Tarifverträge

Allgemeines

Vergütung und die sonstigen Arbeitsbedingungen werden vielfach in Tarifverträgen bestimmt. Ein Tarifvertrag kann auf Arbeitnehmerseite nur von den Gewerkschaften, auf Arbeitgeberseite dagegen sowohl von Arbeitgeberverbänden (Verbandstarifvertrag) als auch von jedem einzelnen Arbeitgeber (in Form von Firmen-, Werk- oder Haustarifvertrag) abgeschlossen werden. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Tarifautonomie ist in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz verankert. Rechtsgrundlage für das Tarifrecht ist außerdem das Tarifvertragsgesetz (TVG).

Was regelt ein Tarifvertrag?

Der Tarifvertrag regelt die Pflichten und Rechte der Tarifvertragsparteien (sogenannter schuldrechtlicher Teil) und trifft Regelungen, insbesondere über den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung der erfassten Arbeitsverhältnisse (normativer Teil). Er kann auch betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln.

Wann gelten die Bestimmungen eines Tarifvertrages für ein Arbeitsverhältnis?

Mitgliedschaft in tarifvertragschließenden Parteien


Die in Tarifverträgen vereinbarten Arbeitsbedingungen gelten grundsätzlich nur für die Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, d.h. wenn sowohl der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft als auch der Arbeitgeber Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes oder beim Firmentarifvertrag selbst Tarifvertragspartner ist.


Bezugnahmeklauseln im Individualarbeitsvertrag


Die Anwendung von tarifvertraglichen Regelungen in ihrer Gesamtheit oder nur in einzelnen Punkten kann auch einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ohne Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft, vereinbart werden. Im Arbeitsvertrag muss dann eindeutig geregelt werden, ob nur einzelne Punkte eines Tarifvertrags für ein Arbeitsverhältnis anwendbar sein sollen oder der Tarifvertrag insgesamt. Zudem kann zwischen dynamischen und statischen Bezugnahmeklauseln unterschieden werden. Statische Bezugnahmeklauseln nehmen Bezug auf einen Tarifvertrag in einer bestimmten Fassung. Dynamische Bezugnahmeklauseln nehmen Bezug auf einen Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung.


Allgemeinverbindliche Tarifverträge


Tarifverträge gelten außerhalb dieser Möglichkeiten auch für sonst ungebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fällt, der vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung führt zu einer unmittelbaren und zwingenden Wirkung des Tarifvertrages (§ 5 TVG).

Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfolgt auf Antrag der Tarifvertragsparteien. In vielen Branchen mit allgemeinverbindlichen Tarifverträgen sind nicht stets alle bestehenden Tarifverträge auch allgemeinverbindlich, sondern oft nur einzelne Tarifverträge mit bestimmten Regelungsinhalten.
Erfasst werden von einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag alle Arbeitsverhältnisse, die unter dessen Geltungsbereich fallen.

Welcher Tarifvertrag gilt?

Geltungsbereich

Ob ein Arbeitsverhältnis unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fällt, hängt neben der Tarifgebundenheit von dessen räumlichem, betrieblichem, zeitlichem und persönlichem Anwendungsbereich ab. Für den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages bei sonst nicht tarifgebundenen Unternehmen ist entscheidend, welcher Wirtschaftszweig nach dem Willen der Tarifvertragsparteien erfasst werden soll und ob der Betrieb zu diesem Wirtschaftszweig gehört. Da nach dem Willen der Tarifvertragsparteien in einem Betrieb grundsätzlich nur ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt, gilt z. B. auch für einen Werkstattleiter oder Lageristen in einem Betrieb des Einzelhandels das Tarifvertragsregelwerk des Einzelhandels. Ein Lohn-/Gehaltsanspruch richtet sich dann nach der der Tätigkeit / Ausbildung entsprechenden Tarifgruppe. Betriebe unterfallen dem betrieblichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages, wenn in ihnen arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten des tariflichen Geltungsbereiches verrichtet werden.

