SIHK-Standortumfrage 2025

Die Ergebnisse der SIHK-Standortumfrage 2025 ergeben ein klares Bild. Nur jedes achte Unternehmen ist der Meinung, die Standortqualität habe sich in den letzten 5 Jahren verbessert. Rund 55 Prozent der Unternehmen sehen dagegen eine Verschlechterung. Der Wirtschaftsstandort Südwestfalen steht vor vielfältigen Herausforderungen.
Die Unternehmen haben bewertet, wie wichtig ihnen bestimmte Aspekte in verschiedenen Standortfaktoren sind und wie hoch ihre Zufriedenheit mit dem aktuellen Zustand ist. Der größte Handlungsbedarf besteht bei den Standortfaktoren, bei denen die zugesprochene Wichtigkeit besonders stark von der Zufriedenheit mit dem aktuellen Ist-Zustand abweicht. Die größten Investitionsbedarfe knüpfen an diese Handlungsbedarfe direkt an.

Executive Summary: Wirtschaftsstandort unter Druck

Entwicklung der Standortqualität in den letzten fünf Jahren (alle Angaben in Prozent)
Tops und Flops der SIHK-Standortumfrage: Was Unternehmen an ihrem Standort schätzen – und wo sie Handlungsbedarf sehen.

Verkehr und Infrastruktur

Große Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit

In vielen Bereichen der Infrastruktur klaffen Anspruch und Realität weit auseinander. Besonders gravierend zeigt sich dies beim Zustand von Straße und Schiene, den mehr als 50 Prozent der Unternehmen als „wichtig“ einstufen. Doch knapp 60 Prozent geben hier eine mangelhafte (35 Prozent) oder gar schlechte (25 Prozent) Einschätzung. Damit ist dieser Standortfaktor einer der am schlechtesten bewerteten der gesamten Umfrage. Viele marode Brücken und Straßen beeinträchtigen die Erreichbarkeit der Region. Der Handlungsdruck in diesem Bereich ist besonders hoch.
“Der Zustand der Straßen und Schienen in Südwestfalen ist enorm kritisch. Das ist ein klarer Handlungsauftrag: Wir brauchen gezielte Investitionen und eine schnellere Umsetzung von Maßnahmen, um die Verkehrsinfrastruktur in unserer Region zukunftsfest aufzustellen.” Philip Zobel, Gebr. Zobel & Co. Speditions GmbH Wetter (Ruhr)
Die Breitbandversorgung und Internetanbindung werden von 71 Prozent der Unternehmen als „wichtig“ und von 44 Prozent als sehr gut und gut betrachtet. Die Mobilfunk-Netzabdeckung schätzen 43 Prozent mit „sehr gut“ und „gut“ ein, während 26,7 Prozent sie als „mangelhaft oder schlecht“ einstufen.
Die Anbindung an das Fernstraßennetz ist für über die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) von Bedeutung und 48 Prozent bewerten den aktuellen Zustand als sehr gut und gut. Mit dem innerörtlichen Straßenverkehr sind über 50 Prozent unzufrieden.
Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) wird von 22 Prozent als wichtig eingestuft. Doch die Zufriedenheit bleibt zurück: Lediglich 5,1 Prozent halten den ÖPNV für „sehr gut“, während ihm 22 Prozent eine mangelhafte Note geben.
Die Verfügbarkeit geeigneter Industrie- und Gewerbeflächen wird von nur 3 Prozent der mit „sehr gut“ bewertet, während über 35 Prozent negative Noten vergeben.
Eine hohe Bedeutung für die Unternehmen hat auch die Energie- und Ressourcenverfügbarkeit, die 43 Prozent als wichtig erachten.
Lesebeispiel: Der Standortfaktor „Zustand von Straße und Schiene“ wird als sehr wichtig eingestuft. Die aktuelle Zufriedenheit in der Region wird jedoch als gering bewertet.

