WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 3/2014
16
WIRTSCHAFT UND POLITIK
che Aktivität in Hessen stattfinden. Es würde
nur dafür gesorgt, dass die hessischen Bür-
gerinnen und Bürger und hessische Unter-
nehmen weiterhin fleißig EEG-Umlage zah-
len, während in anderen Bundesländern der
wirtschaftliche Nutzen gezogen würde.
Wenn es uns gelingt, hier noch Verbesserun-
gen zu erreichen, müssen wir endlich in die
Umsetzungsphase gehen. Hier ist vor Ort
noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten.
Das konkrete Windrad stößt nicht überall auf
Zustimmung, aber wir müssen den Atomaus-
stieg umsetzen und unsere Effizienzziele
erreichen. Bei weitem noch nicht alle Unter-
nehmen haben ihre Möglichkeiten, Energie
einzusparen, ausgeschöpft.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass der
Strom bezahlbar bleibt?
Zunächst einmal: Die energieintensiven
Betriebe im globalen Wettbewerb sind rich-
tigerweise von der EEG-Umlage befreit, und
der Industriestrompreis in Deutschland war
schon lange nicht mehr so günstig wie
momentan. In den meisten europäischen
Nachbarländern ist der über die Strompreis-
börse gehandelte Industriestrom teurer.
Zweitens: Die eigentlichen Kosten aus der
EEG-Umlage stammen aus der Vergangen-
heit. In sechs Jahren aber sind die die ersten
Anlagen der erneuerbaren Energie abfinan-
ziert, fallen aus der Förderung, produzieren
aber weiterhin Strom. Ab diesem Moment
wird die deutsche Wirtschaft einen Wettbe-
werbsvorteil haben. Zudem sind neue Anla-
gen sehr viel kostengünstiger. Es gibt Überle-
gungen, die jetzigen Kosten zu strecken, um
den in der Vergangenheit entstandenen Berg
von Verpflichtungen quasi zu untertunneln.
Das heißt, man würde jetzt weniger als
eigentlich notwendig für den Strom bezah-
len, dafür aber etwas länger.
Aber verlagert man das Problem damit
nicht auf die nachfolgenden Genera-
tionen?
Ja, das kann man so sehen. Andererseits wird
die nachfolgende Generation enorm von den
technischen Innovationen profitieren, die wir
durch das EEG angeschoben haben. Grund-
sätzlich darf sich keiner Illusionen machen:
Energie wird nicht mehr billig werden. Energie
wird in Zukunft ein immer kostbareres Gut.
Das Rhein-Main-Gebiet bietet ver-
gleichsweise wenig Grün- und Freiflä-
chen. Was empfinden Sie, wenn in der
verbleibenden grünen Natur riesige
Stromerzeugungsanlagen gebaut wer-
den sollen, die auf Windkraft beruhen?
Erstens: Das Konzept der Vorrangflächen ist
darauf ausgerichtet, die Anlagen an
bestimmten Punkten zu konzentrieren. Zwei-
tens: Jede Landschaftsveränderung wird erst
einmal kritisch betrachtet. In zehn, zwanzig
Jahren können wir uns die Landschaft ohne
Windräder vielleicht gar nicht mehr vorstel-
len. Oder wir nehmen sie kaum noch wahr, so
wie es den meisten Menschen bei den
Strommasten geht. Ich selbst finde Windrä-
der nicht hässlich, sondern freue mich, wenn
ich sie sehe. Wenn die Leute die Wahl hätten,
sich einen Castor-Behälter oder ein Windrad
in den Vorgarten zu stellen, bin ich mir ganz
sicher, wie sie sich entscheiden würden.
Ein ganz anderes Thema: Wie steht es
um die Förderung des Breitbandaus-
baus?
Als die grüne Landtagsfraktion vor zehn Jah-
ren den Breitbandausbau im Landtag zum
Thema machte, erkannten viele noch nicht
die Brisanz. Ich freue mich, dass das Thema
inzwischen von allen gesehen wird. Die
Breitbandversorgung gehört für mich zu
einer modernen Infrastruktur einfach dazu.
Wir haben vor, § 121 der Hessischen Gemein-
deordnung insoweit zu ändern, dass den
Kommunen die Möglichkeit gegeben wird, in
diesem Bereich aktiv zu werden. Denn ich bin
mir sicher, dass der Markt es an diesem Punkt
allein nicht regeln wird. Aber auch ein Inge-
nieurbüro oder ein Architekt im Vogelsberg
muss weiterhin die Chance haben, am Markt
tätig zu sein. Damit der digitale Graben zwi-
schen ländlichem Raum und den Großstäd-
ten nicht noch tiefer wird, braucht es staat-
liche Förderung.
Wie sehen Sie die Rolle und die
Zusammenarbeit mit den IHKs?
Großen Respekt habe ich vor der Arbeit der
Kammern im Bereich der Ausbildung. Hier
wird unglaublich viel geleistet – das ist ihr
Alleinstellungsmerkmal. Die IHKs haben
außerdem eine wahnsinnig große Aufgabe in
der Interessensvertretung. Natürlich ist mir
klar, dass ich nicht auf den Beifall der IHKs
warten kann, wenn wir die Grunderwerbsteu-
er erhöhen. Aber es gibt ja gleichzeitig – sehr
berechtigte - Wünsche nach Investitionen: in
Bildung, in Schiene, in Straße, in Breitband.
Bisweilen kommt es mir vor, als verlange man
von uns die Quadratur des Kreises. Aber wenn
wir in Hessen zum ersten Mal nach 50 Jahren
einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorle-
gen wollen, dann geht dies nur, wenn wir die
Ausgaben begrenzen, aber auch etwas bei den
Einnahmen tun.
Zum Abschluss: Sehen Sie sich mehr
als Teil eines gewagten schwarz-grünen
Experiments oder glauben Sie daran,
dass die Koalition fünf Jahre hält?
Ich habe es schon einmal so formuliert: In
vielen Liebesbeziehungen schwindet die
Liebe nach einer gewissen Zeit. Das ist dann
eine gefährliche Phase. Da wir von Anfang an
eine Zweckehe eingegangen sind, ist die
Wahrscheinlichkeit, dass wir bis zum Ende
der Legislaturperiode zusammenbleiben, ver-
gleichsweise hoch.
Breitband im Vogelsberg und Windräder im
Vorgarten? Hessens Wirtschafts- und Ver-
kehrsminister Tarek Al-Wazir über seine Vor-
stellungen zur Landespolitik der nächsten
Jahre.
n