Pan-Europa-Mittelmeer-Zone (PEM): Neue alternative Ursprungsregeln

2019 haben sich die EU und der Großteil der übrigen Mitgliedsstaaten des „Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (PEM)“ auf modernisierte Ursprungsregeln geeinigt. Am 30. November 2022 hat die EU im Amtsblatt eine Änderung hinsichtlich der Ausstellung von Lieferantenerklärungen bekannt gegeben. Diese Änderung sehen Sie im Abschnitt “Parallele Anwendung der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln/Durchlässigkeit”.
Modernisierte Ursprungsregeln: Das Erreichen des präferenziellen Ursprungs wird für Unternehmen durch die neuen PEM-Übergangursprungsregeln („transitional rules“) insgesamt deutlich leichter. Zahlreiche Verbesserungen entsprechen dabei dem „DIHK-Ideenpapier für moderne Handelsabkommen“.
Wesentliche Vereinfachungen sind zum Beispiel:
  • Produktspezifische Ursprungsregeln: Flexiblere und einfachere Be-/Verarbeitungsregeln für mehrere HS-Kapitel, wie zum Beispiel die Streichung kumulativer Anforderungen, niedrigere Schwellenwerte für die lokale Wertschöpfung, Ergänzung weiterer alternativer Ursprungsregeln (zum Beispiel chemische Reaktionen können Ursprung begründen);
  • Gleitender Durchschnittspreis: Der Wert der Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft kann bei mehreren Zulieferungen anhand von Durchschnittspreisen über einen gleitenden Zeitraum berechnet werden. Dadurch können zum Beispiel ursprungsschädliche Schwankungen bei Einkaufspreisen und Wechselkursen ausgeglichen werden.
  • Toleranz bei Positionswechsel: Die Schwellenwerte für die Verwendung von Vormaterialien oder Komponenten ohne Ursprungseigenschaft werden für Industrieerzeugnisse von 10 Prozent auf 15 Prozent des Ab-Werk-Preises und für Agrarerzeugnisse von 10 Prozent auf 15 Prozent des Nettogewichts angehoben.
  • Buchmäßige Trennung: Nach den bisherigen Vorschriften konnten die Zollbehörden eine buchmäßige Trennung genehmigen, wenn „erhebliche Kosten oder wesentliche Schwierigkeiten bei der getrennten Lagerung auftreten“. Die geänderte Regelung (Art. 12) sieht vor, dass die Zollbehörden eine Genehmigung für die buchmäßige Trennung erteilen, „wenn fungible (austauschbare) Materialien verwendet werden“. Das heißt: Der Exporteur muss bei der Beantragung einer Genehmigung zur buchmäßigen Trennung nicht mehr begründen, dass die getrennte Lagerung erhebliche Kosten verursacht oder zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Es reicht aus, darauf hinzuweisen, dass fungible (austauschbare) Materialien verwendet werden. Die neuen Regeln enthalten außerdem nicht mehr den Ausschluss für Textilien.
  • Duty Draw Back: Möglichkeit der Zollrückvergütung für die meisten Erzeugnisse;
  • Volle Kumulierung: Für die meisten Erzeugnisse können künftige auch Be- oder Verarbeitungsschritte bei der Kumulierung berücksichtigt werden, die für sich genommen keinen Präferenzursprung begründen (Wertschöpfungsanteile).
  • Nichtmanipulation statt Direktbeförderung: Nach dem Prinzip der Nichtmanipulation können Erzeugnisse, die durch andere Gebiete befördert werden, ihren Präferenzstatus auch dann behalten, wenn diese in Teilsendungen aufgeteilt werden. Dies trägt dem Trend hin zu regionalen Distributionszentren Rechnung.
  • Gültigkeitsdauer für Präferenznachweise: verlängert von vier auf zehn Monate.
  • EUR-MED/Erklärung zum Ursprung (REX): Die EUR-MED und die Ursprungserklärung-MED entfallen. Zudem kann die EUR.1 künftig durch von registrierten Ausführern (REX) abgegebene Erklärungen zum Ursprung (EzU) ersetzt werden, sofern die übrigen PEM-Länder dem zustimmen.
  • Elektronische Erstellung und Austausch von Präferenzdokumenten wird ermöglicht.
