Energiewende im Fokus: IHK diskutiert Herausforderungen für regionale Unternehmen
Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft beleuchteten bei einer energiepolitischen Podiumsdiskussion die Zukunft der regionalen Stromversorgung und die damit verbundenen Herausforderungen für Unternehmen.
„Hohe Preise und fehlende Planbarkeit der Energieversorgung sind für die Unternehmen am Standort Deutschland mehr denn je ein Produktions- und Investitionshemmnis“, erklärte IHK-Präsident Rainer Schwarz bei einer Podiumsdiskussion der IHK Gießen-Friedberg Ende März im Plenarsaal der IHK in Gießen. Verglichen mit anderen europäischen Ländern zahle ein industrieller Mittelständler in Deutschland das Vierfache für seinen Strom gegenüber einem Unternehmen in Frankreich. Schwarz warnte vor Verlagerungen von Betrieben ins Ausland. Gegensteuern könne man mit einer Entlastung der Strompreise durch Reduzierung von Steuern, Abgaben und Umlagen und von zunehmend steigenden Netzentgelten.
Unter dem Titel „Energie der Region – Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit im Fokus“ hatte die IHK Energieexperten zu einer Podiumsdiskussion in die Geschäftsräume der IHK Gießen-Friedberg eingeladen. Moderator war Carsten Jens, freier Journalist und früherer Chef vom Dienst bei hr-info. Im Vorfeld hatte die IHK zusammen mit dem Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK) eine Studie beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE beauftragt. Diese untersucht den zukünftigen Strombedarf des IHK-Bezirks und Hessens und vergleicht ihn mit den vorhandenen Potenzialen zur Deckung des Strombedarfs.
„Der industrielle Strombedarf im IHK-Bezirk wird sich nach unserer Prognose bis 2045 verdoppeln, ebenso werden die Haushalte mehr Strom verbrauchen“, erklärte Christoph Kost, Leiter der Abteilung Energy System Analysis beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE einen Zwischenstand der Studie. Diesen Mehrbedarf könne die Region durch eine Steigerung der eigenen Produktion decken. Realisierbares Potenzial sieht der Wissenschaftler in der Gewinnung von Solarenergie entlang Autobahn-Seitenstreifen sowie auf Dächern in den Landkreisen Gießen und Wetterau oder Windrädern im Landkreis Vogelsberg. Der Ausbau schütze nicht vor Dunkelflauten, bestätigte der Experte „In Ergänzung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien werden für die Abdeckung von Dunkelflauten auch neue Backup-Kraftwerke benötigt.“
Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft beleuchteten bei einer energiepolitischen Podiumsdiskussion die Zukunft der regionalen Stromversorgung und die damit verbundenen Herausforderungen für Unternehmen.
Dass es zu witterungsbedingten Ausfällen kommen kann, zeigte Professor Harald Schwarz, früherer Leiter des Lehrstuhls Energieverteilung und Hochspannungstechnik an der Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, auf. Eine gesicherte Leistung gebe es weder bei Windkraft noch bei Photovoltaikanlagen. Die Konsequenz sei: „Durch den Ausbau der erneuerbaren Energie bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Kernkraft zeigt sich eine hohe Abhängigkeit von Stromimporten.“ Schließlich lassen sich Ausfälle im Stromsektor bislang nur maximal 60 Minuten überbrücken. Die Bereitstellung müsse also dem Bedarf sehr zeitnah folgen. Wenn kein Strom aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden könne, müsse das Ausland einspringen. „Wir kaufen Strom aus Kohlekraftwerken in Polen, das CO2 lassen wir aber im Ausland.“
Dirk Wallwaey, Gruppenleiter Energieversorgung/Energiemanagement bei der Schunk Group, betonte die Bedeutung einer zuverlässigen und kostengünstigen Stromversorgung für die Produktionsprozesse des Unternehmens. Zwar sei das Unternehmen durch den Anschluss an das regionale Umspannwerk relativ sicher versorgt, doch die Planbarkeit für zukünftige Netzentgelte und Umlagen fehle. „Mir fehlt die mittelfristige Perspektive. Es wird von Seiten der Politik versucht kurzfristig zu handeln, aber Investitionsentscheidungen benötigen 10 bis 15 Jahre Planungshorizont.“ Welche Energiekosten Unternehmen in den nächsten zehn Jahren zu erwarten haben, sei derzeit schwer abzuschätzen.
Was den weiteren Ausbau der Übertragungs- und Verteilernetze angeht, sahen die Experten die Erdverkabelung kritisch. Diese erfordere das vier- bis sechsfache an Investitionsaufwand gegenüber den Freileitungen, was zusätzlich zu immer weiter steigenden Netzentgelten führen würde.
Die drei gleichberechtigten Ziele im Energiewirtschaftsgesetz wie Energiesicherheit, Wirtschaftlichkeit (also Bezahlbarkeit) und Umweltverträglichkeit würden seit Langem nicht mehr eingehalten, erklärte Rainer Schwarz. Das führe unweigerlich zu eindimensionalem Vorgehen und Ausrichtung der Energiepolitik in der nächsten Dekade bis 2045 mit verbindlich vorgeschriebenen Ausbauzielen, die so nicht eingehalten werden könnten. „Damit ist die Energiepolitik in Deutschland für die Unternehmen kein verlässlicher Gradmesser für unternehmerische Entscheidungen“, sagte der IHK-Präsident. Der Ausbaupfad für die Übertragungs- und Verteilernetze sei so gewaltig, dass die Netzentgelte unweigerlich weiter steigen würden. „Energie muss aber bezahlbar bleiben“, betonte Rainer Schwarz. „Der internationale Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen muss wieder zurückgenommen werden. Dabei ist die Senkung der Stromsteuer auf ein Mindestmaß für alle Branchen nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, hob der IHK-Präsident hervor.
Herausgegeben am 7. April 2025
Pressemeldung Nr. 18
Verantwortlich für den Inhalt: Doris Steininger, Tel. 06031 / 609-1100
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Stand: 08.04.2025