EU-BINNENMARKT

Warenverkehr in Zukunft unter allen Umständen schützen

Seit dem 1. Januar ist der Luxemburger Luc Frieden neuer Präsident des europäischen Kammerdachverbandes Eurochambres. Wieso er den EU-Binnenmarkt stärken möchte und welche Rolle Eurochambres dabei spielen kann, erklärt der Präsident der Luxemburgischen Handelskammer in der DIHK-Reihe “Drei Fragen an”.

Herr Frieden, auf EU-Ebene soll dieses Jahr über wichtige regulatorische Vorhaben entschieden werden – vom CO2-Grenzausgleich bis zu Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Was steht hier für die europäischen Unternehmen auf dem Spiel?

Unabhängig von den erheblichen Folgen der Corona-Pandemie stehen die Unternehmen vor einer Reihe großer Herausforderungen. Lieferengpässe, die sich infolge der weltweiten Wiederöffnung ergeben, steigende Inflation, Arbeits- und Fachkräftemängel sowie die Herausforderung der Energiewende werden die Unternehmen 2022 weiterhin begleiten. Die im Rahmen des Green Deal verschärften Klimaziele werden absehbar zu höheren CO2-Preisen in der EU führen. Die Wettbewerbsnachteile europäischer Unternehmen sollen ausgeglichen werden durch das CO2-Grenzausgleichssystem, das im Rahmen von "Fit for 55" vorgestellt wurde.
Die Einführung eines Zertifizierungssystem für die CO2-Reduzierung gilt es künftig gründlich zu beobachten, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen aufrechtzuerhalten. Die Corona-Pandemie hat zudem die Bedeutung der globalen Lieferketten nochmals stärker in die öffentliche Diskussion gebracht. Verbindliche Vorschriften über die Sorgfaltspflicht der Unternehmen gegenüber ihren Unterauftragnehmern können jedoch nur verlangen, was machbar und verhältnismäßig ist.

Als Präsident wollen Sie den EU-Binnenmarkt und den Freihandel zu Ihren Prioritäten machen. Warum besteht gerade hier Handlungsbedarf?

Der europäische Binnenmarkt gilt als eine der wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union bei der Reduzierung bürokratischer Hürden für Geschäfte in und außerhalb Europas. Zeitweilige Exportbeschränkungen und Grenzkontrollen stellten in den vergangenen Monaten tiefgreifende Einschränkungen des Betriebslebens dar. Die Vollendung des EU-Binnenmarktes muss daher im Zentrum unserer Antwort auf die Corona-Pandemie stehen und zum Ziel haben, dass der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen in Zukunft unter allen Umständen aufrechterhalten werden kann. Das geplante Notfallinstrument für den EU-Binnenmarkt soll künftige Störungen verhindern, was auch im Sinne einer höheren Resilienz grundsätzlich zu begrüßen ist. Als Präsident von Eurochambres möchte ich die Unternehmen ermutigen, die Chancen des europäischen Binnenmarktes besser zu nutzen und gleichzeitig aktiv mit den europäischen Institutionen zusammenzuarbeiten.
Ein freier und fairer internationaler Handel ist für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen unabdingbar. Europa ist durch seine Exporte eng mit den größten Wirtschaftsräumen der Welt verflochten. Die Erschließung neuer Märkte eröffnet europäischen Unternehmen umso mehr die Möglichkeit, ihre Aktivitäten und Kooperationen mit Drittstaaten zu vertiefen. Es gilt, starke Partnerschaften mit den Nachbarländern der EU weiter auszubauen, insbesondere mit der Schweiz und dem Vereinigten Königreich.
Zudem sollte die Zusammenarbeit mit anderen wichtigen internationalen Handelspartnern wie den Vereinigten Staaten, China und Russland verstärkt werden, um globale einheitliche Spielregeln für einen fairen Wettbewerb voranzubringen. Während meines Mandates möchte ich, dass Eurochambres einen Beitrag dazu leisten kann, ein partnerschaftliches Europa zu festigen.

Was kann Eurochambres konkret für deutsche Unternehmen in Brüssel bewirken?

Eurochambres vertritt, dient und fördert die europäischen Industrie- und Handelskammern durch Advocacy-Arbeit, Entwicklung von Projekten und Dienstleistungen für Mitglieder. Der Dachverband der europäischen Kammerorganisationen setzt sich als Stimme der Wirtschaft und Partner der Politik in Brüssel für die gesamteuropäischen Belange der Wirtschaft ein.
Mit Stellungnahmen zu wirtschaftspolitischen Kernthemen wie dem EU-Binnenmarkt, der Kapitalmarktunion, der Internationalisierung oder der Bildung positioniert sich Eurochambres zu wirtschaftsrelevanten Themen im europäischen Entscheidungsprozess. Die Zusammenarbeit innerhalb Eurochambres ist zudem geprägt durch die Heterogenität der Mitgliedsverbände (EU versus Nicht-EU, klein versus groß, privat versus öffentlich-rechtlich), was den Eurochambres-Positionen eine besondere Schlagkraft im Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern der EU verleiht. Deutsche Unternehmen können über den DIHK, eines der Hauptmitglieder, auf dieses europäische Netzwerk zurückgreifen, um ihre Anliegen vorzubringen und durch ein gemeinsames Sprachrohr in Brüssel zu kommunizieren.
Es fragte: Susanne Schraff




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