Industrie- und Handelskammern

Als im 19. Jahrhundert die meisten Handelskammern in Deutschland gegründet wurden, konnte man auf freiwillige Zusammenschlüsse in Vereinigungen von Kaufleuten in ganz Europa bis in das 9. Jahrhundert verweisen. Waren es anfangs noch Schutzgilden, u. a. gegen Risiken des Fernhandels, so entwickelten sie sich immer mehr zu regionalen Interessenvertretungen. Aufgabenschwerpunkt dieser Zusammenschlüsse waren die Interessenvertretung gegenüber der Verwaltung sowie die autonome Regelung des Wirtschaftsverkehrs. Dazu gehörten zum Beispiel die Börsen- und Bodenordnungen, die Schiedsgerichtsbarkeit sowie die Fixierung von Handelsbräuchen. Die Initiative ging hierbei stets von den Kaufleuten aus, deren Interesse vorwiegend die Selbstverwaltung der eigenen Anliegen war.
Das Element der Selbstverwaltung mit Rechten und Pflichten entwickelte sich in Deutschland erst durch Übertragung des Stein-Hardenbergschen Gedankenguts der kommunalen Selbstverwaltung auf die Wirtschaft.
Im Ersten Weltkrieg wurden die Kammern ihrer Selbstverwaltungsfunktion weitgehend enthoben und hatten den Eingriff in staatliche Auftragsangelegenheiten zu erdulden. Vor und während des Zweiten Weltkriegs wurden sie per Gesetz zu staatlichen Wirtschaftsverwaltungsbehörden bzw. Gauwirtschaftskammern degradiert.
Im Jahre 1956 passierte ein Kammergesetz den Bundestag, das den Selbstverwaltungseinrichtungen der Industrie- und Handelskammern einen staatsunabhängigen Status verlieh. Dieses Gesetz wurde als ein Werk hoher staatlicher Einsicht und demokratischer Reife gefeiert. Die staatlichen Stellen haben damals einen Akt vollzogen, um den die Kaufleute in den Regionen fast ein Jahrhundert gekämpft haben, und den wir heute als Deregulierung umschreiben würden.
Um die Organe der Kammerorganisation mit der notwendigen Eigenverantwortlichkeit und einer von gruppenspezifischen Einflüssen losgelösten Neutralität – nicht zuletzt auch mit der hoheitlichen Souveränität – auszustatten, war es folgerichtig, für sie einen Pflicht- bzw. Solidarbeitrag aller Kammerzugehörigen vorzusehen.
Alle Gewerbetreibenden im Inland sind per Gesetz Mitglied einer IHK. Ausgenommen sind Handwerksbetriebe und landwirtschaftliche Betriebe. Die Spitzenorganisation der 80 Industrie- und Handelskammern ist der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
Die IHK ist nach dem Gesetz ein Organ der wirtschaftlichen Selbstverwaltung. Sie erfüllt die ihr per Gesetz zugewiesenen gesetzlichen Pflichtaufgaben anstelle staatlicher Einrichtungen für die Wirtschaft unabhängig vom staatlichen Einfluss. Der Staat hat lediglich Rechtsaufsicht über die IHKs. Nach den ihr zugewiesenen Aufgaben ist die Kammer u.a. Sachverwalterin des Gesamtinteresses der Wirtschaft, Mittlerin zwischen Staat und Wirtschaft und „Rathaus der Wirtschaft“.
Das wichtigste Gremium der IHK ist die Vollversammlung – das „Parlament“ der Wirtschaft.
Stand: 12.07.2022