Öffentlich bestellter Sachverständiger - Wie wird man das?

1. Aufgabe der IHK im Sachverständigenwesen

Öffentlich bestellter Sachverständiger wird man in einem Bestellungsverfahren, das die IHKs durchführen. Diese Aufgabe zählt zu den wichtigen hoheitlichen Aufgaben der Industrie- und Handelskammern in Deutschland, wobei sie auf den Gebieten der Wirtschaft bestellen.
Die Anforderungen an die Sachverständigen und ihre Pflichten sind in der Sachverständigenordnung der SIHK zu Hagen  in Verbindung mit § 36 Gewerbeordnung geregelt.

2. Bedeutung der öffentlichen Bestellung

Die öffentliche Bestellung ist die Zuerkennung einer besonderen Qualifikation. Sie ist ein Zeichen für geprüften Sachverstand und persönliche Zuverlässigkeit. Sie ist keine Zulassung zu einem Beruf und auch nicht Voraussetzung für eine Tätigkeit als Sachverständiger. Die öffentliche Bestellung und Vereidigung dient alleine dem Interesse der Allgemeinheit; sie ist nicht mit einer Berufsförderung für den Sachverständigen zu verwechseln. 
Die öffentliche Bestellung erleichtert die Suche nach besonders geeigneten Sachverständigen. Gerichte, Behörden, Unternehmen und Privatpersonen können durch die öffentliche Bestellung darauf vertrauen, dass qualitativ hochwertige, unabhängige und unparteiische Gutachten von überdurchschnittlich sachkundigen und erfahrenen Personen erstellt werden. 
Die öffentliche Bestellung ist auf fünf Jahre befristet und kann später auf Antrag um weitere fünf Jahre erneut ausgesprochen werden.

3. Bestellungsvoraussetzungen

Die öffentliche Bestellung und Vereidigung erfolgt auf Antrag. Diesem kann nur entsprochen werden, wenn
  • für das Sachgebiet, für das eine öffentliche Bestellung beantragt wird, ein Bedarf an Sachverständigenleistungen besteht,
  • die Niederlassung als Sachverständiger im Bezirk der SIHK liegt,
  • keine Bedenken gegen die persönliche Eignung bestehen,
  • überdurchschnittliche Fachkenntnisse, praktische Erfahrung und die Fähigkeit, Gutachten zu erstatten, nachgewiesen werden,
  • die zur Ausübung der Tätigkeit als öffentlich bestellter Sachverständiger erforderlichen Einrichtungen verfügbar sind,
  • geordnete wirtschaftliche Verhältnisse gegeben sind und
  • die Gewähr für Unparteilichkeit und Unabhängigkeit sowie für die Einhaltung der Pflichten eines öffentlich bestellten Sachverständigen geboten wird.

4. Persönliche Eignung

Der Bewerber soll nach seiner Persönlichkeit und seinem beruflichen und privaten Umfeld Gewähr dafür bieten, dass er seine Gutachtertätigkeit objektiv und unparteiisch ausüben wird. Wesentliche Eigenschaften der persönlichen Eignung sind
  • Zuverlässigkeit,
  • Charakterstärke,
  • Unparteilichkeit,
  • Sachlichkeit und
  • Unabhängigkeit.
  • Zur persönlichen Eignung gehören auch der Ruf und das Ansehen des Bewerbers in der Öffentlichkeit und bei seiner Berufsausübung.
  • Verbandszugehörigkeiten und bestimmte berufliche Tätigkeiten können der persönlichen Eignung entgegenstehen.