Fachkräfte und Bildung

Kein Wachstum ohne Bildung und Talente

Gut ausgebildete Fachkräfte sind der Motor der regionalen Wirtschaft. Entsprechend hoch ist die Bedeutung von Fachkräften und Bildung für die südwestfälischen Unternehmen. Für 80 Prozent der Unternehmen sind das Schulangebot und die Bildungsqualität zentrale Standortfaktoren. Damit liegt diese im Spitzenfeld der Bewertungen – gleichzeitig sehen viele Betriebe hier Handlungsbedarf. Die Kluft zwischen Anspruch und Realität ist deutlich - nur 38 Prozent der Unternehmen beurteilen die tatsächliche Qualität als gut oder sehr gut.
Drei Viertel der Unternehmen nennen das Angebot an beruflich qualifizierten Fachkräften als wichtigen Standortfaktor. Doch nur jeder zehnte Betrieb sieht das Angebot als gut erfüllt. Fast die Hälfte der Unternehmen spricht sogar von einem schlechten oder mangelhaften Angebot.
Auch bei der Betrachtung des Angebots von Auszubildenden mit passenden Fähigkeiten herrscht ein deutliches Ungleichgewicht. Für 70 Prozent der Unternehmen ist dies ein wichtiger Faktor, aber nur zehn Prozent bewerten das verfügbare Angebot als gut.
“Der Zugang zum richtigen Personal ist zentral. Insbesondere die Qualität der Bildung aber auch die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für alle notwendigen Tätigkeiten muss gewährleistet sein.” Alexander Alberts, Gustav Alberts GmbH & Co. KG Herscheid
Weniger problematisch stuft die südwestfälische Wirtschaft die regionalen Weiterbildungsangebote und das Angebot an akademisch qualifizierten Fachkräften ein. Beide zählen zu den Faktoren mit der höchsten Zufriedenheit.
Insgesamt sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Die duale Ausbildung und die Bildungsqualität müssen dringend gestärkt und attraktiver gemacht werden – sonst droht Südwestfalen an wirtschaftlicher Substanz zu verlieren.
Lesebeispiel: Der Standortfaktor „Angebot beruflich qualifizierter Fachkräfte“ wird als sehr wichtig eingestuft. Die aktuelle Zufriedenheit in der Region wird als gering bewertet.

Wohn- und Lebensraum

Mehr als weiche Faktoren

Ein attraktiver Wohn- und Lebensraum ist längst mehr als ein weicher Standortfaktor – er ist zentral für die Fachkräftesicherung und den wirtschaftlichen Erfolg. Dabei sehen Unternehmen vor allem die allgemeine Sicherheit und Ordnung (86 Prozent) sowie die medizinische Versorgung (81 Prozent) als wichtige Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln. Doch es zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Erwartung und Wirklichkeit. Nur jeweils ein Drittel der Unternehmen bewerten die allgemeine Sicherheit und Ordnung sowie die medizinische Versorgung als mindestens gut.
Ebenso besteht Handlungsbedarf bei der Verfügbarkeit von attraktivem Wohnraum. Einerseits sehen 75 Prozent der Unternehmen dieses Thema als wichtig an, andererseits bewerten lediglich 22 Prozent die aktuelle Verfügbarkeit als gut.
“Wer hier arbeitet, soll auch gerne hier leben. Damit wir als Standort attraktiv bleiben, brauchen wir Wohnraum, der zur Lebenssituation passt, gute Ausstattung an Schulen und echte Perspektiven für Familien, vor allem mit dem Schwerpunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.” Jana Lewe, Fass Schmiede Verwaltungs GmbH Iserlohn
Auch das öffentliche Angebot zu Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird als Standortnachteil beurteilt. Lediglich 19 Prozent bewerten diesen Faktor als gut in der Region, wohingegen 74 Prozent diesen als wichtig einstufen.
Zwar werden einzelne Aspekte wie das Kultur- und Sportangebot oder die Einkaufsmöglichkeiten vergleichsweise moderat bewertet. Doch das reicht nicht aus, um junge Talente oder Fachkräfte aus anderen Regionen dauerhaft für Südwestfalen zu begeistern. Gute Jobs brauchen gute Orte – denn wer Menschen halten oder gewinnen will, muss mehr bieten als einen attraktive Arbeitsplatz.
Lesebeispiel: Der Standortfaktor „Allgemeine Sicherheit und Ordnung“ wird als sehr wichtig eingestuft. Die aktuelle Zufriedenheit in der Region wird als mittel bewertet.

