WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 4/2014
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SONDERTHEMA
Sturmfest im Netz
Kleine und mittlere unternehmen können mit der richtigen
Pr-Strategie von Sozialen Medien profitieren.
E
ine Raupe im Salat. Das Video eines
empörten Restaurantbesuchers wird
im Internet tausendfach angeschaut.
Das Lokal ist Teil einer Systemgastronomie-
Kette, der Ruf des Unternehmens steht auf
dem Spiel. Die mit Öffentlichkeitsarbeit
betraute Agentur reagiert. Spät zwar,
schließlich hat das Thema schnell Fahrt auf-
genommen. Aber eben noch nicht zu spät,
wie der weitere Verlauf der Diskussion im
unternehmenseigenen Kanal des Netzwerks
zeigt. Das Restaurant entschuldigt sich
humorvoll und kommt damit bei den digita-
len Freunden gut an. Die PR-Katastrophe ist
abgewendet.
Früher hätten die Medien wohl von einer
Welle der Empörung gesprochen, die über
die Restaurantkette hereinzubrechen drohte.
Heute aber braut sich in den Foren inner-
halb weniger Stunden ein „Shitstorm“
zusammen, der aus einer Welle schnell einen
zerstörerischen Tsunami machen kann. Ein
Unternehmen, das darauf nicht eingestellt
ist, kann schnell Schiffbruch erleiden.
Das Thema Öffentlichkeitsarbeit in Sozi-
alen Medien ist unübersichtlich. Zum einen
lässt sich das Ergebnis des Engagements
eines Unternehmens bei Facebook und Co.
kaum in betriebswirtschaftlichen Kennzif-
fern spiegeln. Ein berühmtes Zitat, das
Henry Ford zugeschrieben wird, beweist
auch hier Gehalt. Der amerikanische Auto-
bauer soll gesagt haben, dass er 50 Prozent
seiner Marketing-Ausgaben aus dem Fenster
schmeiße. Leider wisse er aber nicht, welche
50
Prozent.
Zum anderen ist das Web 2.0 mit seinen
Möglichkeiten zur Kommunikation so facet-
tenreich, dass die Auswahl einer PR-Strate-
gie schwer fällt. Für Firmen ergeben sich oft
viele Fragen: Facebook, Google Plus, Twitter
–
wie und wo soll ich mich engagieren? Wie
viel soll ich investieren? Soll ich es selbst
machen oder auslagern? Möglich ist vieles,
aber sinnvoll längst nicht alles. Alexander
Haas, Marketing-Experte an der Justus-Lie-
big-Universität in Gießen, sagt: „Immer
dort, wo es um direkte Kommunikation mit
Kunden geht, kann es fruchtbar sein.“
Dass man Effekte der Öffentlichkeitsar-
beit in Sozialen Medien nur schwer messen
kann, sollte nicht dazu führen, dass sich ein
Unternehmen dieser Kommunikations-
Sphäre verweigert. Es wird geredet und es
wird auch über Produkte, Leistungen und
Unternehmen gesprochen. Die Kontrolle
über die Diskussion haben die Firmen im
Netz längst verloren. Jetzt muss es darum
gehen, Einfluss darauf zu gewinnen. Indem
man sich am Gespräch beteiligt und es so zu
lenken versucht. Ein Bewusstsein, dass sich
gerade in kleinen und mittleren Unterneh-
men erst noch entwickeln muss.
„
Die Diskussion findet statt und sich zu
verweigern würde einen weiteren Kontoll-
verlust bedeuten“, sagt Steven Sumner,
Geschäftsführer der Gießener Agentur
„
Sumner Groh + Compagnie“ (SGC). „Die
Amerikaner sind uns diesbezüglich vier bis
fünf Jahre voraus.“ Bei neuen Kunden müsse
seine Agentur oft bei null anfangen und
ganz grundsätzliche Dinge zu Sozialen
Medien und der Kommunikation, die darin
abläuft, erklären. Und solche, die schon im
Netz unterwegs sind, machen es oft falsch.
„
Die haben einen verkehrten Ansatz“, sagt
Wolfgang Jung, Chef der Lauterbacher
Agentur „team digital“. Oft stehe hinter den
PR-Aktivitäten kein neuer redaktioneller
Ansatz.
Haas sagt: „Wenn ich als Unternehmer in
die Communities will, darf ich nicht mehr
klassisch denken.“ Soll heißen: Die unidi-
rektionale Kommunikation althergebrachter
Öffentlichkeitsarbeit ist hier nicht gefragt.
Web 2.0 bedeutet Dialog. Wer etwas absetzt,
muss mit Feedback rechnen, es gegebenen-
falls aufnehmen und wiederum darauf rea-
gieren. Eine endlose Diskussion, die erhebli-
che Anforderungen an eine Organisation
stellt.
Doch wie genau sollte sich ein Unterneh-
men dem Thema „Social Media“ nähern,
damit die Anstrengungen nicht ins Leere
laufen oder sich sogar negativ auswirken?
Zunächst müssen Ziele der Kommunikation
Wolfgang Jung,
Chef der Lauterbacher
Agentur team digital.
Foto: privat