Fachkräftesicherung

Interview zum Mentoring-Programm

Gemeinsames Mentoringprogramm von agentur mark und SIHK
Ein Entwicklungsprogramm auf Augenhöhe

Die agentur mark GmbH und die SIHK bieten seit 2014 ein Cross-Mentoring-Programm an. Das Ziel der ersten Jahre war es, weibliche Nachwuchskräfte zu fördern und zu unterstützen. Seit 2022 können sowohl Männer als auch Frauen am Programm teilnehmen. Sie alle kommen aus sehr unterschiedlichen Unternehmen der Region – sowohl was die Unternehmensgröße als auch was die Branche angeht.
Wir haben zwei Mentoring-Tandems gefragt, warum sie an dem Programm teilnehmen, wie sie ihre Tandemarbeit gestalten und was ihnen das Programm bringt.
Sie sind als Tandem beim Mentoringprogramm dabei. Was hat sie bewogen dort mitzumachen? Für wen ist das Programm aus Ihrer Sicht passend?
L. Schröder: Da ich die Stelle als Referentin der Geschäftsführerin direkt nach meiner Ausbildung bekommen habe, ist das Mentoring für mich eine tolle Unterstützung. Ich kann meiner Mentorin viele Fragen stellen, die wir dann zusammen besprechen. Das Programm passt für jeden, der beruflich vor einer neuen Herausforderung steht und offen für Erfahrungen ist.
J.-P. Meyer: Als junge und frisch installierte Führungskraft begegne ich vielen neuen Herausforderungen und besonderen Alltagssituationen. Herkömmliche Gruppenworkshops und Seminare vermitteln Techniken und Theorien, wie man in diesen Situationen reagieren kann. Das Mentorenprogramm gibt mir dagegen die Möglichkeit, mich mit einer erfahrenen Führungskraft auf Augenhöhe auszutauschen und von den Praxiserfahrungen zu lernen bzw. auch ganz konkrete Umsetzungsstrategien zu besprechen.
S. Serafini: Ich habe in der Vergangenheit mehrere junge Frauen als Mentee angemeldet und war begeistert. Als Mentorin glaube ich, von außen gute Anregungen und Tipps geben zu können. Oft ist es nur ein Antippen in die richtige Richtung. Es gibt Selbstvertrauen.
V. Kluczka: Vor Jahren wurde ich von der agentur mark angesprochen, ob ich als Mentor tätig werden möchte und bin einfach hängen geblieben. Ich empfinde das Programm mit jungen Menschen, seit letztem Jahr auch mit männlichen Mentees, als bereichernd und reflektierend. Es ermöglicht mir einen zusätzlichen Anschluss an die Gedanken von Nachwuchsführungskräften.

Das Herz des Programms ist das Tandem aus Mentorin bzw. Mentorin und Mentee. Beim Matching der Tandems kommt es daher darauf an, ob es passt, ob die Mischung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden stimmt. Entscheidend sind die Themen und Wünsche der Mentees und auf die Erfahrungen und Kompetenzen der Mentorinnen und Mentoren.
Die Tandems werden von der agentur mark gebildet. Passen Sie beide zusammen?
L. Schröder: Ich bin sehr zufrieden mit meiner Mentorin. Ich habe das Gefühl, dass sie gut auf mich eingehen kann und ich mit ihr offen und ehrlich über meine Probleme sprechen kann.
S. Serafini: So sehe ich das auch, der Kontakt läuft gut.
J.-P. Meyer: Ich bin froh, dass mir Volker als Mentor „zugeteilt“ wurde. Neben aller Erfahrung und den daraus abgeleiteten Tipps, können wir auch über private Dinge sprechen und Spaß haben.
V. Kluczka: Selbst bei der Beantwortung dieser Frage hört der Mentee auf den Mentor – es ist alles gesagt.
Wie häufig treffen Sie sich und wie laufen die Treffen ab? Was besprechen Sie oder woran arbeiten Sie?
L Schröder: Wir treffen uns ca. alle 6 Wochen. Ich sammle die Themen oder notiere mir Problematiken, die mir im Alltag aufgefallen sind und spreche diese in unserem Treffen an.
S. Serafini: Nach einem ersten Kennenlernen haben wir bisher über konkrete Themen gesprochen: Gesprächsführung und Kommunikationssituationen, eigene Ressourcen erkennen und Grenzen setzen.
J.-P. Meyer: Wir haben vereinbart, dass wir uns alle 4 Wochen treffen. Zum ersten Treffen habe ich eine Liste an Themen mitgebracht, die mir im beruflichen Alltag immer wieder begegnen und über die ich mich gerne austauschen würde. Viele davon konnten wir schnell und kurz bearbeiten und ich habe gute Lösungsansätze erhalten, aus denen ich mir jetzt meine eigene Strategie entwickeln kann, damit ich in der Umsetzung authentisch bleibe. Ein paar „größere“ dieser Themen besprechen wir dann in den Folgetreffen immer wieder, da deren Bearbeitung sowohl in der Besprechung, aber auch der Umsetzung in meinem Unternehmen zeitintensiver sind. Besondere Alltagssituationen, die zwischen den Treffen entstanden sind, besprechen wir ebenfalls.