5. Besondere Sachkunde

Die besondere Sachkunde ist durch den Antragsteller zur Überzeugung der SIHK nachzuweisen. Es sind überdurchschnittliche Kenntnisse, Fähigkeiten und praktische Erfahrungen auf dem betreffenden Sachgebiet erforderlich. Die ordnungsgemäße Ausübung des Berufs ist noch kein ausreichender Nachweis besonderer Sachkunde.
Eine nähere Konkretisierung enthalten die fachlichen Bestellungsvoraussetzungen, die es für eine Reihe von besonders bedeutenden Sachgebieten gibt und auf die wir besonders hinweisen. Sie wurden von den Bestellungskörperschaften (z. B. den IHKs) als bundesweit geltend verabschiedet, sorgen für Transparenz und führen dazu, dass ein bundeseinheitliches Niveau bei Sachverständigen erreicht wird. Sie sind nicht abschließend.
Zur besonderen Sachkunde gehört auch und besonders die Fähigkeit, das Fachwissen in Gutachtenform so darzustellen, dass die Ergebnisse und Überlegungen nachvollziehbar sind. Nachvollziehbarkeit bedeutet, das Gutachten einerseits so aufzubauen und zu begründen, dass ein Laie (z. B. Richter) es verstehen und auf seine Plausibilität überprüfen, andererseits ein Fachmann die Gedankengänge und Argumente des Sachverständigen, die zu einem Ergebnis bzw. einer bestimmten Meinung führen, im Einzelnen überprüfen kann. Die sichere Ausdrucksfähigkeit ist ebenso Voraussetzung wie die Kenntnis der für die Gutachtentätigkeit rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. gerichtliche Verfahren).
Jedem Interessenten wird empfohlen, sich sorgfältig und gezielt auf die öffentliche Bestellung vorzubereiten. Dies kann in Form des Selbststudiums von Fachliteratur, Besuch von Seminaren, Fachtagungen, selbstständiger Tätigkeit als freier Sachverständiger oder Mitarbeit bei einem öffentlich bestellten Sachverständigen geschehen. Die DIHK-Broschüren ”Sachverständige – Inhalt und Pflichten ihrer öffentlichen Bestellung” und Vergütung für Sachverständige geben einen guten Überblick über Inhalt und Pflichten öffentlich bestellter Sachverständiger und deren Vergütung. 

6. Antrag auf öffentliche Bestellung 

Wir empfehlen Ihnen, vor der Antragstellung ein persönliches Beratungsgespräch mit uns zu führen.
Der Antrag selbst ist schriftlich bei uns einzureichen. Folgende Unterlagen sind erforderlich:
  1. Formloser Antrag mit genauer Bezeichnung des Sachgebiets. Sofern Sie ein Sachgebiet beantragen, für das es keine Bestellungsvoraussetzungen gibt, soll der Antrag eine präzise Erläuterung und Abgrenzung des Sachgebiets enthalten.
  2. Aktueller Lebenslauf mit Lichtbild, Datum und Unterschrift, der neben den Angaben zur Person eine genaue Darstellung der Schul- und Berufsausbildung und der beruflichen Tätigkeit enthält,
  3. Nachweise aller antragsrelevanten Zeugnisse, Diplome und sonstigen Urkunden, insbesondere über die Berechtigung zur Führung etwaiger akademischer Titel und Grade oder sonstiger Berufsbezeichnungen, Beschäftigungsnachweise und einschlägige Dienst- und/oder Arbeitszeugnisse (Nachweis durch Vorlage einer beglaubigten Kopie oder durch gleichzeitige Vorlage der Originale),
  4. Referenzliste mit mindestens 10 Personen (Name, Anschrift, Funktion), die Auskunft über die persönliche Eignung und/oder die nachzuweisende “besondere Sachkunde” geben können,
  5. grundsätzlich müssen i. d. R. fünf Gutachten, die nicht älter als zwei Jahre sind, auf dem beantragten Sachgebiet, eingereicht werden. Gegebenenfalls können weitere Unterlagen wie Ausarbeitungen, Veröffentlichungen, Aufsätze, wissenschaftliche Abhandlungen oder Untersuchungen, Vorträge usw., aus denen sich die nachzuweisende besondere Sachkunde und die Fähigkeit zur Gutachtenerstattung ergeben, vorgelegt werden. (Falls fachliche Bestellungsvoraussetzungen weitere Vorgaben vorsehen, z. B. mehr Gutachten, so sind diese zu beachten.),
  6. Nachweise über Schulungen/Seminare (fachlich und allgemeines Sachverständigenwissen), siehe dazu unser Merkblatt zur  Fortbildung Sachverständige,
  7. Führungszeugnis zur Vorlage bei Behörden (§ 30 Abs. 5 BZRG)
  8. Unbekenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt
  9. ausdrückliche Erklärung (jeweils gesondert)
    • ob und bei welchen Kammern oder sonstigen Körperschaften bereits ein ähnlicher Antrag gestellt und wie darüber entschieden wurde,
    • ob gegen Sie persönlich bzw. in Ihrer Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter einer Gesellschaft in den letzten 10 Jahren vor der Bewerbung ein Verfahren über die Abgabe einer Vermögensauskunft im Rahmen einer Zwangsvollstreckung anhängig war, oder ob über Ihr Vermögen oder das Vermögen einer von Ihnen geleiteten Gesellschaft ein Insolvenz- oder Vergleichsverfahren eröffnet bzw. mangels Masse abgelehnt wurde
    • ob gegen Sie ein Ermittlungsverfahrens schwebt
    • welche Strafen von einem deutschen oder ausländischen Gericht gegen Sie verhängt wurden (Datum, Grund, Strafmaß)
    • ob Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes vorliegen, die Ihre Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger auf dem beantragten Sachgebiet einschränken oder einschränken können
  10. Sofern Sie sich in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis befinden, ist eine Freistellungserklärung Ihres Arbeitgebers erforderlich, die auf einem gesonderten Formblatt abzugeben ist. Bei Bedarf übersenden wir ein Musterformblatt.

