Seite 7 - Wirtschaftsmagazin

WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 11/2014
7
AUFMACHER
Frau Ehlen, Nigeria ist neben Schweden
ein weiteres Schwerpunktland der IHK
Gießen-Friedberg. Anfang 2013 haben
Sie damit begonnen, ein Konzept für die
Einführung der dualen Ausbildung in
Nigeria auszuarbeiten und vor Ort Trai-
ner auszubilden. Wie ist der aktuelle
Stand?
Unser Projekt wird vom BMZ, also dem Bundes-
ministerium für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung, unterstützt, und zwar
zunächst für drei Jahre. Es läuft also noch bis
Ende nächsten Jahres. Im Jahresverlauf 2015
erfolgt eine Fortschrittskontrolle, und je nach-
dem, wie diese ausfällt, wird das Projekt verlän-
gert.
Herr Malzacher, wie führt man ein
duales Ausbildungskonzept in einem
Land ein, das von einer solchen Ausbil-
dung zuvor noch nie etwas gehört
hatte?
Mit Partnern vor Ort. Mit ihnen zusammen
haben wir im ersten Schritt Ziele und Ergebnis-
se definiert, die wir erreichen wollen. Basis für
unsere Überlegungen war der Bedarf, den unse-
re Partner sehen. Gemeinsam haben wir erar-
beitet, welche Berufsfelder angegangen werden
sollen. In Nigeria verfahren sie nach dem briti-
schen Modell: Man studiert, geht dann von der
Hochschule ab und fängt langsam an, die prak-
tischen Dinge zu lernen.
Frau Ehlen, Sie sind bei der IHK verant-
wortlich für das Thema Ausbildung. Für
welche Berufsfelder haben Sie sich letzt-
lich entschieden?
Wir haben uns zunächst auf vier Ausbildungsbe-
rufe festgelegt, drei technische und einen kauf-
männischen. Die technischen Berufsbilder sind
Industrial Mechanics, Industrial Electronics und
Technical Facility Management; die kaufmänni-
sche Basisausbildung nennt sich Office Admini-
stration. Unser Ziel muss es sein, die duale Berufs-
ausbildung den nigerianischen Verhältnissen
anzupassen, wir können unsere deutsche Ausbil-
dung nicht einfach eins zu eins überstülpen.
Gleiches galt für die Curricula, die wir entwi-
ckelt haben. Auch sie mussten den nigeriani-
schen Verhältnissen angepasst werden, wenn
sie funktionieren sollen. Deswegen haben wir
Experten aus Betrieben und Berufsschulen ein-
gebunden, die große internationale Erfahrung
haben, und am Ende die Curricula mit unseren
nigerianischen Partnern abgestimmt. Nur sie
konnten uns sagen, ob unsere Vorschläge über-
haupt funktionieren werden. Zuguterletzt
haben wir dann noch die Training Center iden-
tifiziert. Für die technischen Berufe braucht
man eine besondere Ausstattung.
Wir schaffen vor allem Wissenstransfer. So
genannte deutsche Kurzzeitexperten, Frau
Ehlen hat sie gerade schon erwähnt, schulen die
nigerianischen Ausbilder aus den Betrieben und
Trainer aus den Training Centern. Diese nigeria-
nischen Trainer und Ausbilder bilden am Ende
die Auszubildenden gemeinsam aus. Dem Gan-
zen ist also zunächst ein „Training of Trainers“,
kurz ToT, vorangestellt.
Die Training Center sind ein Pendant zu unseren
Berufsschulen, die es als solche in Nigeria nicht
gibt. Als erstes haben wir Trainer aus den Trai-
ning Centern und Betrieben geschult, und zwar
didaktisch als auch fachlich. Die Trainer beglei-
ten die Azubis, wie es bei uns in Deutschland
die Berufsschulen machen, die Ausbilder über-
nehmen den betrieblichen Teil.
Wir schaffen vor
allem Wissenstransfer“
Seit Anfang 2013 führt die IHK Gießen-Friedberg im Rahmen einer Berufsbildungspartnerschaft
Elemente der deutschen dualen Ausbildung in Nigeria ein. Das Wirtschaftsmagazin sprach über
die Projektarbeit mit Elke Ehlen, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin und IHK-Berufsbil-
dungsexpertin, mit Robert Malzacher, Leiter IHK-Geschäftsbereich International und Projektlei-
ter Nigeria, sowie mit Joachim Münch, Verbindungsreferent Entwicklungszusammenarbeit der
Arbeitsgemeinschaft hessischer IHKs.
Training of Trainer
,
zwei Auszubildende
mit ihrem Trainer.
Foto: privat