Seite 46 - Wirtschaftsmagazin

WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 4/2014
46
SONDERTHEMA ENERgiE
Ein neuer Markt für
die Energiewende
Grünstrom durch bessere Vermarktungsmöglichkeiten
in Energieversorgung einbinden.
D
er Stromversorgung ist
der Markt abhandenge-
kommen. Der Wettbe-
werb zwischen verschiedenen
Anbietern ist marginalisiert. 20
bis 30 Prozent – so gering sind
mittlerweile die Stromerzeu-
gungs- und –lieferungskosten
am Endkundenpreis. Das ist der
Bereich, in dem sich Wettbe-
werb abspielen kann. Der Rest
sind staatlich regulierte
Netzentgelte und staatlich ver-
ursachte Komponenten wie
EEG-Umlage oder Stromsteuer.
In der Stromerzeugung bil-
det sich der Preis bei mittlerwei-
le fast einem Viertel der kWh
nicht am Markt. So hoch ist der
Anteil erneuerbare Energien,
AUTOR/IN
Dr. Sebastian Bolay
Deutscher Industrie-
und Handelskammertag
deren staatlich festgesetzte Ein-
speisevergütungen dem Wettbe-
werb und damit auch dem euro-
päischen Strombinnenmarkt
entzogen sind. Auf diese Ent-
wicklung kann es nur eine Ant-
wort geben: Mehr Markt! Und
das europäisch!
Chance für erneuer-
bare Energien …
Erneuerbare Energien müs-
sen geschützt werden, weil sie
im Wettbewerb mit den konven-
tionellen Kraftwerken nicht
bestehen können, lautet ein weit
verbreitetes Credo. Dieses unter-
stellt implizit: Es gibt keine
Nachfrage nach der grünen
Eigenschaft erneu-
erbare Energien,
allein der Preis des
Stroms zählt. Fast
jeder fünfte Betrieb
deckte aber schon
2013
seinen Bedarf ganz
oder in Teilen mit grünem
Strom. Der Einkauf von Öko-
strom gehört also in vielen
Unternehmen bereits zum guten
Ton. Das Problem: Als Marke
gibt es „Grünstrom made in
Germany“ praktisch nicht zu
kaufen. Der Strom aus Windrä-
dern und Solaranlagen wird
vielmehr an der Börse mitver-
scherbelt. Wer als Kunde heute
Grünstrom“ beziehen will,
muss in aller Regel Wasserkraft
aus Skandinavien oder den
Alpen bestellen. Hier besteht
dringender Handlungsbedarf.
Der DIHK schlägt daher vor:
Regenerative Anlagen bekom-
men noch bis 2020 eine Förde-
rung, indem sie eine Prämie für
ein bestimmtes Kontingent an
eingespeisten kWh erhalten.
Dies führt zu stärker marktge-
rechtem Verhalten, weil bei
negativen Preisen an der Börse
die Anlage abgeregelt wird. Die
Anlagen erhalten ferner Zertifi-
kate, mit denen sie ihre grüne
Eigenschaft nachweisen kön-
nen. Dafür kümmern sich selbst
um den Verkauf ihres Stroms –
der Terminmarkt steht ihnen
offen. Klar ist: Ein Windrad
kann nicht alleine einen solchen
sicheren Strom für jede Tag-
und Jahreszeit anbieten, weil
der Wind nicht konstant weht.
Es kann sich aber mit anderen
Erzeugern zusammentun.
und konventionelle
Kraftwerke
Eine solche Zusammenarbeit
ist beispielsweise mit einer Bio-
masseanlage möglich. Das ist
im Moment aufgrund des Prei-
ses ohne Förderung nur für
wenige Nachfrager interessant.
Anders sieht es aus, wenn sich
der Windradbetreiber die not-
wendige Ergänzung durch
einen Vertrag mit einem Gas-
kraftwerk sichert und dadurch
Foto: DIHK
Foto: gardt/fotolia.com