Sonderfall: Zusammentreffen mehrerer Tarifverträge

Es besteht die Möglichkeit, dass in einem Betrieb mehrere Tarifverträge aufeinandertreffen. Verursacht werden kann ein solches Aufeinandertreffen z.B. durch ein Nebeneinander von einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag und einem Haustarifvertrag oder wenn es nach Berufsgruppen organisierte Gewerkschaften gibt. Die Frage, welcher Tarifvertrag in einem solchen Fall gilt, kann in einem Merkblatt nicht dargestellt werden. Auch das im Jahr 2015 in Kraft getretene Tarifeinheitsgesetz, dessen zentrale Regelung § 4a TVG ist, enthält nicht für alle Fälle des Zusammentreffens mehrerer Tarifverträge eine Regelung zu der Frage, welcher Tarifvertrag anwendbar ist. In derartigen Fällen ist eine detaillierte rechtliche Beratung notwendig.

Welche Auswirkungen haben die tarifvertraglichen Regelungen für das einzelne Arbeitsverhältnis?

Die Arbeitsverhältnisse werden bei Tarifbindung durch den Tarifvertrag unmittelbar und zwingend gestaltet, unabhängig davon, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer die einzelnen Regelungen kennen. Von den Bestimmungen des Tarifvertrages kann zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden. Der Arbeitnehmer hat bei bestehender tariflicher Bindung daher z. B. Anspruch auf den tariflichen Lohn, auch wenn er ausdrücklich mit dem Arbeitgeber eine niedrigere Vergütung vereinbart hat. Eine Abweichung von dem Tarifvertrag zugunsten des Arbeitnehmers ist jedoch möglich (z. B. übertarifliche Vergütung). Es gilt die Regel: Treffen arbeits- und abweichende tarifvertragliche Regelung aufeinander, gilt die für den Arbeitnehmer günstigere (Günstigkeitsprinzip).
Zahlt ein Arbeitgeber „unter Tarif“, obwohl er dazu verpflichtet wäre, nach Tarifvertrag zu zahlen, muss er ggf. nicht nur den Lohn, sondern auch die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.
Zudem muss ein Arbeitgeber die in seinem Unternehmer geltenden Tarifverträge für jeden Arbeitnehmer einsehbar im Betrieb auslegen.

Nachwirkung von Tarifverträgen

Die Regelungen eines Tarifvertrages können auch nach dessen Ablauf weiter gelten (sog. Nachwirkung). Sofern eine Nachwirkung durch den Tarifvertrag selbst oder die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, gilt Folgendes:
Nur für Arbeitsverhältnisse, die während der Laufzeit des Tarifvertrages bestanden haben bzw. bis zur Beendigung des Tarifvertrages begründet wurden, gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages nach seinem Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 TVG). Eine „andere Abmachung“ braucht kein Tarifvertrag zu sein; es kann sich dabei auch um eine Betriebsvereinbarung oder einen Einzelarbeitsvertrag handeln.
Für die Nachwirkung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge gelten diese Regeln entsprechend. Die Nachwirkung allgemeinverbindlicher Tarifverträge besteht für nicht Organsierte auch dann weiter, wenn für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die durch Mitgliedschaft bei den Tarifvertragsparteien tarifgebundenen sind, bereits ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wurde, dieser aber nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurde.

Tarifregister

Abschluss, Änderung, Beendigung und Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen sind in einem bei dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geführten Tarifregister einzutragen. Auch von den Landesarbeitsministerien wird ein derartiges Tarifregister geführt. Das Tarifregister informiert über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen sowie über Inhalte von Tarifverträgen oder Einzelbestimmungen aus Tarifverträgen. Das Tarifregister erteilt nur Tarifauskünfte, keine anderen arbeitsrechtlichen Auskünfte. Auf der Homepage des Tarifregisters https://soziales.hessen.de/arbeit/tarifvertraege/ sind neben der Übersicht über das Tarifgefüge in derzeit über 100 Branchen viele weitere Informationen erhältlich.

  



Stand: 02.03.2023