7. Ablauf des Bestellungsverfahrens bis zur Entscheidung

1. Überprüfung der eingereichten Unterlagen
Die SIHK überprüft die von Ihnen eingereichten Unterlagen und bezieht ggf. geeignete Fachleute in das Überprüfungsverfahren ein. 
2. Überprüfung der besonderen Sachkunde
Zur Überprüfung der besonderen Sachkunde werden grundsätzlich so genannte Fachgremien eingeschaltet, die in der Regel bei den IHKs in Deutschland oder bei anderen Institutionen wie dem Institut für Sachverständigenwesen (IfS) eingerichtet sind. Sie setzen sich aus ausgewiesenen, unabhängigen Fachleuten des jeweiligen Fachgebietes zusammen. Diese geben ihr Votum zur besonderen Sachkunde in der Regel aufgrund der vom Bewerber vorgelegten Unterlagen, einer unter Aufsicht zu fertigenden schriftlichen Aufgabenstellung und/oder einem Fachgespräch ab. Auch ein praktischer Überprüfungsteil (am Objekt) kann vorgesehen werden.
Das Ergebnis der fachlichen Überprüfung wird dem Bewerber mitgeteilt.

8. Weitere Hinweise

1. Gebühren und Auslagen
Die Gebühr für die Bearbeitung eines Antrages beträgt (unabhängig vom Verfahrensausgang)
  • für das Verfahren auf Erstbestellung 1.200,00 Euro,
  • für die erneute Bestellung 400,00 Euro.
Die durch die Überprüfung des Antrages, insbesondere durch Einschaltung der Fachgremien anfallenden besonderen Auslagen sind zusätzlich zur Gebühr vom Antragsteller zu zahlen.
2. Datenschutz
Die SIHK und die von ihr eingeschalteten Gremien unterliegen der Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht. Persönliche Daten und alle vorgelegten Unterlagen werden nur im Rahmen des Antragsverfahrens und zur Entscheidungsfindung benutzt. In eingereichten Gutachten können auftraggeberbezogene Daten geschwärzt werden, soweit sie für die fachliche Beurteilung unbedeutend sind.
3. Sonstiges
Weitere Informationen finden Sie unter nebenstehenden Links.
4. Kontakt
Ist Ihr Interesse geweckt? Dann rufen Sie uns gerne an, schreiben uns eine E-Mail oder nutzen unser Kontaktformular. Wir beraten Sie gern. 

Hinweis: Das Merkblatt ist eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen, enthält erste Hinweise und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl das Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
August 2023