Parallele Anwendung der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln/Durchlässigkeit:
Da nicht alle PEM-Länder den neuen Ursprungsregeln zugestimmt haben (siehe unten), werden übergangsweise sowohl die alten als auch die neuen PEM-Ursprungsregelsysteme parallel anwendbar sein. Die Unternehmen können zwischen beiden Systemen frei wählen, und zwar sendungsbezogen. Entsprechend wird es übergangsweise zwei parallele Kumulierungszonen geben (siehe unten).
Flexibilisierung bei Lieferantenerklärungen für die Ausstellung von Ursprungsnachweisen in der Pan-Europa-Mittelmeer-Zone (PEM)
Am 30. November 2022 hat die EU im Amtsblatt L309 mit der VO (EU) 2022/2234 eine Änderung der Delegierten-Verordnung (EU) 2015/2447 bekannt gegeben. Die Änderungen sehen eine gewisse Dürchlässigkeit (permeability) bei der Nachweisführung innerhalt der EU-internen Lieferkette mittels Lieferantenerklärungen vor, die als Grundlage für die Ausfertigung von Ursprungsnachweisen für präferenzbegünstige Exporte in die Mitgliedsländer des “Regionalen Übereinkommens über die Pan-Europa-Mittelmeer-Zone (PEM) dienen.
Alt vs. Neu
Alte Regelungen: Auswahl zwischen den bisherigen “alten” Ursprungsregeln und den “neuen” Übergangsursprungsregeln (“transitional rules”)
Bei Nutzung der neuen Regelungen ist der Vermerk “transitional rules” anzugeben. Dies betrifft Ursprungsnachweise sowie Lieferantenerklärungen.
Neue Regelungen/partielle Durchlässigkeit: Angabe “transitional rules” auf Lieferantenerklärungen ist nicht mehr erforderlich. Prüfpflicht des Abgleichs zwischen den alten und neuen Ursprungsregeln liegt beim Ausführer, nicht mehr bei den EU-internen Zulieferern. Der Vermerk “transitional rules” muss demnach nur noch bei präferenziellen Ursprungsnachweisen angegeben werden (z. B. EUR.1, Ursprungserklärung,...). 
Hinweis: Diese Vereinfachung gilt nicht für die HS-Kapitel 2, 4 bis 15, 16 (außer verarbeiteten Fischereierzeugnissen) und 17 bis 24. Die Regelung gilt für alle Lieferantenerklärungen rückwirkend zum 1. September 2021.
Teilnehmer: 20 der derzeit 23 Vertragsparteien des PEM-Abkommens beabsichtigen, die modernisierten Übergangsursprungsregeln anzuwenden. Dies sind die EU, die EFTA-Länder (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein), Färöer, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Palästinensische Gebiete, Türkei, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien, Kosovo, Moldau. Tunesien hat nach Auskunft der EU-Kommission kürzlich seine Absicht zur Teilnahme erklärt. Drei Länder beteiligen sich nicht an den neuen Regeln: Marokko, Algerien und Syrien.
EU-seitig wurden die erforderlichen Vorkehrungen zur geplanten Anwendung ab dem 1. September bereits am 7. Dezember 2020 getroffen (siehe hierzu die entsprechenden Beschlüsse des europäischen Rates im EU-Amtsblatt L 424 vom 15.12.2020). Auf Seiten der übrigen PEM-Mitglieder liegt formal bislang nur die Bestätigung von Jordanien vom 15. April vor (siehe EU-Amtsblatt L 164 vom 10.05.2021).
Zeithorizont Ratifizierungsprozess: Die Anwendbarkeit der neuen Ursprungsregeln wird bis zum 1. September nur mit einigen der 23 PEM-Länder möglich sein. Bzgl. des Ratifizierungsprozesses der revidierten Ursprungsprotokolle durch die PEM-Länder hat die EU-Kommission dem DIHK kürzlich folgenden unverbindlichen Erwartungsstand mitgeteilt:
  • Schweiz, Island, Norwegen, Färöer, Jordanien, Albanien: Ratifizierung ist erfolgt; anwendbar ab 1. September;
  • Westbalkan-Länder (außer Albanien), Moldau, Georgien: Ratifizierung und Anwendbarkeit ab 1. September bzw. ab Oktober/November wahrscheinlich;
  • Türkei, Israel, Libanon, Palästinensische Gebiete: Ratifizierung wird sich verzögern;
  • Ägypten, Ukraine: keine Informationen, wann eine Ratifizierung erfolgen wird;
  • Tunesien: hat seine Bereitschaft zur Ratifizierung erstmals im Frühsommer erklärt.