Mentoring und Coaching werden häufig gleichgesetzt. Zwei Unterschiede sind aber wichtig hervorzuheben: die Mentees bringen ihre Fragen und Themen ein und arbeiten mit dem Mentor auf Augenhöhe und praxisnah zusammen. Das Mentoring ist in erster Linie eine Unterstützung für Nachwuchsführungskräfte, aber auch die Mentorinnen und Mentoren profitieren davon sehr. Der „Blick über den Tellerrand“ ist dabei gewollt.
Was ist aus Ihrer Sicht der Effekt oder der Gewinn dieser Treffen?
J. P. Meyer: Sich mit jemandem auszutauschen, der den Betrieb nicht kennt. Der dich losgelöst von deinem beruflichen Umfeld betrachten kann. Das schafft die Möglichkeit, sich selbst und seine Außenwirkung noch einmal anders zu bewerten.
L. Schröder: Der gegenseitige Austausch. Jeder hat seine eigene Art, mit verschiedenen Situationen umzugehen. Wenn ein Austausch besteht, erweitert man seinen Blickwinkel und kann vom anderen lernen. Auch wenn die Mentoren oder Mentorinnen deutlich mehr Erfahrung besitzen, können manche Denkweisen und Einwände der Mentees sicher eine gute Ergänzung sein.
v. Kluczka: Für mich besteht der Gewinn hauptsächlich im Kontakt zu jüngeren Führungskräften und deren Ideen und Fragestellungen. Dadurch kann ich wesentlich bessere Rückschlüsse bei meinen eigenen Führungskräften ziehen.
S. Serafini: Es sind sehr effektive Gespräche, wir konzentrieren uns dabei auf berufliche Fragen. Man bekommt viel aus anderen Firmen mit.

Die Treffen der Tandems werden von einem Begleitprogramm flankiert, das Vorbereitung und Reflexion für Mentees und Mentoren, Tagesworkshops für Mentees und Jahrgangs- und Vernetzungstreffen für alle Teilnehmenden umfasst.
Zusätzlich zum Tandem gibt es weitere Termine und ein begleitendes Programm. Was bringt Ihnen das?
L. Schröder: Auch hier spielt der Austausch eine entscheidende Rolle. Durch das Begleitprogramm können die Mentees, aber auch die Mentoren sich austauschen und Denkanstöße bekommen. Da man sich regelmäßig auf andere Menschen einlassen muss, steht Offenheit an erster Stelle.
S. Serafini: Ich finde es sehr interessant, andere Mentoren und Mentees kennenzulernen. Durch die Übungen und Gespräche in kleinen Gruppenverlasse ich meine Komfortzone und werde gefordert.
J.P. Meyer: Bisher hatten wir mit dem Auftakttreffen der Mentees und dem Treffen aller Teilnehmer des Mentorenprogramms zwei Veranstaltungen zum Kennenlernen. Ich freue mich auf die Termine, bei denen Fachreferenten einen Vortrag zu bestimmten Themen halten.
V. Kluczka: Über die Jahre wird das Verhältnis zu den anderen Mentorinnen und Mentoren intensiver und erweitert mein Netzwerk maßgeblich. Es ist spannend zu erleben, wie vielfältig Ideen und Lösungen zu ähnlichen Fragen sein können.

Am besten wirkt das Mentoring, wenn sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitende es als Chance betrachten und von dieser individuellen und unternehmensnahen Unterstützung profitieren wollen.
Was denkt Ihr Unternehmen über die Mitwirkung im Mentoring? Ist Ihr Unternehmen aus Sie zugekommen und hat Sie gefragt, ob Sie Interesse haben? Oder lag die Initiative bei Ihnen? Welche Erfahrungen oder Ergebnisse fließen in das Unternehmen zurück?
S. Serafini: Meine Vorgesetzte findet das Programm sehr gut. Ich informiere sie ab und zu und halte sie auf dem Laufenden. Die agentur mark hat mich angesprochen und gefragt, ob ich mir eine Mentorenschaft vorstellen kann.
L. Schröder: Mein Unternehmen hält sehr viel vom Mentoring-Programm. Mein Vorgesetzter ist auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich Interesse daran habe. Durch das Mentoring soll ich mich als Person weiterentwickeln, lernen, wie ich mit kniffeligen Situationen am besten umgehe und wie ich mich selbst optimal präsentiere.
J.-P. Meyer: Ich wurde von meiner Personalleitung auf das Mentorenprogramm angesprochen und gefragt, ob ich teilnehmen möchte. Das Unternehmen möchte mir so die Möglichkeit geben, mit einem externen Ansprechpartner in den Austausch zu gehen und meine Führungsqualitäten auszubauen.
V. Kluczka: Ich bin ein absoluter Fan von Persönlichkeitsentwicklung und arbeite bei mir und meinen Mitarbeiterinnen sowohl mit Mentoren und Mentorinnen als auch mit Coaches zusammen. Darüber hinaus sind wir im Netzwerk für Personalentwicklung der SIHK  ( p-net ) organisiert und engagiert. Jeder Mensch darf und soll das vermeintlich Beste aus sich herausholen. Davon können alle nur profitieren.

