Mehr Tempo für den digitalen Wandel

Die Digitalisierung eröffnet Unternehmen enorme Potenziale: von neuen Geschäftsmodellen über Effizienzgewinne bis hin zu besseren Produkten und Dienstleistungen. Viele Betriebe nutzen diese Chancen bereits aktiv. Doch damit die digitale Transformation auf breiter Front gelingt, braucht es stabile Rahmenbedingungen und verlässliche Unterstützung – insbesondere in der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung.
Cloud-Lösungen, Automatisierung, Künstliche Intelligenz (KI): In vielen Unternehmen schreitet die Digitalisierung spürbar voran. Gleichzeitig sehen sich Betriebe mit Herausforderungen wie langsamen Verwaltungsprozessen, fehlenden Schnittstellen und aufwendigen Genehmigungsverfahren konfrontiert. „Insgesamt bietet sich ein gemischtes Bild, was den aktuellen Stand der Digitalisierung angeht“, sagt Dirk Binding, Bereichsleiter Digitale Wirtschaft, Infrastruktur, Regionalpolitik bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). „In den Unternehmen bleibt die Digitalisierung trotz Krisen auf Kurs. Auch in der öffentlichen Verwaltung gibt es zahlreiche Initiativen. Dennoch verlaufen viele Prozesse noch zu langsam, was die Umsetzung erschwert.“
Die digitale Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Verwaltung ist ein wichtiger Hebel für mehr Effizienz und Servicequalität. „Viele Betriebe klagen über kostspielige und zeitintensive Prozesse, die unter anderem auf die unzureichende Digitalisierung von öffentlicher Hand zurückzuführen sind. So fehlt es beispielsweise an Schnittstellen, etwa zu Bauämtern“, sagt Binding. Er nennt ein weiteres Beispiel aus der Tourismusbranche: „Ein Campingplatz, dessen Betreiber alles digitalisiert hat – von der Buchung über den Check-in bis hin zur Abrechnung – ist bei der Kurtaxe an seine Grenzen gestoßen. Die Erfassung und Abrechnung müssen nach wie vor händisch über die kommunale Verwaltung abgewickelt werden.“ Aus Sicht der DIHK sind durchgängige, sichere und benutzerfreundliche digitale Verwaltungsprozesse auf allen Ebenen – bei Bund, Ländern und Kommunen – ein entscheidender Schlüssel für mehr Innovationskraft.

„Digitale Transformation ist kein Selbstläufer“

In der Wirtschaft ist die Digitalisierung zum jetzigen Zeitpunkt vielfach eine Reaktion auf aktuelle Herausforderungen wie den Fachkräftemangel, geopolitische Unsicherheiten und steigende Kundenanforderungen. „Die Prioritäten liegen aktuell auf der Kostensenkung und der Bewältigung des Fachkräftemangels. In Unternehmen dient Digitalisierung deshalb vor allem dazu, Prozesse effizienter zu gestalten und die Qualität von Produkten zu verbessern“, sagt Binding. „Gerade im Mittelstand wird die Digitalisierung häufig strategisch genutzt, um die Effizienz zu steigern und Prozesse zu optimieren. Dadurch geraten die weitreichenderen Potenziale der Digitalisierung – etwa als Treiber für innovative Produkte und neue Geschäftsmodelle – zunehmend in den Hintergrund.“
Zeit, Komplexität und Geld: Das sind laut der DIHK-Digitalisierungsumfrage 2025 die größten Herausforderungen, denen sich Unternehmen bei der Digitalisierung gegenübersehen. „Digitale Transformation ist kein Selbstläufer. Interne Prozesse müssen neu organisiert und Mitarbeitende aktiv eingebunden werden.“ Zudem mangelt es an Know-how, um diese Projekte umzusetzen. Fast jedes dritte Unternehmen beklagt einen Mangel an IT-Fachkräften. „Digitale Kompetenzen sind essenziell für den digitalen Wandel in Unternehmen – sei es im Umgang mit Technologien wie KI, in der Anpassung betrieblicher Prozesse oder in der Entwicklung technischer Innovationskraft“, sagt Binding. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, sollten digitale Kompetenzen frühzeitig vermittelt und systematisch weiterentwickelt werden – von der Grundschule über die berufliche Ausbildung bis hin zur Weiterbildung und den Hochschulen.
Neben dem Mangel an Fachkräften sorgen auch rechtliche Unsicherheiten für zusätzliche Herausforderungen. „Es gibt derzeit eine Vielzahl an neuen EU-Digitalgesetzen, deren nationale Umsetzung beispielsweise noch aussteht und deren Zusammenspiel mit anderen Rechtsrahmen sich in der Praxis noch beweisen muss.“ Ein Beispiel ist der sogenannte AI Act der Europäischen Union, der den sicheren und vertrauenswürdigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz regeln soll: „Der AI Act kommt erst nach und nach in Anwendung, begleitende Leitfäden befinden sich noch in der Ausarbeitung. Aus unserer Sicht ist es entscheidend, dass die nationale Umsetzung zügig erfolgt. Nur so können Unternehmen sicher sein, dass sie die Anforderungen der Verordnung rechtskonform erfüllen.“
Auch bei der digitalen Infrastruktur zeigen sich Fortschritte, doch es bleibt noch viel zu tun. Laut der aktuellen DIHK-Digitalisierungsumfrage verfügen 27 Prozent der Unternehmen in Deutschland noch nicht über einen Internetanschluss, der ihren Anforderungen genügt. Die DIHK plädiert deshalb dafür, den flächendeckenden Ausbau von Breitband- und 5G-Netzen deutlich zu beschleunigen. Ein Beschleunigungsgesetz für Genehmigungsverfahren wäre dazu ein wesentlicher Katalysator. Es soll dafür sorgen, dass Unternehmen leistungsfähige digitale Infrastrukturen schneller ausbauen können.