Die Generaldirektion für Steuern und Zollunion (DG TAXUD) wird auf seiner Website und im Amtsblatt der EU informieren, sobald weitere PEM-Partnerländer das neue Ursprungsprotokoll ratifiziert haben.
Codierung der neuen Präferenznachweise in Zollanmeldungen - Im TARIC wurden zwei neue Codes geschaffen, die seit dem 1. September 2021 gelten:
Mit ihrer ATLAS-Info 0214/21 weist die Generalzolldirektion (GZD) auf zusätzliche Codierungserfordernisse für Einfuhrzollanmeldungen in ATLAS hin. Für Waren, die den Ursprung durch Anwendung der Übergangsregeln erlangt haben, sind ermäßigte Abgabensätze mit Begünstigungscode 3XX zu beantragen und mit einer der folgenden Ursprungsnachweiscodierungen anzumelden.
  • "U075" = Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 mit Angabe „Übergangsregeln“ in Feld 7 oder
  • "U076" = Ursprungserklärung mit Wortlaut "Ursprung gemäß den Übergangsregeln"
Neben diesen erforderlichen Präferenzunterlagen "U075" bzw. "U076" sind aus technischen Gründen im IT-Verfahren ATLAS bis auf Weiteres noch zusätzlich folgende Unterlagencodierungen anzumelden:
  • "N954": Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 oder
  • "N864" Erklärung auf der Rechnung oder eine Ursprungserklärung eines Ausführers auf der Rechnung oder auf einem anderen Handelspapier und
  • "7HHF": Direktbeförderungsnachweis
Es handelt sich hierbei lediglich um technische Codierungen, die für die IT-Anwendung ATLAS notwendig sind. Die eigentlichen Unterlagen müssen dem Anmelder nicht vorliegen.
Konkret bedeutet dies, dass für die neuen Übergangsursprungsregeln folgende Unterlagencodierung in ATLAS in Kombination angegeben werden müssen:
EUR.1 mit Vermerk "Transitional Rules"
  • "U075" und
  • "U954" und
  • "7HHF"
Ursprungserklärung mit Vermerk "Transitional Rules"
  • "U076" und
  • "N864" und
  • "7HHF"
Der Wegfall dieser technisch bedingten Zusatzangaben wird in einer erneuten ATLAS-Info bekannt gegeben.
Hinweis zur Ursprungserklärung: Der Zusatzvermerk und folglich die Codierung U076 ist unabhängig von der Höhe des Warenwertes und unabhängig vom Status des Exporteurs (Stichwort „Ermächtigter Ausführer“) zu verwenden.
Die EU hofft, dass bis Ende 2021/Anfang 2022 alle teilnehmenden PEM-Länder die neuen Ursprungsregeln ratifizieren werden. Darüber hinaus bleibt es erklärtes Ziel der EU, auch Algerien und Marokko zur Übernahme der neuen Regeln zu bewegen, um die alten Regeln vollständig abzulösen.
Diagonale Kumulierung: Abgesehen von der Ratifizierung der neuen Ursprungsprotokolle im bilateralen Verhältnis mit der EU steht auch die Ratifizierung der neuen Ursprungsregeln der PEM-Länder untereinander an. Nur dann ist zusätzlich zur bilateralen Kumulierung auch die diagonale Kumulierung in der PEM-Zone möglich. Aufgrund der parallelen Anwendbarkeit der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln wird es übergangsweise zwei Matrizen für Kumulierungszwecke nach alten und nach neuen PEM-Ursprungsregeln geben.
Aktuelle Informationen zu den klassischen Pan-Euro-Med-Ursprungsregeln („PEM 1.0“) sowie zu den neuen, alternativ anwendbaren Pan-Euro-Med-Übergangsursprungsregeln (Transitional Rules, „PEM 2.0“) stellt die EU-Kommission DG Trade auf ihrer Website bereit.
  • Die Kumulierungsmatrix gemäß der alten „PEM 1.0“-Ursprungsregeln finden Sie in der Mitteilung der EU-Kommission 2020/C 322/3 vom 30.09.2020.
  • Die Kumulierungsmatrix gemäß der neuen „PEM 2.0“-Übergangsursprungsregeln (Transitional Rules) finden Sie wie oben erläutert in der Mitteilung der EU-Kommission Nr. 2022/C 31/01 vom 21.01.2022.

Quelle: DIHK
Stand: 03.09.2021