Wichtig für die regionalen Unternehmen ist die Stärkung ihrer Fachkräfte.
Können Sie uns an zwei konkreten Beispielen erläutern, an welcher Stelle das Unternehmen von der Teilnahme der Mitarbeitenden im Programm profitiert?
S. Serafini: Die Kommunikation der Mitarbeitenden wird klarer und souveräner, auch im Kontakt mit Mitarbeitenden und Vorgesetzten. Durch die Gespräche wird das Verständnis für die eigene Rolle geschärft, das ist besonders bei Rollenwechseln im Unternehmen wichtig: vom Auszubildenden zur Sachbearbeiterin, vom Team in die erste Führungsaufgabe oder auch von der Übernahme von Projektverantwortung bis hin zum Aufstieg in Geschäftsführung. Die Mitarbeitenden fühlen sich sicherer und sortierter - das wird im Unternehmen bemerkt.
L. Schröder: Die Persönlichkeit des Mitarbeiters entwickelt sich weiter. Er tritt selbstbewusster auf und die eigene Organisation und Struktur im Arbeitsalltag verbessert sich.        
J.-P. Meyer: Vorschläge zu Änderungen an internen Firmenprozessen sind nicht immer sofort umsetzbar, wenn die Unternehmensstrategie anders ausgerichtet ist. Mein Unternehmen befindet sich gerade im Wandel von einem Produktionsstandort zu vier über Deutschland verteilten Standorten. Das bringt viele Begleiterscheinungen mit sich, für die bekomme ich viele Denkanstöße und kann sie in meiner Rolle in diesen Wandel einfließen lassen.
V. Kluczka: Im Moment überarbeiten wir das Organigramm unserer Firma, da profitiere ich von dem Einblick in eine andere Firma, z.B. konkret bei der die Gestaltung der Stellenbeschreibungen. Aus meiner Firma nimmt auch eine andere Führungsperson am Mentoring teil, so profitieren wir doppelt von den Anregungen und unserer Weiterentwicklung.

Das Programm startet jeweils mit einer neuen Gruppe im April und im Oktober. Als SIHK sehen wir darin ein gutes Angebot für unsere Mitgliedsunternehmen. Unter anderem, weil es regional verankert ist.
Das Programm wird getragen von der agentur mark und der SIHK. Also von zwei Institutionen, die Unternehmen in der Region unterstützen. Was meinen Sie: Profitiert die Region vom Mentoring?
L. Schröder: Ja, auf jeden Fall! Leider kommt es zu oft vor, dass Mitarbeiter neue Tätigkeiten mit mehr Verantwortung ausführen sollen, zunächst jedoch überfordert sind. Das führt zu Fehlern. Wenn diese Personen einen Mentor oder eine Mentorin an der Seite hätten, würde der Arbeitsalltag deutlich leichter für sie werden.
J.-P. Meyer: Ich denke, dass die Teilnahme es den Unternehmen ermöglicht, neue Kontakte zu knüpfen und so das eigene Netzwerk zu erweitern.
V. Kluczka: Absolut – das Programm und auch das p-net und die daraus resultierenden Möglichkeiten sollten breiter und intensiver beworben werden. Wir sind keine Großstadt mit dem Alleinstellungsmerkmal der coolen Locations oder hervorragenden Einkaufsstraßen. Im beruflichen Umfeld haben wir aber u. a. durch diese Programme und die mittelständische Prägung unserer Region wesentlich mehr zu bieten als viele andere Städte und Regionen.
Können Sie das Programm empfehlen und wieso sollten Unternehmen dieses Programm nutzen?
S. Serafini: Ich kann das Programm auf jeden Fall empfehlen. Die Mitarbeiter wachsen und werden sicherer.
L. Schröder: Es ist eine super Unterstützung für alle Personen, die neue bzw. mehr Verantwortung zugesprochen bekommen und eine Person brauchen, mit der sie offen über die Probleme sprechen können.    
J.—P. Meyer: Ich würde dieses Programm auch auf jeden Fall empfehlen. Die Mentees haben die Möglichkeit von einem großen Erfahrungsschatz zu profitieren und sich selbst bzw. ihr Handeln zu reflektieren.
V. Kluczka: Wenn Sie die vorherigen Fragen aufmerksam gelesen haben, beantwortet sich diese von selbst: Ich bin ein Fan!