Innovationsumfeld

Impulse geben und Potenzial entfalten

Innovation entsteht nicht von allein. Für Unternehmen in Südwestfalen ist ein funktionierendes Innovationsumfeld ein entscheidender Standortvorteil. Für mehr als die Hälfte der Unternehmen sind praxisnahe Angebote der Wirtschaftsförderungen und die Unterstützung bei Innovationsförderprogrammen von großer Bedeutung. Auch die Gründer- und Innovationsberatung (47 Prozent), Innovationsnetzwerke und Technologiecluster (46 Prozent) und die Nähe zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen (44 Prozent) werden von vielen Betrieben als wichtig oder eher wichtig eingestuft.
Zwar wird der Handlungsbedarf bei den einzelnen Standortfaktoren des Innovationsumfelds weniger akut gesehen als in den anderen Themenfeldern, doch erklärt sich dies aus einer überwiegend neutralen Bewertung der aktuellen Situation. Potentiale bleiben somit oft ungenutzt.
“Unternehmerische Innovation gedeiht am besten in einem starken Netzwerk. Wenn wir in Südwestfalen die Kräfte von Wirtschaft, Hochschulen und Förderinstitutionen bündeln, schaffen wir ein Klima, in dem neue Ideen schneller zur Anwendung kommen und echte Zukunftschancen für unsere Region entstehen.” Julia Leicht, Autohaus Beckmann GmbH Hagen
Insbesondere größere Unternehmen profitieren von einem intakten und guten Innovationsumfeld in Südwestfalen. Die Nähe zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen wird unter allen relevanten Standortfaktoren am besten bewertet. Auch die Gründer- und Innovationsberatung wird überwiegend positiv wahrgenommen.
Der wesentliche Schlüssel für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Region wird in Innovationsnetzwerken und Technologieclustern sowie in einer engen Zusammenarbeit mit Hochschulen liegen. Insbesondere Unternehmen mit mehr 250 Beschäftigten betonen die Bedeutung.
Lesebeispiel: Der Standortfaktor „Angebote der Wirtschaftsförderung“ wird als wichtig eingestuft. Die aktuelle Zufriedenheit in der Region wird als mittel bewertet.

Verwaltung und Kommunalpolitik

Verwaltung neu denken - kommunale Zukunft stärken

Verwaltung und Kommunalpolitik beeinflussen die Rahmenbedingungen für Unternehmen wesentlich. Die SIHK-Standortumfrage zeigt, dass finanzielle Rahmenbedingungen wie Grund- und Gewerbesteuer sowie effiziente Abläufe zu den wichtigsten Themen zählen. Auch wirtschaftsfreundliches Handeln und digitale Angebote sind gefragt.
Die Grund- und Gewerbesteuer (53 Prozent) sowie die Bearbeitungsdauer von Verfahren (53 Prozent) werden von über der Hälfte der Unternehmen als wichtig eingestuft. Auch wirtschaftsfreundliches Verwaltungshandeln (52 Prozent) und digitale Verwaltungsangebote (41 Prozent) werden als bedeutend eingeschätzt.
Die Bewertung fällt vielfach kritisch aus: Nur rund 2 Prozent bewerten die kommunale Steuerpraxis als „sehr gut“, während 61 Prozent sie als „mangelhaft“ oder „schlecht“ einstufen. Ähnlich drastisch ist es bei der Bearbeitungsdauer – mit nur rund 3 Prozent „sehr gut“ und rund 60 Prozent negativen Bewertungen. Damit sind diese beiden Punkte die am schlechtesten bewerteten Standortfaktoren der gesamten Umfrage. Auch die Digitalisierung kommt schlecht weg: 3 Prozent „sehr gut“, aber 54 Prozent „mangelhaft“ oder „schlecht“.
“Wir brauchen dringend eine Verwaltung, die mit der Wirtschaft Schritt hält – effizient, lösungsorientiert und digital. Verfahren dauern zu lange, digitale Angebote fehlen und anstelle des Servicegedankens steht eher der Selbstzweck im Mittelpunkt. Wenn Verwaltung zum Standortnachteil wird, läuft etwas grundlegend schief.” Britta Hölper, Möhling GmbH & Co. KG Altena
Die Diskrepanz ist damit besonders groß in den Bereichen, die am wichtigsten eingeschätzt werden. Dagegen fällt das Urteil bei weniger bedeutenden Themen wie sonstige Gebühren (34 Prozent) etwas milder aus – hier äußerten sich nur 45 Prozent negativ.
Kommunen haben die Chance, mit effizienten, digitalen und wirtschaftsfreundlichen Strukturen ihre Attraktivität zu steigern. Ein intensiver Dialog zwischen Verwaltung, Politik und Wirtschaft kann helfen, Vertrauen zurückzugewinnen und spürbare Verbesserungen zu erreichen.
Lesebeispiel: Der Standortfaktor „Bearbeitungsdauer von Verfahren“ wird als sehr wichtig eingestuft. Die aktuelle Zufriedenheit in der Region wird als mittel bewertet.