KI-Potenzial gezielter nutzen

Sicherheit gehört zu den zentralen Herausforderungen der digitalen Transformation. „Digitalisierung muss sicher sein – das betrifft sowohl den Schutz vor Cyberangriffen als auch den vertrauenswürdigen Umgang mit Daten“, sagt Binding. Betriebe müssten frühzeitig dabei unterstützt werden, Cyberrisiken wirksam zu minimieren. Vor diesem Hintergrund fordert die DIHK eine unbürokratische und praxisnahe Umsetzung der EU-Richtlinie NIS2. Diese sieht höhere Sicherheitsstandards und Meldepflichten für Unternehmen im Bereich der Cybersicherheit vor.
Auch beim Thema Datennutzung besteht aus Sicht der DIHK Handlungsbedarf: Der Datenaustausch und die Datennutzung sollten als Chance für die Wirtschaft gesehen werden, gleichzeitig müssen Geschäftsgeheimnisse ausreichend geschützt und der Schutz sensibler Daten gewährleistet werden. Nur so kann Vertrauen in die Datenökonomie entstehen. Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass KI in Deutschland das Produktivitätswachstum steigern wird. Jedoch: Nur etwa jedes vierte bis fünfte Unternehmen setzt KI aktiv ein – das Potenzial wird also bislang nur unzureichend genutzt. Die Studie betont, dass neben der technologischen Entwicklung vor allem die politischen Rahmenbedingungen verbessert werden müssen, etwa durch die zügige Umsetzung des AI Act, den Ausbau der Dateninfrastruktur und praxisnahe Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen. Nur so können die Chancen der KI voll ausgeschöpft und zugleich positive Effekte auf den Arbeitsmarkt realisiert werden.
„Digitalisierung ist eine zentrale Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen“, so Binding. Die DIHK und die IHKs unterstützen Unternehmen dabei mit verschiedenen Angeboten wie etwa der Fördermittelberatung und bringen die wirtschaftlichen Anliegen in den politischen Dialog ein. Um den digitalen Fortschritt jedoch weiter voranzutreiben, sind aus Sicht der DIHK weitere Maßnahmen nötig. „Nur mit verlässlichen Rahmenbedingungen und einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Verwaltung kann das volle Potenzial der Digitalisierung gehoben und der Standort Deutschland nachhaltig gestärkt werden.“
Mascha Dinter, DIHK
Die IHKs positionieren sich

„Digitalisierung und regionale Entwicklung“ ist eine von neun Clustern der „Wirtschaftspolitischen Positionen“ der 79 Industrie- und Handelskammern. Die „WiPos“ der IHK-Organisation beschreiben die wichtigsten Themen der Bundes- und Europapolitik aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft und bilden zugleich die inhaltliche Basis für die wirtschaftspolitische Arbeit sowie für Äußerungen und Stellungnahmen der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).

Position „Digitalisierung und Regionale Entwicklung“
dihk.de
Wirtschaftspolitische Positionen der DIHK

dihk.de


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