen) bekommt man keinen Nachteilsausgleich.
Bitte benutzen Sie für Ihren Antrag unser Antrags-Formular für den Nachteilsausgleich (DOCX-Datei · 78 KB)!

Wann müssen Sie den Antrag stellen?

Spätestens wenn Sie sich zur Prüfung anmelden, dann müssen Sie den Antrag auf Nachteilsausgleich stellen. Noch besser ist es, wenn Sie den Antrag früher stellen. Wenn Sie den Antrag zu spät stellen, dann kann der Nachteilsausgleich vielleicht nicht mehr abschließend bearbeitet und/oder organisiert werden.

Was müssen Sie beachten?

  • Sie müssen beweisen, dass Sie aufgrund einer Behinderung einen Anspruch auf Nachteilsausgleich haben. Dazu brauchen Sie ein Attest (ärztliche Bescheinigung) vom Arzt oder ihren aktuellen Schwerbehinderten-Ausweis. 
  • Was eine Behinderung ist, ist in § 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX festgelegt. Dort heißt es: „Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.“
  • Außerdem brauchen Sie eine Stellungnahme von einem Facharzt oder Psychologen, in der die konkret beantragten Maßnahmen beschrieben und begründet werden
  • In Ergänzung dazu benötigen Sie eine Stellungnahme Ihres Ausbildungsbetriebes, der Berufsschule, des Beratungs- und Unterstützungszentrums Berufliche Schulen (BZBS) oder einer vergleichbaren Einrichtung.
Kümmern Sie sich rechtzeitig um diese Nachweise!

Wer hilft bei der Antragstellung?

Für Auszubildende mit körperlichen und psychischen Behinderungen gibt es Hilfe beim Beratungs- und Unterstützungszentrum Berufliche Schulen BZBS des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung HIBB.

Welche Unterlagen brauchen Sie?

Sie müssen an uns schicken:
  • das ausgefüllte Antrags-Formular
  • die erforderlichen Nachweise (z.B. Atteste, Schwerbehinderten-Ausweis)

Welche Nachweise müssen Sie schicken?

Nachweis über die Behinderung

= eine Kopie des Schwerbehinderten-Ausweises oder ein Attest über die Behinderung.
Wenn Sie einen Berufsausbildungsvertrag für behinderte Menschen haben, reicht das als Nachweis

Beschreibung der notwendigen Nachteilsausgleiche mit konkreter Begründung eines Facharztes oder Psychologen

= der behandelnde Facharzt / Psychologe / ärztliche Psychotherapeut soll für jeden beantragten Nachteilsausgleich genau beschreiben.
  • Warum ist der Nachteilsausgleich wichtig?
    Der Arzt soll die Beeinträchtigungen genau beschreiben (möglichst "quantifiziert"),
    z.B. Verminderung der Wahrnehmung um …%, Beeinträchtigung der Motorik, Verminderung der Lese- und Schreibgeschwindigkeit um …%, eingeschränkte Beweglichkeit der Gliedmaßen, Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates
  • Was genau sollen die Nachteilsausgleiche sein?
    Der Arzt soll genau und für jedes Prüfungsfach einzeln beschreiben, wie der Nachteilsausgleich erfolgen soll, z.B. Verlängerung der Prüfungszeit oder Einsatz technischer Hilfsmittel.
Beispiel:
Schreiben Sie nicht: "Für Beruf A wird eine angemessene Zeitverlängerung beantragt".

Schreiben Sie:
"Für Beruf A im schriftlichen Fach 1 wird eine Zeitverlängerung von … Minuten beantragt.
Für Fach 2 wird eine Zeitverlängerung von … Minuten beantragt.
Für Fach 3 wird eine Zeitverlängerung von … Minuten beantragt.
Für die mündliche Prüfung wird eine Zeitverlängerung von … Minuten beantragt."

Stellungnahmen von Ausbildungsbetrieb, Berufsschule, etc. 

mindestens 1 Stellungnahme folgender Stellen (es sind auch mehrere Stellungnahmen möglich)
  • des Ausbildungsbetriebs oder des Bildungsträgers
  • der Berufsschule
  • des Beratungs- und Unterstützungszentrums Berufliche Schulen (BZBS) – Ansprechpartner für Auszubildende mit körperlichen / psychischen Beschwerden oder Sinnesbehinderungen
  • sonstige Stellen
Die Stellungnahme/n soll/en die Nachteilsausgleiche begründen.
Außerdem ist gut:
  • die Erfahrungen aus der Ausbildung beschreiben.
  • die Nachteilsausgleiche beschreiben, die im Betrieb und in der Schule gewährt wurden.
Wichtig! Im Antrag bzw. den Nachweisen muss genau stehen, welche Maßnahmen für welchen Prüfungsteil beantragt werden!
Haben Sie Fragen zum Ablauf der Prüfung oder zu den Aufgabenstellungen ? Dann sprechen Sie uns an, bevor Sie den Antrag bei uns einreichen. Wir helfen Ihnen gern weiter.

Wie wird der Antrag bearbeitet?

Wenn wir (Handelskammer) alle Unterlagen von Ihnen haben, dann prüfen wir Ihren Antrag und informieren Sie über das Ergebnis. Wenn nicht alle Unterlagen vorliegen, fordern wir diese mit einer Frist nach. 
Wenn Ihr Antrag auf Nachteilsausgleich genehmigt ist, dann organisieren wir Ihre Prüfung. Das bedeutet, wir buchen z.B. einen besonderen Raum oder organisieren die Prüfungsaufsicht für die längere Prüfungszeit. Wir informieren die Prüfer und Prüfungsaufsichten über Ihren Nachteilsausgleich.
Bitte bringen Sie die Genehmigung Ihres Antrages zu Ihrer Prüfung mit.
Achtung! Einen Gebärdensprach-Dolmetscher oder eine Vertrauensperson müssen Sie selber bestellen. Wir sind nur für die Genehmigung zuständig.

Weitere Informationen

Allgemeine Informationen unter www.bibb.de.   
Das Buch "Nachteilsausgleich für behinderte Auszubildende - Handbuch für die Ausbildungs- und Prüfungspraxis" - herausgegeben von BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung; Vollmer, Kirsten; Frohnenberg, Claudia, Erscheinungsjahr 2014 kann man im Buchhandel kaufen (29,90 Euro, ISBN-13: 9783763954070).
Für konkrete Fragen zu Prüfungen vor unserer Handelskammer wenden Sie sich bitte an die Prüfungsmitarbeiter des Geschäftsbereiches Berufsbildung, Sach- und Fachkundeprüfungen,
Telefon: 040 36138-138 , E-Mail: service@hk24.de.
Dieses Dokument sowie das Antragsformular wurden textoptimiert. Optimierte Texte sind so formuliert, dass man sie leicht versteht und keine Nachfragen hat.

Weitere Informationen zum Nachteilsausgleich und für Abschlussprüfungen