BREXIT

Deutsche Unternehmen spüren Brexit-Folgen

Umfrage verdeutlicht Schwierigkeiten bei Zoll, Logistik oder Personal 
Fachkräftemangel, Handelsbarrieren, Lieferkettenprobleme – knapp ein Jahr nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt werden die wirtschaftlichen Konsequenzen des Brexit für die deutschen Unternehmen vor Ort immer konkreter. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
Die Sonderauswertung des AHK World Business Outlook basiert auf knapp 80 Antworten der im Vereinigten Königreich vertretenen Unternehmen. Von diesen Betrieben in Großbritannien rechnen nur noch 29 Prozent mit einer besseren konjunkturellen Entwicklung vor Ort. In der Eurozone traf dies in der Gesamtumfrage dagegen für 43 Prozent der Unternehmen zu.
"Der reibungslose Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen Deutschland und Großbritannien gerät mit dessen Austritt aus dem gemeinsamen Binnenmarkt immer mehr aus dem Takt", fasst DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier die Ergebnisse zusammen. "Ob im Zollbereich, bei der Arbeitnehmermobilität oder bei Handelskonflikten, die Rechtsunsicherheit und Investitionszurückhaltung erzeugen – die Probleme ziehen sich quer durch alle Geschäftsaktivitäten."
So berichten 43 Prozent der deutschen Unternehmen in UK von Handelsbarrieren oder der Bevorzugung einheimischer Mitbewerber. Zum Vergleich: Weltweit sind 22 Prozent von solchen Diskriminierungen auf ihren Märkten betroffen.
Hinzu kommt, dass Großbritannien ab dem 1. Januar Zollkontrollen an den Grenzen verstärkt. "Zum Problem für den Warenverkehr könnte hier werden, dass immer noch zu wenige Inlandszollstellen im Vereinigten Königreich an das europaweite elektronische System für das Versandverfahren angeschlossen sind", so Treier.
Das Versandverfahren ermöglicht Betriebe eigentlich, die Zollverfahren überall und dezentral an britischen Inlandszollstellen abzuwickeln – was vielerorts noch nicht klappt. "Diese Mängel werden viele Unternehmen Zeit und Geld kosten und ihnen Nerven rauben", erklärt der DIHK-Außenwirtschaftschef. Auch die Rechtssicherheit wird am britischen Standort deutlich kritischer beurteilt (30 Prozent) als im globalen Schnitt (18 Prozent).
Die engen Wirtschaftsbeziehungen innerhalb des EU-Binnenmarkts im Handel mit Großbritannien sind einer Drittstaatenbeziehung gewichen , die mehr Handelshemmnisse, gerade auch im Logistikbereich, bedeuten.

DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier


Unternehmen wollen Lieferketten anpassen

In der Folge liegt der Anteil der Unternehmen, die von Problemen bei Lieferketten und Logistik berichten, im Vereinigten Königreich mit 85 Prozent deutlich höher als im weltweiten Durchschnitt (54 Prozent) – eine deutliche Diskrepanz, die sich nicht nur durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie erklärt.
Und das hat Konsequenzen: Insgesamt 77 Prozent der deutschen Unternehmen im Vereinigten Königreich haben vor, ihre Lieferketten anzupassen (weltweit sind es 54 Prozent). Davon planen sogar 93 Prozent eine Veränderung von Lieferwegen.
Diese Zahlen zeigen nach Einschätzung von Volker Treier, "dass die engen Wirtschaftsbeziehungen innerhalb des EU-Binnenmarkts im Handel mit Großbritannien einer Drittstaatenbeziehung gewichen sind, die mehr Handelshemmnisse, gerade auch im Logistikbereich, bedeuten".

Personalengpässe verschärfen die Probleme 

Darüber hinaus berichten aktuell 55 Prozent der deutschen Unternehmen in UK, zu wenig Fachkräfte vor Ort zu finden; im weltweiten Durchschnitt sind es 37 Prozent. In Großbritannien zeigte sich dies etwa zuletzt am Fehlen von LKW-Fahrern. Gleichzeitig stoßen auch Betriebe, die eigene Fachkräfte nach Großbritannien entsenden wollen, auf große Hürden: "Viele Unternehmen haben Probleme mit der Mitarbeiterentsendung und Dienstleistungserbringung wegen der verschärften und bürokratischeren UK-Einwanderungspolitik", so Treier.
Die deutschen Exporte nach UK und Investitionen auf der Insel sind seit dem Brexit-Referendum rückläufig. Während Großbritannien im Jahr 2016 noch drittwichtigster Exportmarkt Deutschlands war, ist das Land 2021 auf Platz acht abgerutscht. Als Handelspartner hat das Königreich in diesem Zeitraum sogar noch mehr an Bedeutung verloren: Nahm es vor fünf Jahren noch Platz fünf ein, rangiert es nunmehr nur noch auf Platz zehn.

Platz in den Top 10 der deutschen Handelspartner wackelt

Aufgrund der Entwicklung und der bestehenden Herausforderungen erwartet der DIHK für das kommende Jahr einen weiteren Rückgang der Im- und Exporte. Dann könnte das Vereinigte Königreich in der Liste Deutschlands wichtigster Handelspartner sogar ganz aus den Top 10 herausfallen.

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