Wirtschaft sieht gute Ansätze, aber auch viele Hürden

IHK-Vollversammlung diskutierte Koalitionsvertrag und Fachkräftesituation

Die Unternehmerinnen und Unternehmer der IHK-Vollversammlung begrüßen die Pläne der Ampel-Koalition, viele Bereiche des öffentlichen Lebens und der Verwaltung grundlegend zu modernisieren und zu digitalisieren. „Bürokratielasten und mangelnde Effizienz von Verwaltungsprozessen sind regelmäßige Kritikpunkte der Unternehmen“, erklärt IHK-Präsident Dr. Ralf-Uwe Bauer. Die Wirtschaft fordere schon lange von allen öffentlichen Stellen, Planungs- und Genehmigungsverfahren transparent, schnell und digital zu gestalten. Ob dazu ein Personalaufbau in Behörden und Gerichten dienlich ist, muss diskutiert werden.
Im Koalitionsvertrag sehen die Mitglieder der Vollversammlung die Bedeutung der Wirtschaft und ganz besonders der Industrie nicht ausreichend berücksichtigt. Die gesellschaftliche Rolle der Unternehmer werde unterschätzt. Industriestrategie werde nur im Blick auf den Green Deal geplant, die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrieunternehmen den Energie- und Klimaschutzzielen untergeordnet. Alle Gesetzesvorschläge auf ihre Klimaschutzwirkung auszurichten, könnte die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft weiter verschlechtern. Zumal bei den meisten Vorhaben die Finanzierung unklar sei. „Bisher ist auch nicht erkennbar, wie die neue Bundesregierung die Unternehmen bei Bürokratie entlasten wird“, betont der IHK-Präsident.
Offen sei aus Sicht der Ostthüringer Wirtschaft, das die Stromkosten in Deutschland auf einem wettbewerbsfähigen Niveau gehalten werden – Unternehmen sehen sich derzeit mit Erhöhungen auf das bis zu Vierfache konfrontiert. Auf absehbare Zeit kommt eine hohe Abhängigkeit von importiertem Erdgas hinzu und sei gleichzeitig ein massiver Netz- und Speicherausbau notwendig, bevor die erneuerbaren Energien eine Grundlast-Wirkung entfalten können. Zumindest als Impuls wertet die Vollversammlung die geplante Abschaffung der EEG-Umlage beim Strompreis.
Als weiteren Schwerpunkt befasste sich die Vollversammlung mit dem Thema Fachkräftesicherung, da jedes zweite Ostthüringer Unternehmen den Fachkräftemangel zu den größten Geschäftsrisiken zählt. Schon jetzt können 44 Prozent der Ostthüringer Unternehmen offene Stellen längerfristig nicht besetzen. Stefan Scholz, Chef der Arbeitsagentur Altenburg-Gera und Jena, betonte, dass die Nachfrage nach Fachkräften bis 2040 aufgrund weniger Geburten und Renteneintritte weiter zunehmen werde. Betriebliche Ausbildung und Qualifizierung seien zentrale Stellschrauben für einen dauerhaften Erfolg. Er verwies auf die Förderung der betrieblichen Weiterbildung, womit die Arbeitsagenturen ein gutes Instrument zur Unterstützung von Betrieben und Beschäftigten haben. Zudem gelte es weiter Langzeitarbeitslose zu vermitteln. Ohne Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften sei es dennoch nicht möglich. Und dafür braucht es mehr denn je eine gelebte Willkommens-Kultur.
Die VV-Mitglieder sprachen sich dafür aus, alle vorhandenen Fachkräftepotenziale zu nutzen und die vielen Möglichkeiten insbesondere für junge Menschen hervorzuheben: „Mit einer klaren Kommunikation der Karrierechancen und Krisenfestigkeit beruflicher Bildung müssen wir den Fachkräftenachwuchs weiter motivieren, aktiv zu werden. Das gilt auch für Schul- und Studienabbrecher. Die Duale Ausbildung hat sich auch in der Pandemie bewährt und bietet allen interessierten Jugendlichen eine sichere Berufsperspektive“, betonte der IHK-Präsident. Die IHK Ostthüringen setze weiter auf maximale Unterstützung der ausbildenden Unternehmen und setzt ihre erfolgreiche Imagekampagne für Eltern „Ausbildung in Thüringen. Macht eure Kinder stark.“ fort.
16.12.2021, ba