Investitionsbedarfe

Vielfältige Investitionen zur Stärkung des Standorts

Die Unternehmen sehen vielfältige Investitionsbedarfe zur Stärkung des Standorts. Die Ergebnisse der SIHK-Standortumfrage zeigen mit Blick auf dringend benötigte Investitionen ein deutliches Meinungsbild. Besonders deutlich wird, dass die Infrastruktur einen entscheidenden Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes darstellt.
Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, also in Straßen, Brücken und Schienennetze halten 69 Prozent der Unternehmen für „wichtig“. Ähnlich hoch ist der Zuspruch für die digitale Infrastruktur – mit 62 Prozent „wichtig“ und 27 Prozent „eher wichtig“. Der Ausbaubedarf ist offensichtlich. Die Unternehmen fordern die Ertüchtigung der Verkehrsinfrastruktur. Insbesondere die Sperrung der A45-Brücke ist für viele Unternehmen mit direkten negativen Folgen verbunden.
Das Gesamtbild zeigt klar: Investitionen in funktionierende, moderne Straßen und Brücken, aber auch die digitale Infrastruktur sowie in Bildungseinrichtungen sind aus Sicht der Wirtschaft zentrale Voraussetzungen für einen starken, wettbewerbsfähigen Standort. Ralf Stoffels, Präsident der SIHK zu Hagen biw Isolierstoffe GmbH Ennepetal
Rund die Hälfte der Unternehmen (49 Prozent) sehen in der Bildungsinfrastruktur – etwa bei der Renovierung von Schulen – einen vorrangigen Bedarf an Investitionen. Auch die finanzielle Ausstattung der Kommunen wird von 37 Prozent als „wichtig“ eingeschätzt. Im Bereich Sicherheit und Katastrophenschutz sehen 33 Prozent notwendige Investitionen.
Trotz der allgemeinen Relevanz moderner Krankenhäuser nennen nur 32 Prozent diesen Bereich als „wichtig“. Beim Thema Klimaschutz und Energie – inklusive erneuerbarer Energien und Hochwasserschutz – liegt der Anteil bei 29 Prozent.
Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur wird dagegen noch zurückhaltend bewertet: Nur knapp 11 Prozent sehen hier aktuell einen hohen Handlungsbedarf.

Regionale Ergebnisse

Hintergrundinformationen zur Umfrage

Zielsetzung, Methodik und Teilnehmende

Vom 12. Mai bis 4. Juli 2025 konnten Unternehmerinnen und Unternehmer aus Handel, Industrie und Dienstleistung aus dem Märkischen Südwestfalen bei der Standortumfrage der SIHK zu Hagen ihre Einschätzung zu zentralen Standortfaktoren abgeben. 786 Unternehmen haben an der Umfrage teilgenommen.
Ziel der Befragung war es, eine aktuelle Einschätzung der regionalen Wirtschaft zu erhalten und konkrete Handlungsbedarfe sichtbar zu machen. Die Umfrage, durchgeführt mit dem Forschungsinstitut IW-Consult, umfasste die Themen Verkehr und Infrastruktur, Fachkräfte und Bildung, Wohn- und Lebensraum, Verwaltung und Kommunalpolitik, Innovationsumfeld, die Potenziale des Standortes sowie Investitionsbedarfe.
Die Unternehmen haben bewertet, wie wichtig ihnen bestimmte Aspekte in verschiedenen Standortfaktoren sind und wie hoch ihre Zufriedenheit mit dem aktuellen Zustand ist. Dieses zweidimensionale Modell macht Prioritäten und Schwachstellen deutlich und liefert gezielte Empfehlungen für Politik und Verwaltung.