DeepEn – ein Start-up, das die Neurowissenschaft revolutioniert
Wie die in Schottland entstandene Forschungsidee eines Tschechen zu einem Start-up in Jena führte – das zeigt die spannende Gründungsgeschichte von DeepEn. Mit einem ultradünnen Endoskop wollen die fünf Gründer die neurowissenschaftliche Forschung revolutionieren. Dafür nutzen sie Glasfasern mit dem Durchmesser eines menschlichen Haares. Ihnen ist es gelungen, einen Prototyp zu entwickeln und erfolgreich bei potenziellen Kunden zu testen. Jetzt planen sie die Markteinführung.
Startup Team mit den Prototypen des holografischen Endoskops DeepEn One® im Hintergrund. Von links nach rechts: Dr. Sergey Turtaev, Dr. Hana Čižmárová, Dr. Jiří Hofbrucker, Patrick Westermann und Prof. Dr. Tomáš Čižmár
Die Idee
Prof. Dr. Tomáš Čižmár hat während eines Forschungsaufenthalts in Schottland am Thema der mikroskopischen Bildgebung mittels einer einzelnen Glasfaser gearbeitet. Die Herausforderung: das Licht auf dem Weg durch die Glasfaser mittels holografischer Techniken genau zu kontrollieren, sodass sich die Glasfaser zur Bildgebung einsetzen lässt. Das Licht wird im Inneren der Glasfaser zwar vielfach gebrochen, muss beim Austritt jedoch wieder auf einen Fokuspunkt gebündelt werden. So lässt sich eine einzelne Faser in ein haarfeines Mikroskopobjektiv verwandeln.
Die Lösung
Das Leibniz-Institut für Photonische Technologien e.V. (IPHT) holte die international besetzte Forschungsgruppe 2017 nach Jena und gab ihr den Raum, den Forschungsansatz weiterzuentwickeln und in ein Gerät umzusetzen. Das Ergebnis ist „DeepEn One®“ – ein Spezialmikroskop mit einer Glasfasersonde, die wie ein Endoskop feinste Strukturen im Gehirngewebe erfassen kann. „Wir können mit hochauflösenden Aufnahmen sichtbar machen, wie Neuronen miteinander interagieren und Bilder von kleinsten Gewebestrukturen erzeugen“, erläutert Patrick Westermann, der Betriebswirt im Gründerteam. Er hat 2020, im Jahr seines Masterabschlusses, den ersten Businessplan für die Ausgründung aus dem Institut konzipiert, um als Start-up die Entwicklung eines Prototyps und den Markteinstieg voranzutreiben.
Die Gründung
Rückenwind dafür gab es unter anderem aus dem Exist-Forschungstransfer-Programm des Bundes. Diese Förderung unterstützt und begleitet Ausgründungsprojekte aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit dem Ziel, Forschungsergebnisse weiterzuentwickeln, Geschäftsideen in tragfähige Businesspläne umzusetzen und die Unternehmensgründung vorzubereiten. „Das ist ein Prozess, für den man einen langen Atem braucht und eine große Herausforderung“, so sein Fazit. Am Businessplan wurde lange „gefeilt“. Informationen mussten für Investoren und Geldgeber auf den Punkt gebracht werden, um sie vom Potenzial des Start-ups zu überzeugen. Parallel dazu wurden erste Kundenkontakte aufgebaut und der Prototyp einem Praxistest unterzogen. Mit dem Feedback haben die Wissenschaftler im Team weiter an der Produktentwicklung gearbeitet.
Der Start der DeepEn GmbH im Jahr 2024 war dann ein Erfolg: Das junge Unternehmen wurde sowohl mit dem Thüringer Innovationspreis 2024 als auch dem Leibniz-Gründungspreis 2025 ausgezeichnet. Aber für Patrick Westermann am wichtigsten: Das große Interesse der Neurowissenschaftler weltweit.
Erste Erfolge
Gefragt ist „DeepEn One“ in wissenschaftlichen Laboren, die Grundlagenforschung für neurologische Erkrankungen, wie Alzheimer oder Parkinson betreiben. „Mit Hilfe unserer ultradünnen Sonde können die Forscher die elektrischen Impulse im Gehirn von Versuchstieren sichtbar machen und so mehr darüber erfahren, wie Neuronen miteinander agieren“, erläutert er, „und das minimalinvasiv, also ohne bleibende Schäden am Gehirn zu verursachen.“ Entsprechend groß sei das Interesse in der Fachwelt. Renommierte Institute, wie das Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg oder die Universitäten in Prag oder im belgischen Leuven, haben bereits mit dem Gerät gearbeitet. Die Jenaer Gründer freuen sich so nicht nur über erste Einnahmen, sondern vor allem auch über das positive Feedback und die zahlreichen Impulse für die Optimierung des Mikroskops.
Die nächsten Schritte
Das macht dem Gründerteam Mut, in die internationale Vermarktung einzusteigen. „Wir sind auf Tagungen, Kongressen und Messen unterwegs, um mit Präsentationen, Vorträgen oder Postern unser Gerät und seine neuen Möglichkeiten für die Forschung vorzustellen – also überall dort, wo sich potenzielle Kunden treffen“, erläutert er. So waren die Jenaer im vergangenen Jahr beim FENS-Forum in Wien vor Ort, Europas größtem neurowissenschaftlichen Kongress. Im November geht es nach San Diego zur Messe „SfN-Neuroscience 2025“ – der erste Schritt zum Markteinstieg außerhalb Europas.
Der Ausblick
„Jetzt wollen wir erste Kunden gewinnen, die ersten Geräte und Sonden herstellen und verkaufen“, umreißt Patrick Westermann das nächste Ziel des Unternehmens. Er zeigt sich optimistisch: „Anfragen liegen schon vor. In den nächsten Wochen werden wir damit beginnen, eine Produktion aufzubauen.“ Beste Voraussetzungen dafür biete der Technologie- und Innovationspark Jena, in dem DeepEn Büroräume bezogen habe und demnächst auch Werkstattflächen anmieten wird. Ein weiterer Pluspunkt: die unmittelbare Nähe zum IPHT, mit dem die junge Firma in einem gemeinsamen Forschungsprojekt die Technologieentwicklung vorantreibt.
Denn langfristig verfolgt das Team ehrgeizige Ziele: „Wir möchten die derzeit noch kurze und starre Glasfasersonde so weiterentwickeln, dass sie künftig länger und flexibler wird. Dadurch ließe sich das Instrument auch in größeren Organen einsetzen.“ Langfristig soll auf Basis dieser Technologie ein völlig neues Medizinprodukt entstehen – ein minimalinvasives Bildgebungsgerät für den Einsatz in besonders empfindlichen Bereichen des menschlichen Körpers.
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